Feministische Front im Klassenkampf: Der Feminismus muss den Sturz der Konzernmacht anstreben, statt ihr ein weibliches Antlitz zu verleihen

Manifest Feminismus für die 99%Nancy Fraser im Gespräch mit Rebeca Martínez am 2. September 2019 beim IPG-Journal externer Link beantwortet die Frage „Was genau ist Feminismus für die 99 Prozent, und warum schreiben Sie solch ein Manifest gerade heute?“: „Das Manifest zielt darauf ab, einen neuen Weg für die feministische Bewegung zu formulieren, die in den letzten Jahrzehnten von einem liberal-konzernfreundlichen Flügel beherrscht wurde, in den Vereinigten Staaten personifiziert durch Hillary Clinton. Dieser Feminismus ging von Fach- und Führungskräften aus, einer Klasse relativ privilegierter Frauen der Mittelschicht oder oberen Mittelschicht, die hochgebildet und überwiegend weiß waren und die es in der Welt der Wirtschaft, des Militärs oder der Medien zu etwas bringen wollten. Sie hatten sich vorgenommen, in den Unternehmenshierarchien aufzusteigen und genauso behandelt zu werden wie die Männer ihrer eigenen Klasse, mit derselben Bezahlung, demselben Prestige. (…) Das war kein ernsthaft egalitärer Feminismus, kein Feminismus, der für die große Mehrheit der Frauen viel zu bieten hätte, für die armen Frauen und Arbeiterinnen, die diese Privilegien nicht haben, Migrantinnen, Frauen of Color, Trans- oder Nicht-Cis-Frauen. Dieser Feminismus des 1 Prozent oder bestenfalls der 10 Prozent hat dem Ansehen des Feminismus wirklich geschadet. Er assoziierte unsere Sache mit Elitarismus, Individualismus, den Belangen von Unternehmen. Er brachte den Feminismus in Verruf, weil er uns mit Neoliberalismus, Finanzialisierung, Globalisierung und einer gegen die Arbeiterschaft gerichteten Politik verknüpfte. (…) Eine Bewegung, die darauf abzielt, die Bedürfnisse von Frauen zu befriedigen, darf sich nicht völlig auf die traditionellen Frauenthemen wie das Recht auf Abtreibung beschränken, auch wenn diese sehr wichtig sind. Sie muss über die Krise der Gesellschaft insgesamt nachdenken und Maßnahmen und Programme ausarbeiten, von denen alle profitieren. Deshalb sprechen wir vom Feminismus für die 99 Prozent. Das heißt nicht nur 99 Prozent der Frauen, sondern 99 Prozent der Menschen auf dem Planeten. (…) Ich glaube schon, dass das eine neue Welle ist oder dass die Bewegung zumindest das Potenzial hat, eine zu werden, wenn sie sich vom liberal-konzernfreundlichen Feminismus abspalten kann. Und in meinen Augen deutet vieles darauf hin…“ Siehe weitere Informationen zum Manifest:

  • Ebd. zum Hintergrund: „Seit einigen Jahren befindet sich die Frauenbewegung im Aufschwung, sei es durch eindrucksvolle Demonstrationen gegen häusliche Gewalt und sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz oder durch Massenstreiks am Internationalen Frauentag in Spanien, Polen und anderen Ländern. Diese Aktionen führen hin zu einem antisystemischen Feminismus, der die von Hillary Clinton und Gleichgesinnten propagierte liberale individualistische Variante hinter sich lässt. Artikuliert wird diese neue feministische Welle unter anderem in dem berühmten Manifest Feminismus für die 99% externer Link. Danach ist der Feminismus keine Alternative zum Klassenkampf, sondern vielmehr eine maßgebliche Front im Kampf um eine Welt, die frei ist von Kapitalismus und allen Formen der Unterdrückung. Nancy Fraser ist Co-Autorin dieses Manifests…“
  • Feminismus für die 99 Prozent: Strategien im Widerstreit
    Anfang 2018 riefen Intellektuelle aus New York dazu auf, einen „Feminismus für die 99%“ aufzubauen. Ausgehend von dieser Idee, die von der „Occupy Wall Street“-Bewegung von 2011 inspiriert wurde, schrieben Nancy Fraser, Cinzia Arruzza und Tithi Bhattacharya ein Manifest, das am 8. März dieses Jahres erschien. In diesen Tagen erscheint die deutsche Übersetzung des Manifests. Zu diesem Anlass wollen wir hier einige Überlegungen über die neue feministische Welle und die von den Autorinnen vorgeschlagene antikapitalistische Perspektive teilen…“ Artikel von Andrea D’Atri und Celeste Murillo in dt. Übersetzung von Lilly Schön am 5. Aug 2019 bei Klasse gegen Klasse externer Link
  • Feminismus für die 99 Prozent. Ein Manifest
    Auszug in der Zeitschrift Luxemburg vom Juli 2019 externer Link
  • «Feminismus der 99 Prozent». Eine antikapitalistische Alternative zum neoliberalen Feminismus – Interview mit Cinzia Arruzza
    Die italienische Feministin ­Cinzia Arruzza lehrt Philosophie an der New School of Social Research in New York und ist Autorin von Feminismus und Marxismus (Neuer ISP Verlag, 2016). Zusammen mit Nancy Fraser und Tithi Bhattacharya veröffentlichte sie kürzlich das Manifesto for a Feminism for the 99% (Verso, 2019). Das folgende Interview mit Arruzza führte Josefina L. Martínez für das spanische Internetmagazin ctx – Revista Contexto im August 2018…“ Interview in der Soz Nr. 03/2019 externer Link
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=154025
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