#ausspekuliert: Allein in München 10.000 auf der Straße gegen teure Mieten – in Bochum Milliarden. In der Kasse von Vonovia

Bundesweite Kampagne "Mietenwahnsinn stoppen"An Weihnachten 1907 zogen 400 Frauen in einen Kampf mit ungleichen Waffen. New Yorker Arbeiterfrauen demonstrierten gegen ihre Vermieter. Angeführt von einer jungen Frau „von zerbrechlichem Aussehen“, einer „Jeanne d’Arc der Eastside“, wie die New York Times berichtete. Diese hieß Pauline Newman, arbeitete seit ihrer Kindheit als Näherin und überredete Tausende der verarmten New Yorker Arbeiter und Arbeiterinnen zum bislang größten Mieterstreik der amerikanischen Metropole. Sie wurde zu einer wichtigen Protagonistin der Arbeiterbewegung in den USA – und ihr Mieterstreik blieb nicht der letzte in der Metropole. Auf einem anderen Kontinent, zu einer ganz anderen Zeit, gehen ebenfalls Mieterinnen und Mieter auf die Straße. In Berlin protestieren im April 2018 mehr als 13 000 Menschen gegen „Verdrängung und Mietenwahnsinn“, in Hamburg treffen sich im Juni 3000 Demonstranten zum „MietenMove“, in Frankfurt am Main sammelt gerade die „Initiative Mietentscheid“ dafür, dass die städtische Wohnungsbaugesellschaft nur noch Sozialwohnungen bauen soll. Und München erwartet am heutigen Samstag ebenfalls eine große Demonstration – unter dem Titel: #ausspekuliert“ – aus dem Artikel „Mieter aller Städte, vereinigt Euch!“ von Hannah Beitzer am 15. September 2018 bei der Süddeutschen Zeitung Online externer Link aus Anlass – nicht nur – der Münchner Demonstration vom vergangenen Wochenende. Zur Demonstration in München und weiteren Protesten sowie über Gewinner und Verlierer der Mietpreis-Explosion einige weitere Beiträge – auch zur Debatte um das Gutachten der Profitexperten der Regierung

  • „Münchner protestieren“ am 17. September 2018 bei der jungen welt externer Link ist ein redaktioneller Bericht über diese Demonstration in München, in dem unterstrichen wird: „In München haben am Sonnabend rund 10.000 Menschen gegen steigende Mieten, Luxussanierungen und soziale Ausgrenzung demonstriert. Ein Bündnis aus mehr als 90 Mietergemeinschaften, Gewerkschaften und Parteien hatte zu der Aktion unter dem Motto »Ausspekuliert« aufgerufen. Man werde »gegen Gesetze, die Steilvorlagen für Entmietung sind und dadurch Mieter zu Spekulationsobjekten machen«, protestieren, hieß es im Aufruf. Im Vergleich sind die Mieten in der bayerischen Landeshauptstadt mit die höchsten in der BRD. Für den kommenden Freitag bitten Regierungschefin Angela Merkel (CDU) und Bundesbauminister Horst Seehofer (CSU) zu einem »Wohngipfel« ins Kanzleramt. Eingeladen sind Politiker von Bund, Ländern und Kommunen sowie Vertreter der Wohnungs- und Bauwirtschaft, des Mieterbundes sowie der Gewerkschaften. Gesprochen wird dabei aller Voraussicht nach darüber, wie mehr Wohnungen gebaut werden können. Den Bedarf bezifferte jüngst die Immobilienwirtschaft in einer Schätzung. Demnach müssten in der Bundesrepublik jährlich 350.000 bis 400.000 neue Wohnungen entstehen, um den wachsenden Bedarf zu decken. 80.000 davon müssten Quartiere mit Sozialbindung sein…“
  • „»Schimmel, Dreck und Lärm«“ von Gitta Düperthal ebenfalls am 17. September 2018 in der jungen welt externer Link über die Aktivität des DGB in Frankfurt: „Eine Sozialwohnung suchen in Hessen derzeit mehr als 50.000 anspruchsberechtigte Menschen. Das Thema Wohnungsnot stand am Freitag beim DGB-Aktionstag zur Altersarmut in Frankfurt am Main auf der Agenda vieler Redner. Hohe Mieten verschärften in der Finanzmetropole das Problem der Altersarmut, sagte Egidius Planz, Vorsitzender der DGB-Seniorinnen und Senioren in Frankfurt. Zwar gebe es aktuell einen Bauboom – in den neuen Stadtvierteln kauften Immobilienspekulanten aber alles auf. Es entstünden Domizile von Reichen für Reiche. Zugleich aber mussten im Jahr 2016 laut Bundesarbeitsministerium rund 8,6 Millionen Menschen mit weniger als 800 Euro Altersrente im Monat auskommen. Das betreffe also fast jeden zweiten Rentner in Deutschland, erläuterte Liv Dizinger, Abteilungsleiterin Strukturpolitik des DGB Hessen-Thüringen. Insgesamt 62 Prozent bekamen weniger als 1.000 Euro…“
  • „Fette Rendite auf Kosten der Mieter“ von Simon Poelchau am 17.September 2018 in neues deutschland externer Link über die Dokumentation verschiedener Fraktionen der Linken zum Geschäftsmodell der Vonovia: „Etwa 350.000 Wohnungen besitzt Vonovia in Deutschland mittlerweile. Die meisten befinden sich im südlichen Ruhrgebiet, in Berlin und Dresden. Für das Gutachten analysierte der Volkswirt von der Westfälischen Hochschule die letzten fünf Jahresberichte des DAX-30-Konzerns. Sein Befund: Vonovia ist weniger ein Wohnungsunternehmen als vielmehr ein »Finanzinvestor mit angeschlossener Immobilienwirtschaft« – so auch der Titel von Bontrups Studie. Dabei existiert ein Großteil des in den vergangenen fünf Jahren erzielten Gewinns nur auf dem Papier. Neun von elf Milliarden Euro sind sogenannte Buchgewinne. Diese kommen zustande, weil die internationalen Rechnungslegungsvorschriften es Vonovia gestatten, den Immobilienbestand in der Konzernbilanz zu den derzeit in die Höhe schießenden Marktpreisen auszuweisen statt zu den niedrigeren Anschaffungspreisen. Mit tatsächlich verdientem Geld haben diese Buchgewinne wenig zu tun. Zieht man sie ab, so machte Vonovia unterm Strich zwischen 2012 und 2017 statt elf nur zwei Milliarden Euro Gewinn. Nach Steuern, so berechnete Bontrup, lag er sogar nur bei knapp 1,4 Milliarden Euro und damit weit unter den 1,9 Milliarden, die der Konzern in der Zeit als Dividende an seine Aktionäre ausschüttete…
  • „Private Betreiber investieren in das studentische Wohnen in Dortmund – völlig am Bedarf vorbei“ am 31. August 2018 beim Gewerkschaftsforum Dortmund externer Link unterstreicht einleitend: „Seit einiger Zeit haben Investoren das studentische Wohnen entdeckt, auch in Dortmund will man mit der Wohnungsnot der Studierenden Geschäfte machen. Hier hat sich die Zahl der Studierenden allein an der Technischen Universität (TU) in den vergangenen Jahren um 57 Prozent erhöht. Die Studierendenwerke können den Bedarf an Wohnraum längst nicht mehr abdecken. Während die materielle Situation der Studierenden sich weiter verschlechtert und viele überschuldet sind, wird von Investoren die Wohnungsnot bei den jungen Menschen ausgenutzt, um Wohnraum an der Kampstraße und im Unionviertel zu errichten. Allerdings nicht für Studierende, die auf erschwinglichen Wohnraum angewiesen sind, sondern bei einem vorsehenden Mietpreis zwischen 450 und 500 Euro für ein „Micro-Appartement“ für junge Menschen mit finanzkräftigen Eltern. Die Stadt Dortmund sieht selbst hochpreisige Wohnungsangebote nicht als ein Problem, sondern der zuständige Dezernent geht davon aus, dass Studierende und deren Familien, die sich das leisten könnten, dann ja vielleicht nicht preiswertere Wohnheimzimmer oder Wohnungen belegen bzw. diese wieder freimachen würden und von einem solchen Vorhaben könnten dann alle profitieren. Bei einer solchen schlichten Sichtweise ist es erforderlich, die konkrete Lebenssituation der meisten Studierenden und die Wohnsituation für sie in Dortmund zu beleuchten…“
  • „53.600 Zwangsräumungen angeordnet im Jahr 2017“ am 18. September 2018 in der jungen welt externer Link ist eine Meldung, in der es heißt: „Im vergangenen Jahr haben Gerichtsvollzieher in Deutschland rund 53.600 Aufträge für Wohnungsräumungen erhalten. Das geht einem Bericht der Passauer Neuen Presse vom Montag zufolge aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken im Bundestag hervor. Im Vergleich zu 2016 ging die Zahl laut Zeitung zurück, damals waren es rund 60.300. Allerdings fehlten 2017 demnach Angaben aus Bayern…“
  • „»Wirklich soziale Wohnungspolitik«: Über 200 Wissenschaftler fordern grundlegende Wende“ am 18. September 2018 beim Oxi-Blog externer Link ist ein Beitrag über eine Erklärung aus Anlass des Wohnungsgipfels der Bundesregierung am 21. September – beziehungsweise zum dazu vorliegenden „Experten“-Gutachten des Wirtschaftsministeriums – worin unter anderem berichtet wird: „In der Zeitschrift »Sub/urban«, die sich der kritischen Stadtforschung verschrieben hat, ist nun ein Appell von über 200 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern erschienen, die sich darin »für eine wirklich soziale Wohnungspolitik« aussprechen und einen »Schutz der Bestandsmieten, Gemeinnützigkeit und Demokratisierung« fordern. Die Expertinnen und Experten kommen aus unterschiedlichen Disziplinen, auch ihnen war das umstrittene Gutachten des wissenschaftlichen Beirats des BMWi ein Anlass zur Einmischung. »Die Versorgung mit Wohnraum ist eine wesentliche Aufgabe des Wohlfahrtsstaats. Wird das Wohnen für einen wachsenden Teil der Bevölkerung unbezahlbar, fördert dies gesellschaftliche und sozialräumliche Spaltung und bedroht letztlich auch den gesellschaftlichen Zusammenhalt«, heißt es bei der Zeitschrift. »Wenn das Wohnen der Zukunft nicht nur ökonomischen Prämissen un­terworfen sein soll, müssen zwingend außerökonomische Anforderungen, Modelle und Vorschläge in die Gestaltung der Wohnungspolitik einbezogen werden«, bilanziert der ausführliche Text die Lage. »Als Wohnungsforscher_innen, die sich der Analyse von gesell­schaftlichen Prozessen und Wirklichkeiten verschrieben haben, plädieren wir dafür, diese Vorschläge ernst zu nehmen.«…“ – wobei in diesem Beitrag diese Erklärung eingeordnet wird in den Zusammenhang mit anderen ähnlich gerichteten Stellungnahmen aus Wissenschaftskreisen.
  • „Für eine wirklich soziale Wohnungspolitik“ ist die Erklärung der WissenschaftlerInnen in einem Vorabdruck der Zeitschrift sub/urban vom September 2018 externer Link Darin wird unter anderem einleitend unterstrichen: „Wohnen ist die neue soziale Frage, und sie wird allerorts heiß diskutiert. Am 21. September 2018 veranstaltet Horst Seehofer als Bundesbauminister einen ‚Wohngipfel‘ im Bundeskanzleramt. Eine neue Allianz aus Mieter_innenvereinen, mietenpolitischen sozialen Bewegungen, Gewerkschaften und Sozialverbänden lädt am 20. September 2018 zu einem alternativen Gipfel. In diesem Kontext hat der wissenschaftliche Beirat des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWi) ein Gutachten mit dem Titel „Soziale  Wohnungspolitik“ veröffentlicht, das fordert, den sozialen Wohnungsbau und die Mietpreisbremse abzuschaffen (BMWi 2018). Diese Diskussion nehmen wir, Wissenschaftler_innen aus unterschiedlichen Disziplinen, die zum Thema Wohnen und Stadtentwicklung forschen,  zum Anlass, die Forderungen des Gutachtens des wissenschaftlichen Beirats  des BMWi entschieden zurückzuweisen. Die Versorgung mit Wohnraum  als wesentliche Aufgabe des Wohlfahrtsstaats lässt sich nicht auf Basis ökonomischer Modelle, die nur als „Gedankenexperiment“ (BMWi 2018: 6)  funktionieren, aufbauen. Wohnen ist ein Grundbedürfnis. Wird es für einen wachsenden Teil der Bevölkerung unbezahlbar, fördert dies gesellschaftliche und sozialräumliche Spaltung und bedroht letztlich auch den gesellschaftlichen Zusammenhalt…“
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=137591
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