Wie die Mietexplosion staatlich befördert wird: Durch den politischen Willen „der Märkte“ und ihrer Vollstrecker – und durch vielfältige gezielte Diskriminierung

Bundesweite Kampagne "Mietenwahnsinn stoppen"Es gab diese Geschichte, und sie erzählten sie sich in Stolipinowo, dem Roma-Viertel von Plowdiw, der zweitgrößten Stadt Bulgariens. In Dortmund gebe es Arbeit, gut bezahlt, und man brauche dafür auch keine Ausbildung. In den Stahlwerken der reichen Stadt würden immer Männer gesucht, die keine Angst davor hätten, sich die Hände schmutzig zu machen und anzupacken. Also kamen sie nach Dortmund, die Roma aus Plowdiw, und später auch nach Duisburg, nachdem sie während der Krisen in Südeuropa ihre Arbeit auf den Feldern und Baustellen Spaniens verloren hatten. Über 8 000 Menschen zog es nach Dortmund, über 10 000 nach Duisburg, weitere gingen nach Essen und Gelsenkirchen. (…) Am Ende standen die Männer auf den sogenannten Arbeiterstrichen in Dortmund und Duisburg und boten sich vorbeifahrenden Unternehmern und Bauherren an. Fünf Euro die Stunde für ein­fache Arbeiten, einen Elektriker gab es ab sechs Euro. Nur gebaut wird im Ruhrgebiet kaum. (…)Doch nicht nur die Hoffnung auf Arbeit veranlasste viele Roma, ins Ruhrgebiet zu ziehen. Während in den meisten Städten spätestens nach 2010 die Immobilienpreise anzogen und Leerstände seltener wurden, gab es im Ruhrgebiet jede Menge leerstehende, verrottete Immobilien. Die fanden auf einmal Käufer und die hatten eine ganz bestimmte Zielgruppe als Mieter im Auge: Die auf dem normalen Dortmunder Wohnungsmarkt zumeist chancenlosen Roma, die keinerlei Wissen über Mieterrechte hatten, zogen in Wohnungen ein, die zu einem großen Teil nicht mehr regulär vermietbar waren. In den Hochzeiten dieser Entwicklung wurden in Häusern, die für weit unter 100 000 Euro den Besitzer wechselten, Matratzenplätze von 300 Euro pro Monat vermietet: drei Matratzen pro Zimmer, drei Zimmer pro Wohnung, sechs Wohnungen pro Haus…“ – aus dem Beitrag „Räumen oder renovieren“ von Stefan Laurin am 02. August 2018 in der jungle world externer Link über die Wohnungs- und Lebenslage migrantischer Roma im Ruhrgebiet. Siehe dazu drei weitere Beiträge über politische Maßnahmen zur Förderung der Mietpreis-Steigerung – hier in Berlin und Bayern:

  • „Sozialwohnungen? Ja – aber bitte nicht hier“ von Tobias Lill am 11. August 2018 in Spiegel Online externer Link über sozialrassistische Bürgerinitiativen: „Auch in anderen Vierteln Münchens legen sich die städtischen Wohnbaugesellschaften beim Werben für den Bau neuer Sozialwohnungen bei den Anwohnern mächtig ins Zeug – zuletzt jedoch immer öfter mit nur mäßigem Erfolg. Gewofag-Chef Dengler beobachtet in München „in den vergangenen zwei bis drei Jahren eine deutliche Zunahme örtlicher Proteste gegen sozialen Wohnungsbau“. 2017 etwa scheiterte der Bau von vier Dutzend Wohnungen auf einer Wiese im wohlhabenden Randbezirk Trudering. Eine Bürgerinitiative hatte unter anderem mit einem Bürgerbegehren gedroht, um den Bau zu verhindern. Die Stadt stoppte am Ende ihre Pläne. Dengler moderierte damals eine Infoveranstaltung. Die Stimmung sei „aufgeheizt und aggressiv“ gewesen, berichtet er. Er sei gefragt worden, wie er die Nachbarschaft vor „seinen Mietern schützen will“ – mit Polizei, Security oder einem Zaun? Dengler wirkt immer noch aufgebracht, als er davon erzählt. „Was ist das für ein Menschenbild?“, fragt er…
  • „Mieterschutz á la Markus Söder“ von Patrick Guyton am 20. Juli 2018 in der taz externer Link war ein Beitrag über den obersten bayerischen politischen Vertreter solcher Bürger wie oben: „Der Parlaments-Untersuchungsausschuss zum umstrittenen Verkauf der landeseigenen GBW-Wohnungen an eine große Immobilienfirma tagt. Und Söder wird penibel dazu befragt, wie das damals war zwischen November 2011 und dem Frühjahr 2012. Da war er neuer bayerischer Finanzminister, plötzlich zuständig für die marode Bayern-LB im Landesbesitz und damit auch für das Mega-Paket aus 33.000 Wohnungen, 10.000 davon im Großraum München. Der Käufer, der Immobilien-Riese Patrizia aus Augsburg, ging danach nicht zimperlich mit den Mietern um. Im Rahmen der Gesetze setzt das Unternehmen auf maximale Rendite, das ist vielfach dokumentiert..“
  • „Ausbleibende Neubauten“ von Peter Nowak am 09. August 2018 in der jungle world externer Link über politische Debatten in Berlin rund um nicht stattfindenden sozialen Wohnungsbau und den diversen hardcore Fans der Investorenmafia: „Nun hat sich auch eine Politikerin der Berliner Grünen der Kritik an der Baupolitik der Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linkspartei) angeschlossen. »Wir brauchen ein Berliner Bündnis mit den privaten Investoren«, forderte Antje Kapek, die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Abgeordnetenhaus, Ende Juli. Grüne und Linkspartei regieren Berlin gemeinsam mit der SPD. Der SPD-Politiker Volker Härtig hatte Anfang Juli in einem partei­internen Schreiben den Rücktritt Lompschers gefordert. Er wirft der »Stillstandssenatorin« vor, mit einem »leichtfertigen Laissez-faire gegenüber den Bezirken« sowie »einseitiger Akzentuierung der Partizipation« von Altmietern den Wohnungsbau in Berlin zu behindern. Der Vorwurf, Lompscher lasse zu, dass Altmieter sich mit allen Mitteln gegen den Neubau vor ihrem Schlafzimmerfenster wehren, ist in den vergangenen Monaten in der SPD nicht nur von Härtig geäußert worden; Ülker Radziwill, stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende im Abgeordnetenhaus und dezidierte Parteilinke, zeigte dagegen Verständnis für Härtigs Kurs. Dass die ­Berliner CDU und die FDP sich schon lange auf Lompscher als »Neubaubremse« eingeschossen haben, ist nicht überraschend. Doch auch Journalisten und Initiativen, die auf Distanz zum parlamentarischen Betrieb stehen, teilen die Kritik an der Senatorin. So befasste sich der Journalist Rainer Balcerowiak in einen Kommentar in der Taz kritisch mit der Wohnungspolitik in Deutschland und beklagte die mangelnde Bereitschaft zum Neubau. »Ausgerechnet die ›rot-rot-grüne‹ Landesregierung in Berlin tritt dabei aber kräftig auf die Bremse – aus Angst vor Konflikten mit ihrer ›neubaukri­tischen‹ Klientel. Viele Neubauvorhaben werden faktisch unter Zustimmungsvorbehalt durch die ›Stadtgesellschaft‹ gestellt. Mit dem Ergebnis, dass die angepeilten Neubauquoten trotz starken Zuzugs und explodierenden Mieten bei Weitem nicht erreicht werden«, monierte Balcerowiak, der seit Jahren für Mieterecho schreibt, die Mitgliederzeitung der parteiunabhängigen Berliner Mietergemeinschaft. Diese kritisierte bereits nach Veröffentlichung der Koa­litionsvereinbarungen der rot-rot-grünen Landesregierung, dass die Senatsverwaltung unter Lompscher den Neubau von Wohnungen allenfalls als ­lästige Pflichtübung behandele…
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=136183
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