Neu im LabourNet Germany am Freitag, 23. Mai 2003:

liebe Kolleginnen und Kollegen, heute zuerst: eine enorme Dosis LehrerInnen. Rund um die Welt sind sie den staatlichen Sparmassnahmen und Privatisierungsprogrammen ausgesetzt und fast wie abgesprochen wehren sie sich massenhaft dagegen - sei es in Frankreich, in Peru oder in Indien und vielen, vielen anderen Ländern. Auch andere Segnungen der schönen neuen Arbeitswelt sind Thema der heutigen Neubestückung im LabourNet: Privatisierung, Rentenklau, mit dem Computer unterwegs...

I.INTERNATIONALES : WELTWEITE LEHRERINNEN - AKTIONEN

• Peru: LehrerInnen-Streik seit dem 13.Mai
  Obwohl die Lehrergewerkschaft SUTEP zu jenen Organisationen gehört, die am meisten unter der verkappten Diktatur des ehemaligen Präsidenten Fujimori und seinem "lautlosen Krieg" gegen die Linke gelitten haben, ist die Beteiligung am ersten nationalen Streik seit langer Zeit nahezu bei 100 Prozent. Präsident Toledo hatte sein Wahlversprechen mehr Geld für den Schulsektor bereitszustellen auf Spardruck des IWF "verschieben" müssen. Ein (deutscher) Beitrag von José Rios y Otalbo, der einige Hintergründe, Probleme und den bisherigen Verlauf des Streiks zusammenfasst: Trotz gewerkschaftlicher Probleme: Der grösste Streik seit über einem Jahrzehnt
• Mexico: Tausende von LehrerInnen versuchen, in den Präsidentenpalast zu kommen
  Weil Proteste zu erwarten waren, wurde der 20."Tag der Erziehung" in Mexico im Palast des Präsidenten Fox gefeiert: Mit einem Empfang für den Vorstand der Lehrergewerkschaft SNTE.
  Während Fox Ansprache an den Gewerkschaftsvorstand, versuchten mehrere Tausend LehrerInnen in den Palast einzudringen, um endlich ein lange versprochenes Gespräch mit dem Präsidenten zu bekommen. Mehr Geld für die Schulen und die Lehrer sind die Grundforderungen der gewerkschaftsoppositionellen CNTE, die diese Aktion organisierte.
  Ein (spanischer) redaktioneller Bericht über die Aktion bei der autonomen Netzzeitung "Clajadep"
  Ein Beitrag von Claudia Herrera Beltran (spanisch, mit deutscher Zusammenfassung) über die Auseinandersetzungen zwischen der Gewerkschaftsführung der SNTE und der oppositionellen CNTE wegen derer Besetzungsaktion des Gewerkschaftshauses
• Ecuador: 120.000 LehrerInnen im Streik
  Die LehrerInnengewerkschaft UNE hat einen landesweiten Streik organisiert, um die Regierung Guttierez dazu zu zwingen, ihre Versprechungen aus dem Wahlkampf zu erfüllen, das Erziehungswesen zu stärken. Die Regierungsmehrheit im Parlament hatte den ursprünglichen Haushaltsentwurf, der entsprechende Gelder vorgesehen hatte, auf Initiative des Präsidenten - nach dessen Konversion zum Anhänger des "Freihandels" verändert. Ein (spanischer) Bericht der UNE Guayas vom 16.Mai 2003 beim autonomen Infoportal "Clajadep"
• Costa Rica: Streikende LehrerInnen verbünden sich mit streikenden Stromwerken
  Seit dem 14.Mai streikte bereits die Gewerkschaft der GymnasiallehrerInnen APSE, am Tag darauf beteiligten sich auch die anderen Gewerkschaften im Erziehungswesen. Neben der Auszahlung ausstehender Gehälter geht es den LehrerInnen auch um das Geld für die Schülerkantinen - und entgegen der ausdrücklichen Aufforderung durch die Kulturministerin haben die Gewerkschaften des Erziehungswesens begonnen, gemeinsame Kundgebungen mit den gegen Privatisierung streikenden Arbeitern der Elektrizitätswerke zu organisieren. Ein (spanischer) redaktioneller Bericht vom 17.Mai 2003 bei "Clajadep"
• Indien: Lehrergewerkschaft in Tamil Nadu schliesst Bündnis mit anderen Staatsangestellten
  Die Regierung des Bundesstaates Tamil Nadu gehört zu den indischen Vorreitern des Sozialabbaus und der unternehmensfreundlichen politischen und ökonomischen Umwandlung. Nach einem ersten erfolgreichen Streik am 10.April haben nun erstmals die diversen Gewerkschaften im öffentlichen Dienst, auf Initiative der LehrerInnengewerkschaft, ein Aktionsbündnis geschlossen. Nach ersten Kundgebungen - vor allem am 8.Mai in Chennai - sind eine Reihe weiterer Aktionen geplant, die ab 2.Juli in einen unbegrenzten gemeinsamen Streik münden sollen - trotz des Gesetzes über die Aufrechterhaltung der Grundversorgung, die LehrerInnen und vielen anderen im öffentlichen Dienst Beschäftigten Repressalien androht. Ein (englischer) Beitrag von S. VISWANATHAN in der Ausgabe vom 10.Mai 2003 beim zweiwöchentlichen Magazin "Frontline" "A joint struggle in Tamil Nadu"
• Frankreich: LehrerInnen setzen Streik fort
  Ein (französisches) Kommuniqué der SUD-Education vom 15.Mai - die Beschäftigten des Erziehungswesen setzten ihren Streik auch am zweiten Tag nach dem Generalstreik fort. Ihr besonderes eigenes Ziel: Die sogenannte Dezentralisierung des Erziehungswesens zu verhindern, die Stellenstreichungen und schlecht bezahlte Zeitarbeit vorsieht. Das Kommuniqué bei der alternativen französischen Infoseite "Samiszdat Hacktivist News Service" Pour faire reculer le gouvernement - généraliser la grève reconductible
• Zimbabwe: LehrerInnenstreik geht weiter
  Mitte letzter Woche scheiterten die Schlichtungsgespräche, die wegen des bereits seit Wochen andauernden LehrerInnenstreiks angesetzt worden waren. Der Streik richtet sich gegen das Sparprogramm der Regierung auf Kosten der Schulen und der LehrerInnen. Ein redaktioneller (englischer) Bericht vom 15.Mai 2003 in den "Zimbabwe Daily News" auf der Seite des Nachrichtenportals "Allafrica"
• Guayana: Ein erster Erfolg des Streiks der LehrerInnen
  Die guayanische Lehrergewerkschaft GTU hat das Abkommen, das der Schlichter vorschlug akzeptiert. Der Vorschlag sah die Erfüllung der wesentlichen Forderungen nach Auszahlung der Gehälter und Verbesserungd er schulischen Infrastruktur vor. Zuvor hatte die GTU einen wochenlangen landesweiten Streik mit grosser Unterstützung der Elternschaft organisiert. Der redaktionelle (englische) Bericht vom 21.Mai 2003 "GTU endorses end-strike accord" beim "Guayana Chronicle"

II.INTERNATIONALES : Gegen Privatisierung und Rentenklau

Indien: Generalstreik am 21.Mai - viermal soviele Teilnehmr wie im letzten Jahr
Vorgestern war in Indien von allen grösseren Gewerkschaftszentralen - ausser 2 - und vom nationalen Forum der Basisorganisationen zum Generalstreik am 21.Mai 2003 aufgerufen: Rund 40 Millionen Beschäftigte beteiligten sich daran. Das war der bisher erfolgreichste politische Streik der jüngeren indischen Geschichte. Auch die üblichen - religiösen - Spaltungslinien haben kaum funktioniert, sie wirkten sich nur in Mumbai (früher Bombay) auf die Beteiligung aus.
Wir dokumentieren vor allem aus der englischsprachigen indischen Presse.

• "Near total response to nationwide strike "
  In einem redaktionellen Beitrag auf der Seite der Zeitung "The Hindu" vom 21.Mai wird ein erster Überblick über die Streikbeteiligung gegeben
• " Employees’ Stir Costs Nalco Rs 10-crore Production Loss "
  Über den Streik bei der National Aluminium Company Ltd (Nalco) ein redaktioneller Bericht auf der Seite der Zeitung "Financial Express" vom 21.Mai
• "INTUC withdraws from May 21 general strike"
  Ein redaktioneller Bericht vom 17.Mai bei der "Times of India" über ein Gespräch mit dem Vorsitzenden des Gewerkschaftsbundes INTUC K Suresh Babu über die Gründe, warum sein Verband kurzfristig beschlossen hat, nicht mitzustreiken.
• "We need a political movement against privatisation"
  Interview der Redaktion der Zweiwochenzeitschrift "Frontline" bereits vom 18.Januar 2003 mit M.K. Pandhe,dem Generalsekretär des (marxistischen) Centre of Indian Trade Unions (CITU) über die Gründe für einen Generalstreik gegen die Privatisierungspolitik

Frankreich: Der Kampf gegen die Zerstörung des Rentensystems geht weiter
Nach dem Generalstreik am 13.Mai 2003, der in verschiedenen Branchen fortgesetzt wurde und den Aktionen am 19.Mai, wird es am 25.Mai erneut einen nationalen Protesttag in Frankreich geben.
Im Aufruf der SUD-Gewerkschaften zum 25.Mai heisst es:
"Trotz der Unterschriften der CFDT und der CGC hat die Entschlossenheit nicht nachgelassen, die Brosamen, die die Regierung zugesteht, reichen nicht. Wir wollen die 37,5 Beitragsjahre, die Rente ab 60 (ab 55 für schwere Arbeit) und die gleiche Rente im öffentlichen, wie im privaten Sektor..."
Wir dokumentieren im LabourNet (pdf-Dateien zum herunterladen):
Der (französische) Aufruf bei SUD PTT
Die (französische) Ankündigung der SUD eines Streiktages bei PTT am 26.Mai 2003
Widerstand gibt es - einmal mehr - innerhalb der CFDT gegen die Unterzeichnung eines "Rentenabkommens" mit der der Widerstand gespalten wurde.
Ein Beitrag von Kurt Lhotzky, AGM-Betrieb (Österreich), vom 17. Mai 2003: "Gewerkschaftsbürokraten spalten Abwehrfront gegen Pensionsraub - Protestwelle an der Basis"
Ein Beispiel des Widerstands - ein (französischer) Aufruf zur Urabstimmung über einen Rücktritt der CFDT Führung: "Appel à la démission du BN CFDT". Beim Alternativmagazin "Le Grand soir".

Türkei: Mehr als Hundertausend Arbeiter protestierten am vergangenen Wochenende in der Hauptstadt der Türkei gegen den Privatisierungskurs der AKP-Regierung
Das Privatisierungsprogramm der konservativen türkischen Regierung ist nicht neu: wohl aber der breite Widerstand der Belegschaften. Ein übersetzter redaktioneller Artikel aus der Zeitung "Evrensel" vom 19.Mai 2003

III:Internationales : Lohnstreiks - und die Folgen

Schweden: "Der Streik, der nicht passieren sollte..."
Die Gewerkschaft der städtischen Bediensteten ist die grösste Schwedens: Rund 600.000 Mitglieder (bei einer Gesamtbevölkerungszahl von 8,5 Millionen Menschen) - und sie befindet sich erstmals seit langem im Streik, mit Schwerpunkt in Stockholm. Lohnerhöhungen und Mindestlohn sind die Forderungen - die eine Gewerkschaftsführung vertreten muss, die diesen Streik nicht wollte. Zu eng ihre Bindungen an die regierende Sozialdemokratie (kommt das wem bekannt vor?). Ändert sich die politische Landschaft Schwedens? Eine Momentaufnahme vom 15.Mai 2003 von Johann Johannsen für die Zeitung "Socialisten", gepostet auf der Seite"Marxist.com"

Iran : Textilarbeiter im Norden des Irans haben einen Hungerstreik begonnen. Sie brauchen Ihre Unterstützung!
Nach den Streiks wegen monatelang nicht ausbezahlter Löhne, den Demonstrationen und der Repression sind Textilarbeiter jetzt in den Hungerstreik getreten. Ein Solidaritätsaufruf der API

IV.Branchen: Medien-IT

Allgemein: B2B - heisst nicht mehr "Business to Business", sondern "Back to Bangalore"
Auf der europäischen Dienstleistungs- und IT Konferenz von UNI in Stockholm haben Gewerkschaften aus den Niederlanden, Belgien und Dänemark erstmals die Behandlung der mit "Greencards" und ähnlichem herbeigeholten, oft indischen IT Spezialisten kritisiert. (Von den deutschen Gewerkschaften steht nichts im Bericht). Die (englische) UNI-Pressemitteilung vom 22.Mai 2003 auf der Seite der UNI

Allgemein: Studie: Systemhäuser in der Krise
"Die Mehrzahl der rund 8000 Systemhäuser in Deutschland kämpft mit massiven Finanzierungsproblemen": so beginnt der Bericht vom 14.Mai 2003 beim "heise-newsticker" über eine Studie der Beratungsfirma Dr. Wieselhuber & Partner GmbH über die Krise der IT Kerngeschäfte. Strategische Kooperationen sollen die Lösung sein... Zum "heise-newsticker" (dort auch ein link zur Studie)...

Nokia: Nokia will 1100 in Finnland entlassen
Die Ankündigung Nokias in ihrer "Struktursparte" Nokia Networks in Finnland 1.100 Beschäftigte zu entlassen zeigt nachdrücklich, dass die Krise im IT Sektor auch die "Sieger" im Wettbewerb erfasst hat. Und dass bei Nokia ein heftiger Gegensatz zwischen angeblichen sozialen Werten, denen das Unternehmen verbunden sei und den realen Praktiken besteht: so sieht es jedenfalls der Vorsitzende der finnischen Metallgewerkschaft Erki Vuoreema. In einem (englischen) Bericht vom 4.Mai 2003 auf der Seite des finnischen Netzaktivisten Juhani Artto

V.Diskussion / Gewerkschaftsstrategien

verdi-NRW initiiert Castroper Erklärung: Eine breite soziale Bewegung?
Abseits der ganz aktuellen Bedeutung in der Auseinandersetzung um die Agenda 2010 ist die Castroper Erklärung, die gemeinsam mit attac, Sozialverband Deutschland und anderen Organisationen und Prominenten im Rahmen der Fortsetzung der Landeskonferenz von verdi-NRW am 20.Mai 2003 verabschiedet wurde, einer von mehreren der in letzter Zeit unternommenen Versuche, eine deutsche Variante von "social movement unionism" einzuführen. Es wäre kein Luxus, sich darüber Gedanken zu machen, ob dies eine erfolgreiche Strategie sein kann. Von Aktionen ist in dem Bericht "ver.di-Landeskonferenz begründet breite Bewegung für den sozialen Frieden" auf der homepage von verdi-NRW nicht die Rede

Interview über Arbeitskämpfe in Zeiten der Agenda 2010
"Im Netzwerk Betriebsarbeit schlossen sich in Nürnberg vor einem Jahr Linke strömungsübergreifend zusammen, um neue Formen der betrieblichen Basisarbeit zu erproben. So organisierten sie die Solidarität mit dem von DVN gekündigten Betriebsrat Nathale Fontana. Die raumzeit sprach mit Dave Hollis und Sven Rösler." Zum Interview in der "Raumzeit" (Monatszeitung für Nürnberg-Erlangen-Fürth) Nr 23 vom 15.Mai 2003

VI: Diskussion / Arbeitsalltag / Allgemein

"Arbeiten in einer vernetzten Welt"
Ein Bericht von Brigitte Zarzer vom 19.Mai 2003 bei "Telepolis" über die Wiener konferenz gleichen Namens, die vom Forba-Institut organisiert worden war. Thema: Wie sich neue Technologien auf den Arbeitsalltag quer durch die Branchen auswirken - und wozu sie von den Unternehmen eingesetzt werden. Zum "Telepolis"-Artikel

es passiert halt ziemlich viel auf der Welt... schönes Wochenende
Helmut Weiss

Der Kaffee für den täglichen Aufstand: Zapatistischer Bio-Kaffe aus Chiapas:

Kaffe, zwei Sorten Espresso, gemahlen oder ganze Bohne: www.cafe-libertad.de

Oder Tel./Fax: 040-880 11 61 bzw. nachmittags: 040 - 2090 6893

LabourNet Germany: http://www.labournet.de/

Der virtuelle Treffpunkt der Gewerkschafts- und Betriebslinken

The virtual meeting place of the left in the unions and in the workplace