Mieten fressen Einkommen auf

Dossier

Bundesweite Kampagne "Mietenwahnsinn stoppen"„Die hohen Mieten in vielen Großstädten machen die Menschen arm – das zeigt eine aktuelle Studie der HU Berlin: Einer der Autoren ist Andrej Holm, Stadtsoziologe an der HU-Berlin und für kurze Zeit Staatssekretär für Stadtentwicklung in Berlin. Mögliche Lösungen für ihn sind die Förderung von Neubau, der Schutz günstiger Mieten und die Möglichkeit, dass ältere Leute, bei denen die Kinder bereits ausgezogen sind, die Möglichkeit haben, in kleinere Wohnungen umzuziehen, ohne dass die Miete steigt.“ Interview von Inforadio rbb 24 vom 14. September 2017 externer Link Audio Datei (Länge: 5:44 Min.). Siehe dazu den Bericht aus dem Forschungsprojekt „Sozialer Wohnversorgungsbedarf“ und über Armut, Mieten und Alternativen eine kleine aktuelle Materialsammlung inklusive Beiträge, die sich mit den Ergebnissen der Böckler-Studie befassen und neu dazu:

So tun, als ob was getan wird: Warum die Mietpreisbremse gescheitert istNew

Eine weitere verfassungswidrige Ungleichbehandlung erkennt das Gericht darin, dass Maas‘ Mietpreisbremse „diejenigen Vermieter, die bereits in der Vergangenheit eine (zu) hohe Miete (d.h. eine 10 % der ortsüblichen Vergleichsmiete übersteigende Miete) mit ihrem Mieter vereinbart hatten, ungerechtfertigt begünstigt“. Sie dürfen nämlich „bei einer Neuvermietung die ‚alte‘ Miete weiterhin unbeanstandet verlangen“. Ein nach Ansicht des Gerichts ungerechtfertigter „Bestandsschutz für diese ‚alte“ Miete […] bei einer Neuvermietung“ und eine Ungleichbehandlung, die es „mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise schlichtweg [für] unvereinbar“ hält“ – aus dem Beitrag „Landgericht Berlin stuft „Mietpreisbremse“ als grundgesetzwidrig ein“ von Peter Mühlbauer am 20. September 2017 bei telepolis externer Link zum Urteil des Berliner Landgerichts, das mehrere Gründe für die Verfassungswidrigkeit des Gesetzes ausführte. Und, obwohl auch aus den Ausführungen zum Gerichtsurteil deutlich wird, dass hier kein einziges der Probleme, die aus zu hohen Mieten anstehen auch nur angegangen, geschweige denn gelöst wird, ist das Scheitern keineswegs nur auf juristische Gründe begrenzt. Siehe dazu zwei weitere aktuelle Beiträge:

  • „Gescheitert – nicht verfassungswidrig“ von Christian Rath am 20. September 2017 in der taz externer Link ist ein Kommentar zum Urteil des Berliner Landgerichts, das hier als unzutreffend kritisiert wird. Die Ursache für die Wirkungslosigkeit des Gesetzes werden darin so fest gehalten: „Das eigentliche Problem der Mietpreisbremse ist aber kein rechtliches, sondern ein praktisches. Denn trotz Mietpreisbremse steigen die Mieten recht ungebremst weiter. Die Befürworter machen dafür die vielen Ausnahmen verantwortlich und wollen die Mietpreisbremse verschärfen. Doch selbst wenn eine verschärfte Mietpreisbremse den Mietanstieg tatsächlich stoppen würde (was keineswegs sicher ist), dann wären weiterhin Wohnungen in Ballungsräumen zu knapp. Und es ist unwahrscheinlich, dass in der Konkurrenz um die weiterhin zu knappen Mietwohnungen nun plötzlich vor allem die einkommensschwachen und besonders schutzbedürftigen Bewerber zum Zuge kämen. Auch wenn die Mietpreisbremse schön klingt, ist doch der Bau von hunderttausenden öffentlich geförderter günstiger Wohnungen mit Sozialbindung viel wichtiger. Hierfür sind aber wiederum die Länder zuständig, weshalb diese Diskussion im Bundestagswahlkampf leider auch ziemlich symbolisch ist“ – was wiederum in der Zuständigkeitsfrage die Frage des politischen Willens konsequent ausblendet.
  • „Ohrfeige für Bundesregierung“ von Jana Frielinghaus am 21. September 2017 in der jungen welt externer Link, worin über ein konkrete Erhebung der „Wirksamkeit“ der Mietpreisbremse berichtet wird: „Der Geschäftsführer des Berliner Mietervereins (BMV), Reiner Wild, sprach von einer »Ohrfeige für die Bundesregierung«. Der BMV hatte ebenfalls am Dienstag eine erste Auswertung der Wohnkostenentwicklung in der Hauptstadt seit Veröffentlichung des Mietenspiegels 2017 im Mai vorgestellt. Nach Angaben von Wild ist eine »wahre Mieterhöhungswelle« zu verzeichnen. Bei fast drei Viertel der untersuchten Anhebungen seien die gesetzlichen Vorgaben »überschritten«, berichtete der BMV-Geschäftsführer. Im Schnitt hätten die Eigentümer elf Prozent mehr Geld haben wollen, der Durchschnittsmieter müsse jährlich 670 Euro mehr bezahlen. In fast zwei Drittel der gut 200 untersuchten Fälle wurde die ortsübliche Vergleichsmiete überschritten. Die seit zwei Jahren geltende Mietpreisbremse soll in Gebieten mit »angespanntem Wohnungsmarkt« die Kosten bei Wiedervermietung deckeln. Sie dürfen laut Gesetz das Niveau der ortsüblichen Vergleichsmiete um maximal zehn Prozent übersteigen. Für neu gebaute Quartiere und bei Erstvermietung nach »umfangreicher Modernisierung« – ein dehnbarer Begriff – gilt sie jedoch nicht. Zudem stand es den Bundesländern frei, sie in bestimmten Ballungszentren vorzuschreiben – oder auch nicht“.

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Sozialer Wohnungsbau: Kein Thema. Privatisierung des Grundbedürfnisses Wohnen: Schon gar nicht.
Derweil die Mieten weiter explodieren

Man könnte sich ja darauf einigen, dass jemand neben seinem eigenen Haus noch eines haben kann, das er vermietet. Eines. Dass es aber Unternehmen gibt, die Zehntausende oder gar Hunderttausende Wohnungen besitzen und (teuer) vermieten – meist billig aufgekauft von Wohnungs-Privatisierern aller Parteien – darauf kann man sich ebenso wenig einigen, wie darauf, dass diese Unternehmen (oder auch kleinere der Sorte) die Miethöhe diktieren. Und dass ihnen über alle möglichen Wege immer neue Möglichkeiten eröffnet werden, die Mieten permanent zu erhöhen, weil sich ja ihre (Billig)Investitionen „lohnen“ müssen. Das Unthema des Wahlkampfes 2017, weil alle Parteien entsprechend „Dreck am Stecken“ haben. Eine Studie der Böckler-Stiftung (siehe Verweis am Ende dieses Beitrages), die noch nicht einmal über die aktuellsten Zahlen verfügte zeigt, dass die Mietexplosion, die schon seit längerem Thema ist, ungebrochen weiter geht. Über Armut, Mieten und Alternativen eine kleine aktuelle Materialsammlung inklusive Beiträge, die sich mit den Ergebnissen der Böckler-Studie befassen:

„Hohe Mieten bringen viele an den Rand der Armut“ von Thomas Öchsner am 13. September 2017 in der SZ-Online externer Link, worin hervor gehoben wird: „In Deutschlands Großstädten rutschen viele Menschen durch hohe Mieten in die Armut oder haben nur noch extrem wenig Geld zum Leben. Dort müssen bereits gut eine Million Haushalte mit 1,6 Millionen Bewohnern mehr als die Hälfte des Einkommens für die Kaltmiete ausgeben. Etwa 1,3 Millionen Haushalte können nach Abzug der Mietzahlung nur noch über ein Resteinkommen verfügen, das unterhalb der Hartz-IV-Leistungen liegt. Das ist das Ergebnis einer Studie an der Berliner Humboldt-Universität, die die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung gefördert hat. Tatsächlich dürfte die Zahl der Haushalte mit so einer starken Mietbelastung noch höher sein, da sich die ausgewerteten Daten lediglich auf die 77 Großstädte mit mehr als 100 000 Einwohnern beziehen“.

„Hohe Mieten bringen Menschen in Deutschland an Armutsgrenze“ am 13. September 2017 bei der Zeit Online externer Link verweist am Ende sowohl auf Orte, als auch auf Schlussfolgerungen: „Eine besonders hohe Mietbelastung haben demnach Städte wie Bonn (30,3 Prozent), Neuss (30,1 Prozent), Köln und Düsseldorf (jeweils rund 29 Prozent). Vergleichsweise wenig muss für die Miete im Verhältnis zum Einkommen dagegen in Heidelberg (21,4 Prozent), Wolfsburg (21,9 Prozent) sowie in den ostdeutschen Städten Leipzig, Dresden und Jena (jeweils knapp 23 Prozent) aufgewendet werden. Die Forscher kritisieren, dass anders als früher beim Wohnen die Einkommensunterschiede nicht mehr abgemildert und der soziale Zusammenhalt nicht mehr gefördert werde. Die Wohnbedingungen seien „nicht nur ein Spiegel bestehender Ungleichheiten“, sondern trügen durch hohe Kosten selbst zu einer wachsenden Ungleichheit bei“.

„Fast 40 Prozent der Einkünfte gehen für Mieten drauf“ am 13. September 2017 im Tagesspiegel externer Link, worin folgende Mittelwerte informiert werden: „Die Wissenschaftler haben für die Studie Daten des Mikrozensus 2014 ausgewertet; inzwischen sind die Mieten weiter gestiegen. In dem Forschungsprojekt an der Humboldt Universität zu Berlin wurden die Miethöhen und Mietbelastungen für die 77 größten deutschen Städte untersucht. Erwartungsgemäß sind Mietwohnungen in München und Frankfurt am teuersten. Die in Relation zum Einkommen höchste Mietbelastung tragen indes die Einwohner von Bonn, Neuss, Bremerhaven und Bremen. Im Mittel lag die Belastung fürs Wohnen bundesweit bei 26,8 Prozent des Haushaltsnettoeinkommens“.

„Miet-Explosion: Viele müssen Hälfte ihres Einkommens zahlen“ am 13. September 2017 beim DGB externer Link weist in dem Zusammenhang auch auf die entsprechende Forderung des Gewerkschaftsbundes hin: „Stefan Körzell, Vorstandsmitglied des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), fordert angesichts dieser Zahlen: „Wir brauchen endlich eine Wende in der Wohnungspolitik und dafür ein Sofortprogramm für mehr bezahlbaren Mietwohnungsbau. Die zu fördern, die sich Eigentum leisten können, reicht bei weitem nicht.“ (…) „Die Mietpreisbremse muss zugunsten der Mieter verschärft werden. Es reicht nicht, den Preis zu deckeln: Wer eine Wohnung mieten will, braucht einen Rechtsanspruch auf Auskunft über die für diese Wohnung zuvor gezahlte Miete“, fordert Körzell. „Doch das hat die CDU/CSU gerade verhindert.“ Außerdem, so Körzell, gehörten Sanktionen in das Gesetz, um Verstöße der Vermieter ahnden zu können. (…) „Der Mangel an bezahlbaren Wohnungen steht auch der besseren Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben im Weg. Überlange und krankmachende Pendelzeiten sind leider für immer mehr Beschäftigte bittere Realität, da arbeitsplatznahe Wohnungen meist kaum zu bezahlen sind“, erklärt Körzell. „Die Arbeiterbewegung hat nicht Jahrzehntelang für Arbeitszeitverkürzung gekämpft, damit die Beschäftigten heute stundenlange Fahrtzeiten zwischen Wohn- und Arbeitsort auf sich nehmen müssen“.

„Miet­preisbremse: Wie Sie sich gegen zu hohe Mieten wehren“ am 31. März 2017 bei test.de externer Link ist ein Beitrag, der versucht, die Mietpreisbremse als Maßnahme gegen die mächtig wachsende Zahl der Kritiken zu verteidigen, mit folgender (Eigentor?) Argumentation: „Seit knapp eineinhalb Jahren gibt es nun das Gesetz zur Miet­preisbremse. Manche halten es bereits für einen Fehl­schlag. Doch die Miet­preisbremse kann nur greifen, wenn Mieter drauf­treten. Das ist nicht so schwer. Finanztest liefert eine Anleitung in vier Schritten. Zwei Berliner sparen schon dank Miet­preisbremse – Bisher sind erst zwei Fälle bekannt, in denen die Miet­preisbremse griff: Laura H.* und ihre Schwester zahlen künftig monatlich 529,55 Euro statt 562,02 Euro Kaltmiete für ihre 74 Quadrat­meter große Wohnung in Berlin. So hat es das Amts­gericht Lichten­berg entschieden (Az. 2 C 202/16). Ersparnis pro Jahr: 389,64 Euro. Ein anderer Berliner spart sogar 221,09 Euro monatlich – also rund 2 650 Euro im Jahr. In seinem Fall urteilte das Amts­gericht Neukölln (Az. 11 C 414/15). Das Land­gericht bestätigte das Urteil auf die Berufung der Vermieterin hin (Az. 65 S 424/16); auch dieser Fall ist rechts­kräftig abge­schlossen“.

„Mieterinitiative strebt Volksentscheid an“ von Henning Kraudzun  am 13. März 2015 in der MOZ externer Link war ein Beitrag über die Aktion, die – ohne Erfolg, aber überlegenswert – auf öffentliche Wohnungen abzielte: „Es sind nicht gerade kleine Ziele, die sich die Initiatoren eines Volksentscheids für bezahlbare Mieten gesteckt haben: Sie planen mit einem am Dienstag vorgelegten Gesetzentwurf eine umfassende Reform der Wohnraumversorgung. So soll ein Hunderte Millionen Euro schwerer „Wohnraumförderfonds“ aufgelegt werden, mit dem die öffentliche Hand durch Subventionen für bezahlbare Mieten sorgen soll. Ebenso schlägt das Bündnis eine Kappung der Mietpreise vor, die von den städtischen Wohnungsbaugesellschaften verlangt werden. Und zuletzt wollen sie die sechs kommunalen Unternehmen in Anstalten öffentlichen Rechts umwandeln. Dort sollen auch Mitspracherechte der Mieter gestärkt werden. „Wir wollen, dass Menschen mit geringem Einkommen langfristig in ihren Wohnungen bleiben können und nicht mehr verdrängt werden“, sagt Jan Kuhnert, einer der Sprecher der Initiative. Selbst in den vom Senat geförderten Sozialwohnungen seien Mieten unbezahlbar geworden. Das von der Initiative geplante Gesetz hätte demnach Auswirkungen auf rund 300000 kommunale Wohnungen sowie rund 100000 mit öffentlichen Mitteln geförderten Sozialwohnungen. Auf den privaten Markt könne man jedoch nicht zugreifen, erklärt Kuhnert“.

„Bundestagswahl 2017: Wichtige Forderungen zur Regulation der Wohnungswirtschaft“ am 16. September 2017 beim Mieterverein Witten und Umgebung externer Link ist eine knappe Zusammenfassung wesentlicher aktueller Forderungen des Vereins, etwa die abschließenden folgenden beiden Grundsätze: „Neue Wohnungsgemeinnützigkeit:  Wir brauchen wieder eine echte Alternative zur renditeorientierten Immobilienwirtschaft: demokratisch verwaltete, gemeinnützige Wohnungsunternehmen, die mit ihrem gesamten Vermögen dauerhaft sozial gebunden sind und Wohnungen zu bezahlbaren Mieten zur Verfügung stellen. Die Wohnungen der Konzerne müssen wieder in gemeinnützige Hände kommen. Sozialer Wohnungsbau: Auch in Witten müssen viel mehr bezahlbare und barrierefreie Sozialwohnungen geschaffen werden. Der Bund muss sich weiter an der Förderung des sozialen Wohnungsbaus beteiligen und diese ausbauen. Die Förderung soll vorrangig an gemeinnützige Wohnungsunternehmen fließen“.

„SO BÄNDIGEN WIR  DIE WOHNUNGSRIESEN“ von Knut Unger in den Standpunkten 11/2017 vom August des Jahres (Rosa Luxemburg Stiftung) externer Link , der sich, wie der Titel andeutet, mit den größten der Branche befasst und dazu einleitend anmerkt: „Die fünf größten der in Deutschland aktiven börsennotierten Wohnungsunternehmen (Vonovia, Deutsche Wohnen, LEG Immobilien, GRAND City und TAG Immobilien AG) besitzen im Sommer 2017 fast 800.000 Wohnungen. Allein die seit 2015 im DAX notierte Vonovia verfügt über 355.000 eigene  Wohnungen. Ihre Größe verschafft den Konzernen enorme  Vorteile gegenüber anderen Wohnungsunternehmen, ihren  MieterInnen, den LieferantInnen, Beschäftigten und AnlegerInnen. Für die Beschaffung von Eigenkapital und für Anleihen steht ihnen der globale Kapitalmarkt offen. Sie nutzen diese Vorteile, um in ihrem Wohnungsbestand eine dreifache Rendite-Strategie umzusetzen“.

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=121590
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