Wie geht VW mit Schwerbehinderten um? VW-Kollege wehrt sich gegen seine zweite krankheitsbedingte Kündigung

Dossier

IG Metall bei Volkswagen: „Ein Team – Eine Familie“„»Wegen des langjährigen Engagements von VW bei der Zusammenarbeit von Menschen mit und ohne Handicap ist der Autohersteller jetzt mit dem Inklusionspreis ausgezeichnet worden. ›Wir beschäftigen Schwerbehinderte nicht, um die gesetzlich vorgeschriebene Quote zu erfüllen‹, sagte Dr. Frank Klobes, Fachreferent Soziales und Gesundheit bei VW in Baunatal. ›Wir machen das aus Überzeugung‹. Mit 7,2 Prozent habe der Standort Baunatal die Fünf-Prozent-Quote nämlich weit übertroffen«. (Aus dem Bericht von Theresa Ziemann »Mit Spaß arbeiten trotz Handicap« vom 21. Oktober 2013 in der HNA externer Link). Der Spaß beim Arbeiten ist einem Kollegen – seit 2003 einem Schwerbehinderten gleichgestellt – schon lange vergangen, denn sein »Fall« zeigt eine andere Realität bei VW Baunatal. Ein Mitarbeiter, den VW unbedingt loswerden will, jetzt mithilfe einer zweiten krankheitsbedingten Kündigung, die er während seines Urlaubs im Juli 2012 erhielt – mit Zustimmung von Betriebsrat und Landeswohlfahrtsverbandes (LWV). Sein Widerspruch gegen die Zustimmung des LWV wurde abgewiesen. Dagegen reichte er Klage beim Verwaltungsgericht Kassel ein. Das Kasseler Arbeitsgericht hatte die Kündigung zum 30.11.2012 für rechtens erklärt. Nachdem seine Beschwerde auf Grundlage der »Betriebsvereinbarung für Partnerschaftliches Verhalten am Arbeitsplatz« von Volkswagen abgelehnt wurde, klagte er zusätzlich auf Schadenersatz und Schmerzensgeld und wegen »Mobbing« beim Arbeitsgericht Kassel. Diese Klage wurde ebenfalls abgewiesen. Am 29. Oktober ab 9.30 Uhr werden nun vorm Landesarbeitsgericht (LAG) in Frankfurt seine Klagen gegen die Kündigung und für Schadenersatz und Schmerzensgeld wegen »Mobbing« verhandelt…“ Aus dem Beitrag zum LAG-Termin 2013, der verloren wurde. Nun geht die Leidens-und Klagegeschichte weiter:

  • VW-Kollege braucht Unterstützung und Öffentlichkeit am Montag, 17.12. beim Landesarbeitsgericht Frankfurt New
    Montag, den 17. Dezember 11.30 Uhr in Raum B206 findet vorm Landesarbeitsgericht (LAG) in Frankfurt die Verhandlung VW gegen den Kollegen D.H oder auch D.H. gegen VW statt. Der Kollege braucht Unterstützung und Öffentlichkeit in seinem langen Kampf gegen zwei Kündigungen, mangelnden Gesundheitsschutz und Mobbing bei VW.
    Nachdem das Bundesarbeitsgericht (BAG) im September 2014 die Entscheidung getroffen hatte, das Verfahren an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen, findet nun – nach mehr als vier Jahren – die Verhandlung vorm LAG statt.
    D.H. war seit 1984 bei VW Baunatal beschäftigt. Als Vertrauensmann hat er sich für angemessene Bezahlung in seinem Bereich eingesetzt: VW musste einer Höhergruppierung zustimmen. Außerdem bemühte er sich intensiv um die ergonomische Gestaltung von Arbeitsplätzen, auch vor dem Hintergrund seiner eigenen Belastungen am Arbeitsplatz. 2003 wurde er einem Schwerbehinderten gleichgestellt. Seine erste krankheitsbedingte Kündigung erhielt er 2004 – mit Zustimmung des VW-Betriebsrates und des Landeswohlfahrtsverbandes (LWV). Der Kollege legte Widerspruch gegen die Zustimmung zur Kündigung ein und reichte eine Kündigungsschutzklage ein. Das Kasseler Arbeitsgericht und dann auch das Landesarbeitsgericht (LAG) erklärten die Kündigung für rechtmäßig. Während seiner Arbeitslosigkeit (2004–2009) musste er seine private Altersvorsorge auflösen. Erst nachdem er seine finanziellen Rücklagen aufgebraucht hatte, bekam er »Hartz IV«. Mit Unterstützung seines Rechtsanwaltes – die IG Metall hatte ihm zeitweilig die Unterstützung aufgekündigt – klagte er vorm Verwaltungsgericht gegen die Zustimmung des LWV und bekam Recht. Revision wurde nicht zugelassen und die Nichtzulassungsbeschwerde von VW wurde vom Hessischen Verwaltungsgerichtshof abgewiesen. Beide Verwaltungsgerichtsinstanzen deckten eklatante Unwahrheiten im Vortrag des Arbeitgebers auf, und kamen zum dem Schluss, dieses hätte der LWV prüfen müssen, um eine Ermessensentscheidung treffen zu können.
    Auf Betreiben des VW-Kollegen musste das LAG das Verfahren wieder aufnehmen, denn sein Urteil basierte auf der Zustimmung des LWV. Da das Kasseler Verwaltungsgericht diese Zustimmung aber für unrecht erklärt hatte, musste das LAG sein eigenes Urteil aufheben. Damit war die Kündigung für die ganze Zeit nichtig und VW musste den Kollegen weiter beschäftigen. Seit Mai 2009 arbeitete er wieder bei VW. Natürlich forderte er die tariflichen Leistungen für die fünf Jahre seiner Arbeitslosigkeit ein. Dabei geht es ihm besonders um die Rentenbeiträge. VW findet seine Forderungen unzulässig und hat sie zurückgewiesen. Einen Teilerfolg konnte er beim LAG im März 2012 erzielen. Beide Parteien waren allerdings in Berufung gegangen. Die Verhandlung vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) fand im September 2014 statt. Das BAG entschied im September 2014 den Fall an das Landesarbeitsgericht zurück zu verweisen. Der Richter des 5. Senats begründete seine Entscheidung damit, dass schon beim Kasseler Arbeitsgericht eventuell falsche Annahmen gemacht worden seien bzw. bestimmte Fragen gar nicht geklärt wurden (u.a. wegen Richterwechsel) und damit das Urteil des LAG vom März 2012 fragwürdig sei.
    Außerdem erhielt er während seines Urlaubs im Juli 2012 erneut eine krankheitsbedingte Kündigung. Diese Kündigung wurde wieder mit Zustimmung von BR und LWV ausgesprochen. Der Widerspruch gegen die Zustimmung des LWV zur Kündigung wurde erneut abgewiesen. Eine Klage hiergegen wurde beim Verwaltungsgericht Kassel eingereicht. Das Kasseler Arbeitsgericht hat die Kündigung zum 30.11.2012 inzwischen für rechtens erklärt. Nachdem seine Beschwerde auf Grundlage der »Betriebsvereinbarung für Partnerschaftliches Verhalten am Arbeitsplatz« von Volkswagen abgelehnt wurde, reichte er zusätzlich eine Klage auf Schadenersatz und Schmerzensgeld und wegen »Mobbing« beim Arbeitsgericht Kassel ein. Diese Klage wurde ebenfalls abgewiesen. Das LAG wies diese Klage auch ab.
    Welche Schlüsse wird der jetzt zuständige Richter am LAG aus der Zurückverweisung des Verfahrens durch das BAG ziehen?
    Viele Menschen, die in Frankreich als »gilets jaunes« (Gelbwesten) aktiv geworden sind, haben den Abbau des Sozialstaats und die prekären und bedrückenden Lebens- und Arbeitsverhältnisse als Grund für ihre Proteste angeführt, weil die daraus erwachsenden Belastungen für sie unerträglich geworden sind.“ Bericht und Aufruf von Wilma Meier zum Termin am Mo, 17.12. 11.30 Uhr LAG Frankfurt

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Wie geht VW mit Schwerbehinderten um?
VW-Kollege wehrt sich gegen seine zweite krankheitsbedingte Kündigung

Der Kollege war seit 1984 bei VW Baunatal beschäftigt. Seine erste krankheitsbedingte Kündigung erhielt er 2004 – mit Zustimmung des VW-Betriebsrates und des LWV. Er legte Widerspruch gegen die Zustimmung des LWV zur Kündigung ein und reichte eine Kündigungsschutzklage ein. Das Kasseler Arbeitsgericht und dann auch das LAG erklärten die Kündigung für rechtmäßig. Während seiner Arbeitslosigkeit (2004–2009) musste er seine private Altersvorsorge auflösen, um Anspruch auf »Hartz IV« zu erhalten. Mit Unterstützung seines Rechtsanwaltes – die IG Metall hatte ihm zeitweilig die Unterstützung aufgekündigt – klagte er vorm Verwaltungsgericht gegen die Zustimmung des LWV und bekam Recht. Revision wurde nicht zugelassen und die Nichtzulassungsbeschwerde von VW wurde vom Hessischen Verwaltungsgerichtshof abgewiesen. Beide Verwaltungsgerichtsinstanzen deckten eklatante Unwahrheiten im Vortrag des Arbeitgebers auf, und kamen zu dem Schluss, dass der LWV den Vortrag des Arbeitgebers hätte überprüfen müssen, um eine Ermessensentscheidung treffen zu können. Per Restitutionsklage – angestrengt durch den VW-Kollegen – ging der Fall wieder zum LAG: Das Urteil des LAG basierte auf der Zustimmung des LWV. Da das Kasseler Verwaltungsgericht diese Zustimmung aber für unrecht erklärt hatte, musste das LAG sein eigenes Urteil aufheben. Damit war die Kündigung nichtig und VW musste den Kollegen weiter beschäftigen. Seit Mai 2009 arbeitete er wieder bei VW. Natürlich forderte er die tariflichen Leistungen für die fünf Jahre seiner Arbeitslosigkeit ein. Dabei geht es ihm besonders um die Rentenbeiträge. VW findet seine Forderungen unzulässig und weist sie zurück. Einen Teilerfolg konnte er beim LAG im März 2012 erzielen. Beide Parteien sind allerdings in Berufung gegangen. Hierzu steht noch ein Verfahren des Bundesarbeitsgerichts aus.

Das ist in Kürze zusammengefasst die lange Geschichte seines Kampfes gegen mangelnden Gesundheitsschutz und »Mobbing« bei VW. Dem Kollegen geht es – nachdem er über Betriebsrat und mittels offizieller Beschwerde sämtliche internen Möglichkeiten einer friedlichen Einigung mit VW ausgeschöpft hat, –  darum, seinen Fall öffentlich zu machen. Ein exemplarischer Fall wie VW mit Schwerbehinderten umgeht!?

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  • Wir erinnern an: VW Kassel: LabourNet Germany bittet um Informationen – und Unterstützung!
    Vor über einem Jahr gaben wir bekannt, dass die Redaktion des LabourNet Germany einen Kollegen aus dem VW-Werk in Kassel betreut, der sich gegen mangelnden Gesundheitsschutz und Mobbing wehrt, und (leider erfolglos) um Zuschriften über ähnliche Erfahrungen gebeten. Nun gibt es Neues: Nach erfolgloser Beschwerde gemäß der gültigen “BV für Partnerschaftliches Verhalten am Arbeitsplatz” reichte der Kollege nun Klage beim Arbeitsgericht Kassel ein…“ Aufruf vom 31.10.2012
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=46706
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