Hannes Oberlindober

New World Order oder: Was hat die Citibank mit Kosovo zu tun

 

Ein Tertium Comparationes verbindet die Aktivitäten globaler Konzerne mit dem Bemühen der US-Amerikaner um die inoffizielle, aber faktische Weltregierung, und dem Krieg auf dem Balkan: und dieses verbindende Dritte ist nicht (oder besser: nicht nur) Geld, sondern die Wertedebatte.

Wo immer Führungsansprüche dergestalt geltend gemacht werden, daß es auch Durchführungsansprüche bei Außerkraftsetzung bestehender Regelwerke sind, berufen diejenigen, die die Ansprüche aussprechen, sich auf Werte, deren Gültigkeit nicht durch kleinliche, völkerrechtliche Regelungen beeinträchtigt werden darf und die es zu wahren und durchzusetzen gilt. Dabei fällt auf, dass ausgerechnet die älteste Demokratie - die der US- Amerikaner - so selbstverständlich dem "leadership"-Prinzip frönt, als sei die amerikanische Demokratie sozusagen die Fortsetzung des muslimischen Extremistentums mit anderen Mitteln.

Der Präsident geriert sich als Chefexeget der Weltwertetabelle und leitet ganz wie ein Ayatollah aus Grundwerten ein allgemeingültiges Gesetz des Handelns ab, einen archaischen kategorischen Imperativ. Die NATO fungiert als demokratisch legitimierte Exekutive: demokratisch legitimiert in dem Sinne, als die US Amerikaner die globale, "demokratische" und moralische (und wirtschaftliche) Führungsrolle für sich reklamieren. Der Widerspruch nicht nur in der westlichen Welt fällt so gering aus, wie es der real existierenden Führerschaft der US Amerikaner in der Weltwirtschaft entspricht. Der Dollar ist und bleibt das Maß aller Dinge.

Dementsprechend wirkungslos verpufft das Unbehagen anderer "so called democracies" an der Ambivalenz der alles rechtfertigenden Werte: überall da, wo die USA "frei" sagen, meinen sie "ungezügelt". Dies wird vor allem deutlich an der Vehemenz und Wucht, mit der sich der Zugriff der "freien" Finanzmärkte auf die Osteuropäischen Länder ereignete. Ganz abgesehen von den gezielt verheerenden Wirkungen, die hedge fonds und Spekulationsgeschäfte in Rußland auf die dortige Währung ausübten, hat der IWF auch auf dem Balkan Spuren hinterlassen. Die Privatisierungswelle mit Massenentlassungen und Lohnsenkungen in allen Balkanländern erfolgte auf Druck des IWF, der den neuen Balkanstaaten anderenfalls mit Sanktionen drohte. Nachdem sich für kurze Zeit sogar kosovoalbanische und serbische Gewerkschaften solidarisierten, schuf die zunehmende Armut und Arbeitslosigkeit exakt das Klima, das Extremisten wie Milosevic brauchen, um - wiederum - ihren "Werten" aggressiv Geltung zu verschaffen (Vgl. Michel Chussudovsky, "Dismantling former Yugoslavia, Recolinising Bosnia", Ottawa 1996, Copyright by the author; e-mail: junktrap.chosso@travel-net.com).

Allzuviel Macht pervertiert das Humanitäre auch in den Staaten, die gerade dann, wenn sie aus "Sachzwängen" zur Beugung demokratischer Verfahren greifen, betonen, dies nur zur Wahrung der Handlungsfähigkeit der Demokratie tun. Das Siegel "Demokratie" hält dafür her, alles zu rechtfertigen - auch so horrende Euphemismen wie den Begriff "humanitäre Katastrophe" und "Kollateralschaden", und auch den Verstoß gegen demokratische Regeln im Namen demokratischer Regeln. Nie waren die Staatschefs in Demokratien chauvinistischer als heute - Klaus Theweleit wies in der TAZ süffisant auf den Hang der Herren Schröder, Fischer und Clinton zu "jungen Dingern" her. Zumindest in satirischer Überspitzung läßt sich Bombenwerfen auch als papagalloartiges Imponiergehabe lesen.

Wären es nur die Repräsentanten, die im Schutz des weißen Begriffsgewölks von Demokratie, Menschenrecht, soziale Marktwirtschaft und des schwarzen Begriffsgewölks von Maßenvertreibung, Maßenvergewaltigung, Maßenmord - wobei sich in dieser massierten Koppelung des Begriffes Maße an das Verbrechen im Umkehrschluß ergibt, daß die einzelnen Gralshüter der richtigen Werte die Maße lenken müssen, damit sie nicht außer Rand und Band gerät - moralisieren, führen und schwerer Betroffenheit mehr oder minder treffsicheres schweres Geschütz folgen lassen (sie führen von oben herab, die Bomben folgen von oben herab), wäre dies schon schlimm genug. Doch der Festigung der "Neuen Weltordnung" haben sich noch andere verschrieben, und auch Sie berufen sich auf "Werte", um Ihre Geldwertevorteile zu realisieren. Wenn Personen besonders seriös auftreten, sind es meistens Bestattungsunternehmer, Drogenbarone oder Bankiers. Seriosität und Diskretion sind oberstes Gebot derer, die etwas zu verbergen haben. Soll in der Politik etwas vor dem Volk verborgen werden, faßt man die Begriffe Seriosität (etwas todernst meinen) und Diskretion (Schweigen statt Lügen) unter dem Schlagwort "Diplomatie" zusammen. Sauberkeit ist dabei ganz wichtig: verkündet man Managemententscheidungen, die 1000e von Arbeitsplätzen kosten, oder Kollateralschäden bei der Bombardierung von Hauptstädten dann bitteschön mit blendendweißem Hemdkragen, um ein reines Gewissen da zu symbolisieren, wo man von jedem Gewissen rein ist.

Neu ist, mit welchem Offensivgeist multinationale Konzerne gerade im Bankenbereich nicht nur an der Realisierung der globalen Freihandelszone arbeiten, sondern an einer universellen Ordnung des Verhaltens der Arbeitnehmer. Die Citibank will weltweit die gleichen Services in der gleichen Weise 7x24 Stunden anbieten - mit Beschäftigten, die ihr gesamtes Dasein den Werten "Erfolg" und "Freundlichkeit" unterordnen, deren gesamtes Dasein Unterordnung ist. Die Identifikation mit dem sogenannte "Citiguide" soll "total global" sein: die Arbeitskräfte sollen auf Kommando den "Citishuffle" auf dem "Citiway" tanzen, Differenzen sind in keiner Weise erwünscht.

Seit die Citibank mit der amerikanischen Investmentbank "Travelers" fusioniert hat, sind die ehedem "ethisch-moralischen Grundsätze", die jeder Beschäftigte zur Kenntnis zu nehmen und abzuzeichnen hatte, durch Anglizismen mit dem Pronomen "Citi" ersetzt worden. Zum "Citiway" gehört die Beseitigung von "defects", bis die Unterworfenen (die Sub-jecte) auf "Sigma Level 7" angekommen sind, dem Endzustand totaler, glücklicher Selbstverleugnung zugunsten der stock options der Manager und der hedge fonds, die im Gegensatz zum Deutschland-Feldzug Rußland erfolgreich ruinieren. Topmanager der Citigroup ist ein "Alumni" namens Sanford Weill. "Alumnis" sind nicht, wie man erwarten könnte, Leichtgewichte, sondern Mitglieder einer Vereinigung, die sich "Alpha Epsilon Pi" nennt und deren Organisationen Namen wie "Gamma Sigma" tragen, was den aufmerksamen Leser an irgendetwas erinnert. Ziel dieser aus einer College-Brüderschaft ("fraternity") hervorgegangenen Vereinigung ist es, ihre Mitglieder in führende Positionen im gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und öffentlichen Leben zu befördern. Demoratie braucht "leadership" - und dieser Doktrine verdanken bekannte Persönlichkeiten wie Art Garfunkel, Abe Saperstein (ehem. Besitzer der Harlem Globetrotters), Richard Frank (Präsident der Walt Disney Studios), Jack Stahl (Präsident Coca Cola USA) und eben auch Sanford Weill (Chairman Citigroup) und - leider - James Brooks, Produzent der "Simpsons" ihren Ehrgeiz. (vgl. http://www.aepi.com)

Sie alle transportieren die Segnungen des "American Way of Life and Death" über alle Finanz- und Medienkanäle zum Segen der Starken und zum ewigen Frieden der Anders- oder überhaupt noch Denkenden in alle Welt. Und dieser "AWL" ist eine Religion - entweder man glaubt sie, oder man muß dran glauben. Neben anderen Konsortien und Organisationen wie die "Trilateral Commission", "Bilderberg Group" und "Scientology" (vgl. hierzu "Hinter verschlossenen Türen") geht es auch "AEP" um Werte und deren globale Gültigkeit. Es gibt einsame Führer (Montgomory Burns), die entscheiden, und arme Trottel (die Simpsons), deren Grundwerte Familien und Glaube sind: das ist die Ware Demokratie, die allerwelts in die Kinderstuben projiziert wird. Ganz diskret debattiert man Vorstandstreffen über die Aufhebung der Souveränität der Nationalstaaten, das "World Government", die Bodenschätze auf dem Kosovo und mit den Gewerkschaftsbossen über Beschäftigungseffekte in der Rüstungsindustrie.

Wie weit der Einfluß des "Alumni" Sanford Weill reicht, dokumentiert eine unscheinbare, aber höchst wirkungsmächtige Gesetzesänderung, im Januar 1999 durch den amerikanischen Senat beschlossn wurde. Es handelt sich um den auch unter dem Kürzel H.R.10 bekannten "Financial Services Act of 1999", der den Glass Seagall Act von 1932 aufhebt. (vgl. Sarah Ludwig, "Federal Reserve Rubber Stamps Citicorp Merger", in: Dollars and Sense Nov/Dec 1998)

Damals war man in den USA unter dem Eindruck der Weltwirtschaftskrise zu dem Schluß gekommen, daß die Fusion von Banken und Versicherungen verboten gehört. Eine der Ursachen der Weltwirtschaftskrise bestand in der Zusammenziehung von zuviel Kapital, mit dem auf den freien Märkten spekuliert wurde, ein höchst sinnvolles Dekret also. Es bedurfte schon der Initiative eines "Alumni", um diese Revision des amerikanischen Kartellrechtes zu bewirken. Ein guter Freund Jesse Jacksons hielt sich während Clintons Vorbereitungen auf den Wahlkampf für seine zweite Amtsperiode des öfteren zum sogenannten "Kaffeeklatsch" im Weißen Haus auf. (vgl. Alexander Cockburn, "Banks, Drugs and Marriage", in: The Nation, 04.05.1998, Marc Cooper, "Somewhere over the Rainbow – Jesse Jackson`s Journey to 2000, ebd., 24.08.1998) Sein Name: Sanford Weill. Seine Option: massive finanzielle Unterstützung des teuren Wahlkampfes Bill Clintons für ein gewisses Entgegenkommen an anderer Stelle, nämlich bei der damals schon angedachten Fusion von Travelers mit Citibank, so jedenfalls Alexander Cockburn.(s.o.)

In der Tat wurde die notwendige Gesetzesänderung gegen maßiven Widerstand in der amerikanischen Öffentlichkeit vollzogen. Auch der Chef der Weltbank, Alan Greenspan, befürwortete bei Anhörungen vor einem Außchuß zu H.R. 10 die Gesetzesänderung, die beschloßen wurde, nachdem die Fusion von Citibank und Travelers zu einem riesigen Finanzgiganten bereits vollzogen war.

Seitdem finden sich die Ideale der "Alpha Epsilon PI" in den "Citiguides" für die "Citigroup"-Beschäftigten wieder und weil(l) Fusionen ja Geld kosten und der Markt für Privatversicherungen gerade aufgrund grassierender Zukunftsängste des "homo prämilleniuminis" ein heiß umkämpfter ist, kündigte man - und zwar erstens 600 Beschäftigten in Citibank-Callcentern in Duisburg und Bochum, und zweitens an, daß insgesamt die Streichung von 10600 Stellen vorgesehen seien. Schließlich braucht man Rückstellungen für den Fall, das erneut Kreditgeschäfte und Spekulationen - Geld, das gemacht wird mit der Angst der Kundschaft vor Tod, Einbrüchen, Unfällen etc. - im Osten, in Südamerika oder den Tigerstaaten verzockt wird.

Arm werden die Citigroup-Manager dabei sicherlich nicht: schließlich hat John Reed gute Kontakte etwa zum Haus des Ex-Staatschefs von Mexiko, Salinas. Dessen Bruder Raul wurde 1995 wegen Mordes und Drogenhandel verhaftet und noch 1997 fungierte die Citibank als Vermögensverwalter Raul Salinas. Bis zu 500 000 $ wöchentlich transportierte - ganz wie im Grisham- Roman - "Das Kartell" die Citibank auf verschlungenen, elektronischen Pfaden auf die Caiman Islands. Dies ist zwar ein klarer Verstoß gegen das Antigeldwäschegesetz, doch steht nicht zu erwarten, daß es zu einer Klage kommt, die bei Stattgeben einen der finanzmächtigsten Transporteure eben nicht nur amerikanischer Finanzmacht, sondern der Citiwerte in alle Welt, zerschlagen würde.

Ein Zyniker und/oder Fanatiker, wer in der Fusion von Travelers und Citigroup eine Art zionistisch-amerikanische Weltverschwörung erblickt, wie einige fundamentalistische Gruppierungen, die im Internet gegen Kommunisten, Juden, Amerikaner und eigentlich gegen alle außer sich selbst mobil machen, aber unverkennbar ist die Chuzpe, mit der die USA auf allen Ebenen andere Nationen und andere Kulturen auch mit Gewalt einem Anpassungsdruck aussetzt, der jede partnerschaftliche Umarmung zum (wenns nötig erscheint) tödlichen Würgegriff geraten läßt. Man braucht kein Altlinker zu sein, um zu sehen, daß mit dem Zusammenbruch der Supermacht Sowjetunion die US-Amerikaner sich die alleinige Definitionsmacht dessen anmaßen, was global unter "Demokratie" und "Moral" zu verstehen ist. Unverbeßerliche Sozis würden es ungezügelten Imperialismus nennen. Spekulationen über die Rolle der Banken beim großen Geschäft mit Waffen sind an dieser Stelle müßig; immerhin ist die Abwesenheit von qualifizierten Informationen im Internet über Kooperationen von Rüstungsindustrie und Citibank mindestens ebenso verdächtig, wie das hartnäckige Schweigen von Frauen aus dem Kosovo, das in Ermangelung von Beweisen als Indiz für deren Vergewaltigung durch serbische Tschetnicks gedeutet wird. Die Wortwahl der Citibank und der NATO in bezug auf ihre Feldzüge für eine neue Wert- und Weltordnung ist jedenfalls ähnlich: wir werden gewinnen!

Was die Deutschen angeht, so werden sie die Ansiedlung von Konzernen wie der Citibank fördern und verläßlicher NATO-Partner bleiben - der Vertrieb von Versicherungspolicen und vertriebene Kosovo-Albaner, daraus läßt sich doch bestimmt irgendein Geschäft stricken. Einziger Pferdefuß: eigentlich will man die Kosovo-Albaner nicht in Deutschland, es sind zuviele HBVs (Halunken, Banditen, Verbrecher) unter ihnen.

Dann doch besser ein NATO-Protektorat, daß die Kosovo-Albaner vor Milosevic und die EU vor den Kosovo-Albanern und ihrem Nicht-NATO- Muslimentum beschützt. Der NATO-Partner Türkei, größter Waffenimporteur- Europas, kann sich im Schutz der auf den Balkan gerichteten öffentlichen Aufmerksamkeit dann ungestört der Kurdenfrage widmen.

 

Anmerkung des Verfassers: wundert Euch nicht, daß ich nicht sämtliche Netzadressen preisgegeben habe, die sich auf die Angelegenheit "Citibank" beziehen. Bei Interesse teile ich sie Euch gerne mit. Schickt mir einfach ein mail: hans.g.oberlindober@ruhr-uni-bochum.de

Dieser Artikel erscheint in express 5/1999