[EU-Wahl am 26. Mai 2019] EU oder Rechte – das ist nicht die Wahl. Ja oder nein zum Kapitalismus steht leider nicht zur Debatte
Die Souveränität der Nationalstaaten gegenüber der EU verteidigen, ist ungefähr so, wie die EU gegen die europaweite aktuelle Welle des Nationalismus und Rassismus zu verteidigen – im allerbesten Falle überflüssig. Erst recht, wenn dies aus sozialen oder demokratischen Gründen geschehen soll. Gerade die stärkste treibende Kraft der EU – auch BRD-Kapital genannt – macht dies deutlich: Es war nicht die EU, die die Hartz IV-Peitsche entwickelt hat, die anderen EU-Staaten passen sich dem Zwang zu Niedriglöhnen aus Konkurrenzgründen nur an. Und es ist auch nicht die EU, die zur Repression sozialen Protests gerade ein Nachbarland der BRD zur großen Polizeination macht, oder, weiter östlich, südlich und nördlich, den Nationalismus, Hass und Gewalt mobilisiert. Aber es ist die EU, die einen Krieg im Mittelmeer führt, für den sie Frontex weiter aufrüsten will und für andere Auseinandersetzungen das keineswegs friedliche Projekt PESCO verfolgt. Es ist die EU, die sich an einem Tag – zur Befriedung (viel zu kleiner) gewerkschaftlicher Opposition – kostenlose soziale Säulen gibt, um am nächsten Tag die Renten nach bundesdeutschem Muster zu privatisieren. Es ist die EU, die ihre Reformierbarkeit immer dann zeigt, wenn es darum geht, die Interessen des Kapitals reibungsloser durchzusetzen, ansonsten: Frag mal in Griechenland, wie es mit Volksabstimmungen aussieht… Das Problem besteht in der Schwäche antikapitalistischer Bewegungen, Konzepte und Entwicklungen, die gerade die transnationalen Momente befördern, zu entwickeln. Das aber ist für die gerade jetzt so oft beschworene linke Realpolitik nicht anders: Die endet in der Regel im besten Fall als Juniorpartner einer reaktionären Regierung… Ob jemand bei dieser Wahl mitmachen will, sei ihr oder ihm überlassen, aber es sollte dabei nicht vergessen werden, dass die kleineren Übel in den letzten Jahren heftig gewachsen sind – quantitativ wie qualitativ. Bei der Wahl zwischen dieser EU der Maastricht-Verträge und der (keineswegs nur) europaweit mobilisierten Rechten vertreten wir, wie schon immer, den Einsatz für alles, was antikapitalistisch, transnational, sozial und emanzipatorisch ist. Die Redaktion des LabourNet Germany fasst in einer umfangreichen Materialsammlung zu dieser Wahl am 26. Mai 2019 deswegen eher nochmals aktuell ihre Positionen zusammen, wie sie – beispielsweise – immer wieder in der LabourNet Germany-Rubrik Ein anderes Europa“ (?) und die Linke vertreten wurden.
Klinkenputzen für’s Kollektiv. Adeline de Lépinay über Community Organizing in Frankreich
„Wie in Deutschland gibt es auch in Frankreich ein gesteigertes Interesse an Methoden des Community Organizing (CO) außerhalb gewerkschaftlicher Organisierung. Die Alliance Citoyenne gehörte zu den ersten Zusammenschlüssen, die sich zur Organisierung von Nachbarschaften explizit auf diese Methode beziehen. Ausgangspunkt für die GründerInnen war die Auseinandersetzung mit dem Handbuch »Rules for Radicals« (1971) von Saul Alinsky, bevor sie 2010 die Alliance Citoyenne in Grenoble gründeten. Ihr Ziel ist die stadtteilbezogene Organisierung von Menschen in unterprivilegierten Vierteln, um Verhältnisse von Ungleichheit und Ausbeutung bewusst zu machen und Möglichkeiten der kollektiven Gegenwehr zu erlernen. Das von Vincent Gay mit Adeline de Lépinay geführte Interview wurde im Januar 2017 im Onlinemagazin Contretemps veröffentlicht. Adeline de Lépinay hat 2016 die Alliance Citoyenne in Aubervilliers, einem Vorort von Paris, mitgegründet und dort zwei Jahre als Organizerin gearbeitet. Sie verbindet die Organizing-Methoden mit einer politischen und libertären Bildung von unten (éducation populaire), die sie als widerständige Praxis der Selbstorganisation begreift im Kampf gegen jede Form der Unterdrückung und für eine tiefgreifende Transformation der Gesellschaft. Heute arbeitet sie nicht mehr für die Alliance Citoyenne, sie war zwischenzeitlich mehrere Monate in den USA, um weitere Community Organizing-Ansätze kennenzulernen und ein Buch darüber zu schreiben, das im Herbst 2019 unter dem Titel »Organisons-nous! Manuel critique” (Organisieren wir uns! Ein kritisches Handbuch) erscheinen wird…“ Interview von Vincent Gay, erschienen in express – Zeitung für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit 5/2019 in der Übersetzung aus dem Französischen durch Anna Steenblock
Logistik und Transportwesen. Ein Feld der sichtbaren und unsichtbaren Auseinandersetzungen im digitalen, globalen Kapitalismus, Teil II
„An die Logistik heften sich nicht nur in den Stabsabteilungen von Unternehmen und Regierungen Hoffnungen, sondern – mit etwas anderer politischer Intention – auch in der Linken. Die Vorstellung, mit der Lahmlegung von »Hubs« und Häfen das System an seinen empfindlichsten Teilen treffen und so aus den Angeln heben oder ihm doch zumindest per elektronischem Knopfdruck empfindlichen Schaden zufügen zu können, beflügelt nicht wenige Aktive, sei es am Schreibtisch oder bei der Blockade. Die VertreterInnen des italienischen Operaismus beschäftigen sich schon etwas länger mit dem Thema, als es populär ist. Zu erinnern ist hier etwa an die vor 40 Jahren erschienene »Geschichte des Containers« der Gruppe »Primo Maggio«. Sergio Bologna, selbst Teil der operaistischen Geschichte, hat sich in » Zerstörung der Mittelschichten. Thesen zur neuen Selbstständigkeit« (Graz 2006) erneut mit der Bedeutung dieses Sektors beschäftigt. Im Rahmen der Veranstaltung »Stadt als Fabrik. Wie Logistik und Masterpläne das Leben in der Stadt verändern« hielt er im Juni 2018 auf Einladung des Düsseldorfer Forums Freies Theater einen Vortrag, dessen ersten Teil wir im express 4/2019 leicht überarbeitet dokumentiert haben. Dort zeichnet der Autor die Entwicklung von Logistik und Transportwesen über Innovationen wie das Internet und die Containerisierung nach und schließt mit der These einer anhaltenden Branchenkrise, die er vor allem anhand des Überangebots an Transportkapazitäten zur See demonstriert. Im Folgenden dokumentieren wir den zweiten (und letzten) Teil seines Beitrags, in dem er sich kritisch mit der Hoffnung auf den strategisch-revolutionären Charakter von Arbeitskämpfen in der Logistik-Branche befasst…“ Teil II des Vortrags von Sergio Bologna, erschienen in express – Zeitung für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit 5/2019
»Ich bin hier nur ein Geflüchteter, das passt schon so«
„Rechtswidrige Praktiken gehören in vielen Betrieben zum Alltag. Sprachliche Schwierigkeiten, fehlende Kenntnisse über das deutsche Arbeitsrecht, prekäre Aufenthaltstitel, aber auch Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes erschweren es Geflüchteten in besonderem Maße, dagegen vorzugehen. Rechtswidrige Praktiken, berichtet uns ein Mitarbeiter des DGB in Niedersachsen, gehören in vielen Betrieben zum Alltag: »Als der Zoll hier eine große Überprüfung im Gastronomie- und Nahrungsmittelgewerbe gemacht hat, sind sie überall fündig geworden, in jedem Betrieb. Strafrechtlich relevant waren dann nur sechzig Prozent, den Rest haben sie im Ermessen als Bagatelle eingestuft. Aber in jedem Betrieb haben sie was gefunden. Es gibt also keine weißen oder schwarzen Schafe. Das ist systemisch angelegt. Das ist das Problem.« Von uns interviewte Beratungsstellen begleiteten unter anderem Fälle, in denen nach dem Ende der Beschäftigung Urlaubsansprüche nicht ausgezahlt, Überstunden nicht bezahlt, Praktika missbraucht oder Lohnzahlungen verweigert wurden…“ Artikel von Nikolai Huke und Doreen Bormann, erschienen in express – Zeitung für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit 5/2019
Aldi Süd: Beschäftigte kämpfen um Interessenvertretung im Betrieb – Bericht vom Termin am 8. Mai am ArbG Düsseldorf
„Betriebsräte als Interessenvertretung der Beschäftigten? Dies geht Aldi Süd offenbar zu weit. Wenn es schon einen Betriebsrat geben muss, dann kümmert sich die Geschäftsleitung augenscheinlich lieber selbst darum, dass alles „richtig“ läuft. (…) Das von Unternehmensseite geförderte Gremium wurde im März 2019 gewählt. Die Person die auf der Betriebsversammlung gegenüber der ver.di-Vertreterin drohend aufgetreten ist, sitzt nunmehr übrigens in diesem „großen“ Gremium. Die Beschäftigten der Verkaufsbereiche „Stupplich“ und „Weiss“ waren an dieser Wahl nicht beteiligt. Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf hatte die Durchführung der Wahl im Rahmen eines einstweilige Verfügungsverfahrens in diesen Regionen verboten, da dort bereits wirksame Betriebsratswahlen stattgefunden hätten. Was sind nun aber betriebsratsfähige Betriebe bei Aldi Süd – hier konkret: bei der Regionalgesellschaft ALDI GmbH & Co. KG Langenfeld? Dies sollte die 8. Kammer des zuständigen Arbeitsgerichts Düsseldorf am 8. Mai 2019 klären. Dass die zuvor von Mitgliedern der kleinen BR geäußerte Einschätzung, die Mitglieder des für den gesamten Verkaufsbereich gewählten Gremiums seien überwiegend unternehmensnah, richtig war, zeigte sich bei dieser Verhandlung schon bei der Sitzordnung (…) Die Richterin machte den Beteiligten den Vorschlag, dass zur Vereinfachung des Verfahrens alle drei BR zurücktreten und ein BR Langenfeld Verkauf neu gewählt werden sollte. Während der unternehmensnahe „BR“ sofort einverstanden war, haben die beiden kleinen Gremien den Vorschlag inzwischen abgelehnt. Sie wollen ein Urteil, um damit vor das Landesarbeitsgericht ziehen zu können. Vor der 3. Kammer des Arbeitsgerichts Düsseldorf läuft außerdem parallel zu diesem Verfahren die Anfechtung der Wahl des großen „BR“ durch mehrere Beschäftigte, die offenbar auch Zweifel an der Ehrlichkeit des großen Gremiums haben…“ Artikel Petra Stanius und Helmut Born vom 23.5.2019 – wir danken!
„Am 17. Mai 2019 protestierten 100 Menschen gegen die Schließung des Wombats Hostels und forderten seine Enteignung durch den Berliner Senat und Weiterführung durch die Belegschaft. Zu dem Protest kamen Beschäftigte aus anderen kämpfenden Belegschaften und Gruppen, wie z.B. der Taxi AG in Verdi, dem Tochterunternehmen der Charité CFM und Bildungsarbeiterinnen, die für einen Branchentarifvertrag kämpfen. Durch den musikalischen Beitrag von Paul Geigerzähler, der daran erinnerte, dass bei dem Bau der „Mall of Berlin“ am Potsdamer Platz rumänische Arbeiter nicht bezahlt wurden und letztlich niemand dafür verantwortlich gemacht wurde, und die Redebeiträge der aktiven Kolleg_innen, wurde die Kundgebung zu einem Tribunal gegen die arbeitnehmerfeindliche Politik des Berliner Senates insgesamt…“ Video bei labournet.tv (deutsch | 12 min | 2019)
Treffpunkt für Ungehorsame, mit und ohne Job, basisnah, gesellschaftskritisch
The meeting point for all left-wing trade unionists, both waged and unwaged
Le point de rencontres de tous les militants syndicaux progressistes, qu`ils aient ou non un emploi