Mieten: Auch die neue Bremse hat keinen Belag. Von einer nötigen Richtungsänderung ganz zu schweigen…

Bundesweite Kampagne "Mietenwahnsinn stoppen"Der Staat habe sich seit 30 Jahren aus der Förderung des sozialen Wohnungsbaus zurückgezogen und die Privatisierung im Wohnungswesen vorangetrieben. In diesem Zeitraum sei die Zahl der geförderten Sozialwohnungen von 3 auf 1,2 Millionen geschrumpft. »Es wurde zu wenig und am Bedarf vorbei gebaut. Reiche bauen für Reiche«, so Körzell in Anspielung an den Boom bei Eigentums- und Luxuswohnungen. »Neben einer wirksamen Mietpreisbremse brauchen wir 400 000 neue Wohneinheiten im Jahr, davon mindestens 100 000 preisgebundene Sozialwohnungen«, forderte der Gewerkschafter. »Die öffentliche Hand muss klotzen statt kleckern und darf ihre Grundstücke nicht länger an Höchstbietende verkaufen, sondern nur nach Konzeptvergabe und in erster Linie an gemeinwohlorientierte Wohnungsunternehmen.« Kurzfristig müssten die Kommunen leerstehende Bürogebäude in Wohnraum umwandeln und Wohnungssuchenden zur Verfügung stellen. »Die dürfen nicht als Spekulationsobjekte stehen bleiben.« Die am Mittwoch vom Bundeskabinett beschlossene Reform der Mietpreisbremse hält der DGB für unzureichend. Körzell vermisst darin wirksame Sanktionen in Form von Bußgeldern, etwa wenn Vermieter die gesetzlichen Bestimmungen unterlaufen. Die Mietpreisbremse müsse flächendeckend und unbefristet gelten, weil inzwischen alle Ballungszentren von steigenden Mieten betroffen seien…“ – aus dem Bericht „»Kaputte Bremse gehört repariert«“ von Hans-Gerd Öfinger am 05. September 2018 in neues deutschland externer Link über die Wohnungskonferenz des DGB in Frankfurt. Siehe zwei weitere aktuelle Beiträge zum Thema Mietpreis-Bremse, eine Presseerklärung des Mieterforum Ruhr zur Kritik an den neuen Beschlüssen – und einen Beitrag mit einer Idee für eine Richtungsänderung: »Endlich mal wieder Häuser besetzen«

  • „Rezepte gegen Mietenwahnsinn“ von Gitta Düperthal am 06. September 2018 in der jungen welt externer Link zur selben Konferenz: „Keine Wohnung – keine Arbeit. Und umgekehrt. Mit dieser knappen Formel machten Fachleute auf einer wohnungspolitischen Konferenz des Deutschen Gewerkschaftsbundes am Dienstag in Frankfurt am Main deutlich, was der Mangel an bezahlbaren Unterkünften für viele Menschen bedeutet. Der DGB forderte auf der Tagung, es müssten jedes Jahr 400.000 Wohnungen gebaut werden, darunter 100.000 Sozialwohnungen. Die am Mittwoch vom Bundeskabinett beschlossene »Verschärfung« der Mietpreisbremse kritisierte DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell als unzureichend. Der DGB will zusammen mit Mieterinitiativen und Sozialverbänden für die Umsetzung des Grundrechts auf Wohnen nach Artikel 16 der Europäischen Sozialcharta kämpfen. Auf der Konferenz bildete die Situation in Hessen, wo Ende Oktober ein neuer Landtag gewählt wird, einen Schwerpunkt. Experten wiesen darauf hin, dass in dem von CDU und Grünen regierten Bundesland seit 1991 fast zwei Drittel der damals geförderten Wohnungen bzw. mehr als 120.000 von einst 206.000 aus der Sozialbindung gefallen sind…
  • „Wohnen bleibt ein teures Vergnügen“ von Martin Reeh am 05. September 2018 in der taz externer Link zu den realen Veränderungen der „Bremse“ im neuen Regierungsbeschluss: „Hier schiebt die Bundesregierung nun einen kleinen Riegel vor: Künftig sollen nur noch acht statt wie bisher elf Prozent der Modernisierungskosten zeitlich unbefristet auf die Miete aufgeschlagen werden dürfen. Innerhalb eines Zeitraums von sechs Jahren dürfen die Modernisierungsmieterhöhungen höchstens drei Euro pro Quadratmeter betragen. Bei gezielten „Herausmodernisierungen“ droht Vermietern künftig ein Bußgeld – etwa, wenn zwölf Monate nach der Modernisierungsankündigung immer noch nicht mit den Bauarbeiten begonnen wurde. Bei anderen Maßnahmen zur Mietervertreibung, etwa dem wiederholten Ausfall von Strom und Wasser, dürfte der Vorsatz des Vermieters in der Praxis kaum nachweisbar sein. (…) Zudem wurde auf Druck der Union der ursprüngliche Gesetzentwurf zur Modernisierungsumlage, den Justizministerin Katarina Barley (SPD) entworfen hatte, geändert. Darin war vorgesehen, die Begrenzung auf acht Prozent flächendeckend einzuführen. Nun gilt sie wie die Mietpreisbremse nur in den Gebieten, in denen die Länderparlamente einen angespannten Wohnungsmarkt festgestellt haben. Dies bietet Vermietern die Möglichkeit, die Zeit bis zu einem solchen Beschluss verstärkt für eine Modernisierung zu nutzen. Zudem könnten Modernisierungen zukünftig gerade in solchen Gebieten stattfinden, die am Rande eines solchen angespannten Wohnungsmarktes liegen und sie damit ebenfalls zu einem angespannten Wohnungsmarkt machen…
  • Bundesregierung lässt Mieter im Ruhrgebiet in Stich“ am 05. September 2018 ist die Stellungnahme des Mieterforums Ruhr zu den neuen Beschlüssen der Bundesregierung, die wir hiermit dokumentieren:
    Der vom Bundeskabinett beschlossene Entwurf für ein „Mietrechtsanpassungsgesetz“ ist für die Mieterinnen und Mieter im Ruhrgebiet weitgehend bedeutungslos. Die kleinen Nachbesserungen bei der Mietpreisbremse und die leichte Absenkung der Modernisierungsumlage gehen an den Städten im Ruhrgebiet vorbei, weil sie nicht zu den Gebieten mit „gefährdeter Wohnraumversorgung“ gehören, auf die sich diese Veränderungen beschränken. Nach dem heute vorgelegten Kabinettsbeschluss soll bei der Mietpreisbremse künftig gelten, dass der Vermieter schon bei Abschluss des Mietvertrages offenlegen muss, warum er die ortübliche Vergleichsmiete um mehr als 10 % überschreitet. Außerdem soll künftig eine „einfache“ statt einer „qualifizierten“ Rüge des Mieters ausreichen, was faktisch auf eine Umkehr der Beweislast hinaus-läuft. Nicht angerührt hat die Bundesregierung hingegen die zahlreichen Ausnahmen bei der Mietpreisbremse. Und ebenfalls nichts geändert hat sie daran, dass das gesamte Gesetz nur in Gebieten gilt, die die Landesregierungen festlegen.
    Auch die Absenkung der Modernisierungsumlage von 11 auf 8 % soll nur in diesen Gebieten mit „gefährdeter Wohnraumversorgung“ gelten. Außerdem sichert angesichts von aktuellen Kreditzinsen für Baugeld von ca. 1 % auch diese gekürzte Umlage dem Vermieter eine sehr hohe Rendite. Bundesweit gelten soll lediglich die Kappung von Modernisierungskosten bei 3 € pro qm. Bei Ausgangsmieten von 5 bis 6 €, wie sie im Ruhrgebiet üblich sind, bedeutet dies für die Betroffenen aber immer noch eine Mieterhöhung von 50 % oder mehr.
    Mieterforum Ruhr kritisiert außer der Bundes- aber auch die Landesregierung von NRW. Diese plant, statt die Gebiete mit „gefährdeter Wohnraumversorgung“ auszuweiten, entsprechende Verordnungen sogar ganz abzuschaffen. Dann gingen selbst die marginalen Verbesserungen des neuen Gesetzes an ganz NRW komplett vorbei“.
  • „»Endlich mal wieder Häuser besetzen«“ am 07. September 2018 in der jungen welt externer Link ist ein Gespräch von Leonard Laurig mit Charlie Neumann unter anderem zum Thema Richtungswechsel statt Bremse: „Besetzungen gibt es nicht nur in Berlin, sie passieren überall. Gerade auch in anderen Staaten Europas, in denen gegenwärtige Krisen noch verheerendere Auswirkungen haben als in der BRD. Dort haben Leute die Hemmschwelle, Häuser zu besetzen, überwunden, obwohl es auch dort oftmals Kriminalisierungen von Hausbesetzern gibt. Es ist ein Gebot der Vernunft, das Bedürfnis nach Wohnraum nicht einer Verwertungslogik zu unterwerfen. Die Kritik an dieser Praxis muss praktisch werden. Dabei ist es wichtig zu betonen, dass wir dabei nur für uns sprechen. Wir wollen nicht für andere sprechen, sondern Menschen ermutigen, ihre eigenen Interessen wahrzunehmen – also weg von der Idee, dass Mitbestimmung nur in Bürgersprechstunden stattfindet, hin zu einem selbstbestimmten Wohnen und Leben…
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=137126
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