Berliner Wohnungsnot: „Frühling der Besetzungen“ stößt auf „Deutschen (Polizei)Herbst“

#besetzenNach vier Stunden war die polizeiliche Räumung eines besetzten Hauses in Berlin-Neukölln in der Nacht zu Pfingstmontag beendet. Von insgesamt 56 Besetzern stellte die Polizei im Anschluss die Personalien fest. Laut Anwälten der Besetzer wurden mehrere Personen bei der Räumung verletzt – eine Person musste in ein Krankenhaus eingeliefert werden. Kritisiert wurde darüber hinaus von den Besetzern, dass die Räumung durchgeführt wurde, obwohl zur selben Zeit noch Verhandlungen mit dem Hausbesitzer – der kommunalen Wohnungsbaugesellschaft »Stadt und Land« – in vollem Gange gewesen wären. Insgesamt zehn leer stehende Häuser und Gebäude wurden beim »Frühling der Besetzungen« in Berlin und Potsdam am Sonntag in Beschlag genommen – die meisten davon allerdings symbolisch. »Leerstand ist in einer Stadt mit akuter Wohnungsnot und Verdrängung ganzer Nachbarschaften nicht hinnehmbar«, erklärte eine Pressesprecherin der stadtpolitischen Aktivisten. Die Besetzer hatten die Aktion bereits vor einiger Zeit im Internet unter dem Stichwort besetzen angekündigt“ – aus der Meldung „Kurzer Frühling der Besetzung“ am 22. Mai 2018 in neues deutschland externer Link, worin noch eine eigentümliche Berichterstattung über die Reaktion der Regierung und der Opposition im Berliner Senat anschließt. Zu den Hausbesetzungen und der staatlichen Reaktion drei weitere Beiträge (darubter auch der Geräumten über die Senatspolitik), sowie ein Beitrag zu einer erfolgreichen Widerstandsaktion gegen eine Zwangsräumung und einen Beitrag zur sich entwickelnden Debatte

  • „Mietnotstand in Berlin: Mehrere Häuser besetzt“ am 21. Mai 2018 bei Perspektive Online externer Link berichtet: „Die Mieten explodieren in Berlin – nun haben einige MieterInnen das Problem von bezahlbarem Wohnraum selbst in die Hand genommen. So wurden mehrere Häuser besetzt, die teilweise jahrelang leer standen. Wie die AktivistInnen der Aktion „#besetzen“ mitteilten, habe man mindestens neun Häuser besetzt, etwa in Kreuzberg, Neukölln und Friedrichshain. Einige davon waren nur Scheinbesetzungen. Transparente mit der Aufschrift „besetzt“ wurden dort angebracht – möglicherweise ein Ablenkungsmanöver. In den Berliner Stadtteilen Kreuzberg und Neukölln räumte die Polizei kurze Zeit später besetzte Gebäude. Bei der Räumung der Reichenberger Str. 114 wurden auch DemonstrantInnen verletzt. Das besetzte Haus in der Bornsdorfer Straße 37b mit 40 Wohnungen wurde noch während der Verhandlungen gestürmt. Gegen 56 Personen werde wegen Hausfriedensbruch ermittelt, sagte ein Sprecher der Polizei. Zuvor hatte die Eigentümerin des Hauses, die landeseigene „Stadt und Land“-Wohnungsbaugesellschaft, ein schriftliches Räumungsbegehren beantragt“, woran sich noch die Information anschließt, welche Parteien gegenwärtig in Berlin Regierung darstellen.
  • „Spekulanten auf Einkaufstour“ von Simon Zeise am 22. Mai 2018 in der jungen welt externer Link über recht unterschiedliche Behandlungen: „Die Gespräche mit dem Geschäftsführer der kommunalen Wohnbautengesellschaft »Stadt und Land« seien »gewaltvoll unterbrochen« worden. Die Besetzer seien auf ein Vermittlungsangebot von Staatssekretär Sebastian Scheel (Die Linke) eingegangen. »In Zukunft werden wir uns nicht mehr auf Rot-Rot-Grün und ihre Zusagen verlassen.«  Die Berliner Landesregierung will, dass sich mehr Investoren in der Hauptstadt ansiedeln. Dem Ruf gefolgt ist US-Multimilliardär Warren Buffett. Die von ihm gegründete Immobilienfirma »Berkshire Hathaway Home Services« hat sich in Berlin eingekauft und das bestehende Maklerbüro »Rubina Real Estate« in seinen Konzern integriert (siehe jW vom 19. Mai). Bei der Präsentation des Buffett-Ablegers am Donnerstag abend richtete Christian Herzog, Mitarbeiter der städtisch-privaten Wirtschaftsförderungsgesellschaft »Berlin Partner« Grußworte aus. Die Ansiedlung von Berkshire »zeigt, was in Berlin alles möglich ist«.  Buffett und Co. stecken ihr Geld in den deutschen Wohnungsmarkt. Mit Folgen: Die Immobilienpreise in Ballungsgebieten ziehen an. Die Bundesbank geht in einem Gutachten vom Februar von einer Überbewertung der Marktpreise von 35 Prozent aus. Dabei steigen nirgendwo in der Welt die Preise für Immobilien so schnell wie in Berlin. Laut dem »Global Residential Cities Index«, den das Beratungsunternehmens »Knight Frank« am 10. April veröffentlichte, legten die Preise in der Hauptstadt zwischen 2016 und 2017 um 20,5 Prozent zu“.
  • „Nach der Borni-Räumung: Zur Rolle der Linkspartei“ von einigen Besetzer*innen der Borni am 21. Mai 2018 bei de.indymedia externer Link mit ihrer Sicht der Haltung der Berliner Regierung: „Die gestrige Räumung der Bornsdorfer Str. 37B liegt maßgeblich in der politischen Verantwortung der Linkspartei, vor allem Senatorin Lompscher. Während zwischendurch kommuniziert wurde, dass die Senatorin über die Räumung entscheiden würde, wurde sich in letzter Minute offenbar darauf geeinigt, dass doch der weniger politisch exponierte Geschäftsführer des kommunalen Wohnungsunternehmens „Stadt und Land“, bei dem üblicherweise das Hausrecht liegt, der Öffentlichkeit gegenüber die Verantwortung übernimmt. Gut: Die Partei, die in ihrer letzten Regierungsperiode in Berlin große Teile des kommunalen Sozialwohnungsbestands privatisiert hat, nur um seitdem wieder in jedem Wahlkampf Krokodilstränen über „hohe Mieten“ zu vergießen, räumt dann eben auch am ersten Tag eine Leerstandsbesetzung, genau wie es die große Schwester SPD stets tut. So weit, so wenig bemerkenswert. Alle Register zog die Partei dann mit ihrem Kommentar, die schnell über Twitter verbreitet wurde:  „Schade, dass mit den Aktivisten keine Einigung in der #Borni zustande kam: [Springer-Link] Das Anliegen von #besetzen ist darüber hinaus richtig. Es darf nicht sein, dass die Gesetze den privaten Profit über die Bedürfnisse der Menschen stellen”  Dazu vier Bemerkungen:…“.
  • „Schluss mit der Berliner Linie!“ von Johanna Treblin am 23. Mai 2018 in neues deutschland externer Link zur Räumungspolitik des Senats: „Statt der sich als bewegungsnah verstehenden Linkspartei waren es dann zwei Politikerinnen der Grünen, die dafür plädierten, den Besetzern ein paar Tage im Haus zu gewähren, während das weitere Vorgehen verhandelt wird. Von der LINKEN kam am späten Abend ein unglücklicher Tweet (»Schade, dass Einigung nicht geklappt hat«), diverse Sympathiebekundungen für Besetzungen (als Protestform), aber keine Aufklärung zu Lompschers Rolle. Klar, bei der herrschenden Berliner Linie, Besetzungen innerhalb von 24 Stunden zu räumen, hatte Lompscher praktisch keine Verhandlungsmacht. Diese Berliner Linie muss jetzt zur Debatte gestellt werden“.
  • „Dienstag, 22.5. // Zwangsräumung einer Familie vorerst verhindert“ am 22. Mai 2018 beim Bündnis Zwangsräumung verhindern Berlin externer Link berichtet über eine erfolgreiche Widerstandsaktion: „Der Gerichtsvollzieher und die Hausverwaltung kamen jeweils in ihren Autos. Beide haben angesichts der Leute dann hektisch telefoniert aber verweigerten jegliche Kommunikation. Kurz danach verliessen sie fluchtartig die Straße. Erst blieben sie verwirrt eine Seitenstraße weiter stehen um sich dann endgültig aus dem Staub zumachen. Nach einer Weile kam noch eine Zivi-Streife und verschwand wieder. Danach tauchten noch 2 Dorfbullen auf, die die Absage der Räumung bestätigten und auch nur darauf aus waren bei dem Sonnenscheinwetter weiter eine ruhige Kugel zu schieben. Das so viele Leute aus der Nachbarschaft da waren und es dort eine solidarische Struktur gibt wärmt uns das Herz. Und nach den brutalen Räumungen der besetzen Häuser am Pfingstsonntag hat ein verhinderte Räumung allen gut getan. Denn auch unter Rot-Rot-Grün gibt es keine andere Wohnungspolitik. Auch die sind den Regeln der kapitalistischen Verwertung der Stadt unterworfen. Die verhinderte Zwangsräumung heute und die Besetzungen am Sonntag haben aber gezeigt, dass nach der Mietenwahnsinn-Demo mit 25.000 Menschen am 14. April und der Demonstration im Grunewald am 1. Mai die Proteste gegen Gentrifizierung mit großer Intensität weitergehen. Immer mehr Menschen erkennen, dass das Wohnen eben keine Ware sein sollte sondern ein Grundrecht ist. Dieses Recht wird aber nicht vom Senat erbettelt sondern auf der Straße erkämpft!
  • Siehe für aktuelle Meldung die Homepage externer Link und den Twitter-Account der Initiative #besetzen: @besetzenberlin
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=132413
nach oben