Empörung und dann?

Den Protestbewegungen in aller Welt fehlt vor allem eine Idee, wo eine gesellschaftliche Alternative zu suchen sein könnte. Artikel von Ernst Lohoff in der Jungle World vom 8. August 2013 externer Link

  • Aus dem Text: „… Trotzdem bestehen augenfällige Gemeinsamkeiten zwischen diesen Bewegungen. Sie alle entzünden sich an der immer rücksichtsloseren Unterordnung des gesamten Lebens unter die Verwertungsimperative, die ihren politischen Ausdruck in einem sich verschärfenden Autoritarismus findet, sei es nun in der Gestalt von korrupten Modernisierungsregimes oder einer gnadenlosen Krisenverwaltung. Aber auch der Form nach ähneln sich die Bewegungen, so unterschiedlich ihr unmittelbarer Anlass sein mag: Sie entstehen quasi über Nacht, sind aber auch schnell wieder von der Bildfläche verschwunden.  (…) Wenn das warenproduzierende System sogar in seinen traditionellen Zentren mit geradezu atemberaubendem Tempo das Versprechen von Wohlstand und Teilhabe dementiert, mit dem es viele Jahrzehnte seine Herrschaft gerechtfertigt hat, muss das zu einer tiefen Legitimationskrise führen. Die überall aufflackernden Protestbewegungen dokumentieren diese. Diese Bewegungen machen indes zugleich sichtbar, wie tief der herrschende marktwirtschaftliche Irrsinn im Denken und Handeln verankert ist. Wo der spontane Aufschrei sich präziser zu artikulieren versucht, beschränkt sich das darauf, die entsorgten Ideale der bürgerlichen Gesellschaft gegen deren Wirklichkeit zu mobilisieren und die früheren Versprechen gegen die inzwischen etablierte Praxis. Unabhängig davon, ob der Protest sein unmittelbares Anliegen durchsetzen kann oder nicht, bleibt er auf dieser Grundlage in einem Kreislauf aus Resignation und kurzzeitiger Empörung gefangen und letztlich zum Scheitern verurteilt. Egal wie viele Abermillionen sich unter diesem Vorzeichen vorübergehend mobilisieren lassen, die wirklich gesellschaftsverändernde Kraft bleibt die kapitalistische Dynamik. Und die strategische Initiative in den an allen Ecken und Enden aufbrechenden gesellschaftlichen Konflikten liegt bei den Vorkämpfern von Verarmung, Vereinzelung und neuem Autoritarismus. Damit sich daran etwas ändert und das Lager der Emanzipation die Fähigkeit zur Initiative zurückgewinnt, muss es den Grundwiderspruch überwinden, der es heute lähmt…“
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=42062
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