Die „Stadt der Investoren“: Nachfolge der autogerechten Stadt. Noch menschenfeindlicher?

Recht auf Stadt (Logo RaS FFM)Ob es um neue Konzepte – meist irgendwo abgeschrieben – für Innenstädte geht oder um Wohnungsbau, Zugang zu Grundversorgung oder Miethöhen: Das neue Konzept bürgerlicher Stadtplanung heißt Investorenstadt. Was international zu ebenso peinlichen wie perversen Erscheinungen führt wie, dass sich Dutzende Städte vor allem aus den USA und Kanada überbieten (unterbieten), um die Gnade zu erfahren, Sitz von Amazons neuer Konzernzentrale zu werden, ist auch in bundesdeutschen Städten längst Alltag. In Dortmund, immerhin, bekommt Amazon – unter sicherlich vielem Anderen – eine eigene Buslinie. Zum Heranschaffen nutzbaren Menschenmaterials. Ob neue City-Planung in Bremen oder „business as usual“ in Berlin – die Städte werden gentrifiziert, mit anderen Worten, umgestaltet nach Profitprinzipien. Ob das das Ende des sozialen Wohnungsbaus bedeutet, oder das Ende der Urbanität – beides ist Ergebnis dieses selben Prozesses. Von lästigen Menschen befreite Parks erfreuen dann nicht nur Spießerseelen, sondern natürlich auch jene, die von der allgemeinen Vertreibung profitieren. Und die Vision des Zugangs zu Innenstädten qua Kreditkarte als Ausweis ist dann nicht mehr fern. Höchstens noch der Platzverweis für jene, die zu wenig kaufen. Der aber passt zum Platzverweis für jene, die die entsprechenden Mieten nicht mehr bezahlen können. Siehe zur Umgestaltung bundesdeutscher Städte drei aktuelle Beiträge und zwei Hintergrundartikel:

  • „Wie Immobilienfirmen Steuerschlupflöcher nutzen“ von Johanna Treblin am 07. November 2017 in neues deutschland externer Link, worin es zu einem der Investoren hier in Berlin unter anderem heißt:  „Auf der ebenfalls englischsprachigen Seite erfährt der Leser, Phoenix Spree sei ein Investor im mittleren Marktsegment im deutschen Wohnimmobilienmarkt. 80 Prozent der Wohnungen im Besitz der Firma befinden sich in Berlin – rund 1700 Wohnungen. Medienberichten zufolge findet sich der Name der Firma in den Paradise Papers, wie das Recherchekonsortium unter anderem aus »Süddeutscher Zeitung«, NDR und WDR ihre neuesten Veröffentlichungen zu mehreren geleakten Dokumenten über Steueroasen genannt hat. Die Firma steht demnach beispielhaft dafür, wie Unternehmen mit sogenannten Share Deals Schlupflöcher der Gesetzgebung ausnutzen, um Steuern zu sparen“.
  • „Das Bremer City-Monopoly ist eröffnet“ von A. Cäcilie Bärmann am 07. November 2017 in neues deutschland externer Link, worin es zu den Investorenplänen in Bremen unter anderem  abschließend  heißt: „Das auf der Verwaltungsebene angesiedelte Ortsamt Mitte hatte ebenfalls eine öffentliche Veranstaltung über »Bremens gute Stube« anberaumt. Diese förderte hauptsächlich die Palette an möglichen Bauvorhaben und Bauherren zu Tage. Was Investoren nicht eben freut, planen sie doch lieber diskret und unerkannt – gerade in Bremen, wo die City vor einem fast kompletten Umbau inklusive stattlicher Ausdehnung steht. Es scheint, als werde das Spiel »Monopoly« in die Realität transferiert. Eröffnet hat schon mal die Jacobs-Familie, indem sie ihren ursprünglichen Stammsitz auf der linken Weserseite zurückkaufte. Viel fehlt nun nicht mehr für ein zusammenhängendes »Jacobs-Filetstück«, das direkt am Marktplatz beginnt, einen Teil der Einkaufszone einschließt, bis an die Weser-Promenaden reicht und über Brücken noch einen Teil der Neustadt einschließt“.
  • „Zu Unrecht geräumt“ von Grit Gernhardt am 28. September 2017 in neues deutschland externer Link war ein kurzer Beitrag zu einem Gerichtsurteil über einen Investor im baden-württembergischen St. Blasien: „Im Fall eines Wohnhauses mit günstigen Mieten im baden-württembergischen St. Blasien kam es, wie es kommen musste: Eine Investmentgesellschaft kaufte das Haus und wollte es nicht nur anderweitig nutzen, sondern zwecks Gewinnmaximierung sogar abreißen. Argument: Mit der Erweiterung des ebenfalls zur Gesellschaft gehörenden Ladens im Nachbarhaus könne man mehr Geld verdienen als an den Mietern. Nach langem juristischen Kampf gab der Bundesgerichtshof den zwangsgeräumte Mietern nun recht, das nützt ihnen jedoch nichts mehr: Im Vorgriff auf ein Urteil zu ihren Gunsten hatte die Investmentgesellschaft das betreffende Haus bereits abreißen lassen. In welcher Form die ehemaligen Mieter von der Gerichtsentscheidung profitieren können, ist fraglich…“.
  • „Über 25 000 Wohnungslose in NRW“ am 07. November 2017 in neues deutschland externer Link ist eine kurze Meldung, die die „andere Seite der Medaille“ betrifft: „Die Zahl der wohnungslosen Menschen steigt auch in Nordrhein-Westfalen seit Jahren kontinuierlich an. Seit 2011 hat sich die Zahl der gemeldeten Wohnungslosen dort um fast 60 Prozent auf über 25 000 erhöht. Das geht aus einem Bericht von NRW-Sozialminister Karl-Josef Laumann (CDU) an den Düsseldorfer Landtag hervor. Besonders problematisch ist die Lage demnach für Frauen: Die Hilfsangebote für Wohnungslose erreichen sie kaum, weil Frauen die männlich dominierten Notunterkünfte scheuen. Wie das Sozialministerium auf dpa-Anfrage in Düsseldorf mitteilte, gibt es in NRW inzwischen immerhin 70 von bundesweit 180 Diensten und Angeboten ausschließlich für Frauen. Dennoch sei der Bedarf weiterhin groß, sagte Laumann der dpa. Die Angebote sind laut Wohnungslosenhilfe regional sehr ungleich verteilt: Unterkünfte, die sich speziell an Frauen richten, finden sich demnach vor allem in Großstädten – überwiegend im Ruhrgebiet und an der Rheinschiene. Knapp 40 Prozent der gemeldeten Wohnungslosen in NRW sind Frauen“.
  • „Zum Wohnen zu wenig“ von Susan Bonath am 28. September 2017 in der jungen welt externer Link war ein Beitrag, der sich mit den aus der Investoren-Konzeption ergebenden Problemen für BezieherInnen von Sozialleistungen befasst. Wozu einleitend festgehalten wird: „Wohnraum ist knapp, die Mieten steigen: Für Menschen, die auf Hartz IV oder Sozialhilfe angewiesen sind, wird es immer schwieriger, eine aus Sicht der Jobcenter »angemessene« Bleibe zu finden. Allein in Berlin musste Ende 2016 fast die Hälfte aller Hartz-IV-Haushalte aus dem Regelsatz zuzahlen, obwohl dieser eigentlich Grundbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung und Energie decken soll. Denn ihre Mieten lagen über den von der Hauptstadt festgesetzten Obergrenzen. Mit der wachsenden Diskrepanz zwischen Sozialleistungen und Mieten befasst sich auch die Nationale Armutskonferenz. Gemeinsam mit der Diakonie, dem Deutschen Institut für Menschenrechte und der Arbeitslosenselbsthilfe Oldenburg will sie am 9. November in Berlin eine Tagung unter dem Titel »Wie und wo sollen Menschen wohnen dürfen?« abhalten. »Bei den Widersprüchen und Klagen gegen Bescheide der Jobcenter und Sozialämter sind die sogenannten Kosten der Unterkunft seit Jahren der häufigste Grund«, betonen die Organisatoren in einer Mitteilung“.
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=123679
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