Bundesdeutsche Wohnungspolitik 2019: Es wird gedeckelt. Nicht die Mieten, sondern der Widerstand. Polizeilich…

Plakat und Logo der Wiener Mietenkampagne„… Rückblende: Frühjahr 2018, ein Jahr vor dem Start des Volksbegehrens Deutsche Wohnen und Co. enteignen. Bei einem Kampagnentreffen sprechen AktivistInnen über die Idee der Vergesellschaftung. Doch welche Unternehmen haben mehr als 3.000 Wohnungen und wo sind ihre Bestände? Das weiß keiner der Anwesenden so genau. Eigentümer können sich in Deutschland gut verstecken. Tilman Miraß, Aktivist des Peng-Kollektivs, hat an jenem Abend eine Idee: Er will die Bestände der Wohnungskonzerne über ihre Wohnungsangebote erfassen. Ein Programm, um öffentlich zugängliche Inserate auszuwerten, hat er schnell geschrieben. Im April 2018 geht es los; 18 Monate später sind 78.947 Wohnungsinserate in die Ergebnisse eingeflossen. (…) Die Befunde sind alarmierend: Die untersuchten Angebotsmieten haben sich von den Bestandsmieten entkoppelt. Innerhalb des S-Bahn-Rings liegen die Neuvermietungspreise 6,51 Euro pro qm über den maximalen ortsüblichen Bestandsmieten – das sind ganze 65 Prozent mehr. Die Differenz zu durchschnittlich ausgestatteten Wohnungen, für die nicht die Oberwerte des Mietspiegels gelten, ist noch höher. Außerhalb des S-Bahn-Rings beträgt der Aufschlag auf die bestehenden Mietpreise mit 3,51 Euro 45 Prozent. In Friedrichshain-Kreuzberg schlagen Vermieter am meisten drauf, am wenigsten in Lichtenberg...“ – aus dem Beitrag „Berlin, Stadt der Reichen“ von Erik Peter am 08. Oktober 2019 in der taz online externer Link zur Vorstellung der Berliner Studie von Mietenwatch. Siehe dazu auch den Link zur Studie, einen Beitrag über die „Mietendeckel-Debatte“ – und zwei „Protestdeckel-Aktionen“ der Polizei:

  • „Keine halben Deckel“ von Georg Sturm am 03. Oktober 2019 in neues deutschland online externer Link berichtete von der Berliner Demonstration, mit der Druck auf die „Deckel-Debatte“ organisiert werden sollte: „… Der Anlass für die Demonstration: Die sich zuspitzende Diskussion über den geplanten Mietendeckel sowie die bereits drei Monate andauernde rechtliche Prüfung des Volksbegehrens »Deutsche Wohnen & Co enteignen«. »Das Vorhaben steht unter Beschuss und der aktuelle Entwurf macht aus dem Deckel ein Sieb«, heißt es in dem Aufruf des Bündnisses »Gemeinsam gegen Verdrängung und Mietenwahnsinn«. Mit dem Protest wolle man dem Senat zeigen, dass es einen richtigen Mietendeckel und dann die Enteignung der Immobilienkonzerne brauche. »Der Entwurf ist weit hinter unseren Erwartungen«, ruft Stefan von »Deutsche Wohnen & Co enteignen« in das Mikrofon. Gemeinsam müsse man dafür sorgen, dass dieser nicht unter dem Druck der Immobilienwirtschaft noch weiter verwässert werde. »Der Mietendeckel muss nicht atmen, sondern fest halten, damit wir Mieter*innen wieder atmen können«, sagt der Sprecher des Volksbegehrens. Dieser solle keine Ausnahmen zulassen und überteuerte Mieten wirksam senken. An dem Instrument der Mietabsenkung hat sich derzeit in der Berliner Regierungskoalition ein Streit entfacht. Der aktuelle Entwurf sieht die Möglichkeit vor, die Miete zu senken, knüpft dies aber an Bedingungen. Eine Absenkung ist demnach nur möglich, wenn die Nettokaltmiete einer Wohnung über der Mietobergrenze liegt und 30 Prozent des Gesamt-Nettoeinkommens des Haushalts übersteigt…“
  • „„Backhaus“-Besetzung? Find’ ich gut“ von Katja Thorwarth am 10. Oktober 2019 in der FR online externer Link über Besetzung und Zwangsräumung (gibt es nicht nur in Berlin) in Frankfurt: „… Eigentlich hat die Initiative „Social Hub“ mit ihrer Hausbesetzung am 5. Oktober im Frankfurter Stadtteil Bockenheim alles richtig gemacht. Zunächst die Objektwahl: Das historische Gebäude „Backhaus“ steht seit längerer Zeit leer, der Abriss zugunsten eines Luxus-Wohnkomplexes konnte bislang abgewendet werden, und außerdem ist das Haus Teil der Erhaltungssatzung. Die sieht vor, Stadtteile vor Gentrifizierung zu bewahren, indem sie städtebauliche Eigenarten ebenso zu erhalten zwingt wie die Bevölkerungsstruktur. Auch in Frankfurt-Bockenheim kann bereits jedes Kita-Kind „Gentrifizierung“ buchstabieren. Mit der Idee eines sozial genutzten Raumes vor Ort rennt man entsprechend im gebeutelten Stadtteil offene Türen ein. Konzepte wurden dem Ortsbeirat bereits Mitte 2018 vorgestellt, doch die Stadt, übersetzt CDU, SPD und Grüne, hatte bislang wenig Interesse, das Haus in öffentliches Eigentum umzuwandeln und gemeinnützig zu erschließen. Nun, dann ist halt irgendwann mal Schluss mit lustig, es ist ja nicht der einzige Lebensraum in Frankfurt, den man sehenden Auges vor sich hingammeln lässt. Nur scheint die beliebte Strategie, auszusitzen, bis sich keiner mehr drum schert, in der Causa „Backhaus“ nicht aufzugehen. Die Leute lassen nämlich nicht locker, und wer am Tag der Besetzung vor Ort war, erlebte eine seltene Koalition aus den unterschiedlichsten Milieus, die sich in einer Sache einig war: „Besetzung? Find’ ich gut.“ Drei Tage später im Morgengrauen kam die Polizei mit Großaufgebot samt Räumpanzer. Die Leute wurden aus dem Backhaus getragen. Man habe im engen Kontakt zu der Eigentümerin weitere „Straftaten in Form von Hausfriedensbrüchen“ verhindern wollen, hieß es...“
  • „Bericht zum 03.10 Demonstration & Hausbesetzung“ vom Kollektiv Edelweiss am 09. Oktober 2019 bei de.indymedia externer Link berichtet aus Köln: „… Für uns war diese Aktion zwar überraschend, aber eine willkommene Ergänzung im Tagesablauf. Als, wie in einer Express-Schlagzeile beschrieben „vor den Augen der Polizei“, Menschen aus unserer Demonstration in das Haus gingen, stoppte auch die Demo um das Projekt zu unterstützen. Mittlerweile wurde das Haus leider geräumt, aber das positive Beispiel wird vielen in den Köpfen bleiben. Wir erklären uns ausdrücklich solidarisch mit der Aktion. Wie auch in einigen Redebeiträgen auf der Demonstration unterstrichen wurde, ist der antifaschistische Kampf ein Teil des Kampfes mit dem Kapitalismus. Auch die Genoss*Innen vom Kollektiv Nestkampf sind durch ihre Aussage „Wohnraum darf keine Ware sein“ dem Rechtsruck entgegengetreten. Statt Geflüchtete und Migrant*Innen für den sinkenden Lebensstandard in Deutschland verantwortlich zu machen, wurde eine fortschrittliche, antikapitalistische Perspektive eröffnet…“
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=155676
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