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Einige der festgenommenen Aktivisten der Solidarität mit den Jasic-Gewerkschaftern wurden von den chinesischen Behörden frei gelassen – die Proteste gehen weiter, bis alle frei sind!

Solidaritätsplakat mit Jasi an der Uni Shenzen am 31.7.2018Einzelne weitere der am 24. verhafteten Arbeiter und Studierenden sind in den letzten Tagen freigelassen und zu ihren Eltern eskortiert worden, viele sind aber noch immer in der Gewalt der Polizei und von vielen fehlt weiterhin jede Nachricht. Einige gefangene Studierende haben aus Verzweiflung und Wut über die Behandlung einen Hungerstreik durch eine Ritze am Toilettenfenster schreiend nach draußen bekannt gegeben. Aber es ist nicht klar, ob tatsächlich ein Hungerstreik begonnen wurde. Es ist nur zu hoffen, dass sich die Lage der Gefangenen rasch verbessert und sich niemand in der Ausweglosigkeit selbst Schaden zufügt. Heute hat Chen Kexin, ein weiterer freigelassener Unterstützer einen Brief veröffentlich. Er ist seit 2015 Bachelorstudent an der Peking Universität und war nach Shenzhen gekommen, um die Jiasic-Arbeiterinen zu unterstützen. In seinem Brief beschreibt er die absurden Situationen aus den improvisierten Haftorten und seine Freilassung“ – aus „Aktuell zu Jiasic“ ein Korrespondentenbericht vom 30. August 2018, der eine Übersetzung (wir danken!) des Briefes von Chen Kexin beinhaltet. Siehe dazu auch einen Kurzbericht von der Protestaktion vor der chinesischen Botschaft in Berlin bei labournet.tv und einen weiteren aktuellen Beitrag, sowie den Hinweis auf unseren bisher letzten Bericht:

Der Brief von Chen Kexin vom 30. August 2018

„In der Aotou Grundschule [offenbar werden sie hier festgehalten] fragen wir einen dicken Polizisten, warum die Polizei uns so gewaltsam verschleppt. Der fängt darauf an zu lachen und entgegnet, „um euch herzuholen, damit ihr gemeinsam beim Aufklären von ein paar Sachen helft.“ Ein wenig später zeigen uns Polizisten in Zivil eine Presentation mit den von der Xinhua Agentur verbreiteten Gerüchten – zu dem Zeitpunkt kannte ich die Absicht des Xinhua-Artikels noch nicht. Gewaltsame Entführung wird hier „klären“ genannt und uns Zeugen wird das Sprechen verboten. Es gibt nur den Vortrag, der die Sache der Arbeiter mit den Worten „Lageaufklärung“ herabwürdigt.

Wer wird da nicht wütend!

In der Kangzi Grundschule befragt mich eine Polizist der Staatspolizei in Zivilkleidung, ich antworte mit einer Gegenfrage, ob er nicht ein Mafiosi sei. Der Polizist in Zivil antwortet ohne skrupel, „klar bin ich das, ich bin gekommen um dich ohne Pause zum Heulen zu bringen!“ Wenn sie keine Uniform tragen, dann haben sie offenbar keine Reue, welchen Unterschied gibt es da noch zwischen der sogenannten Staatspolizei und der Mafia! Dennoch habe ich ihm kurz die Sprache verschlagen „Ich habe nur mit Menschen Mitgefühl, nicht mit solchen niederen Typen wie dir!“ Der machte darauf eine Gesicht wie ein Hund und lachte bitter, „so ist das also“.

Wer wird da nicht wütend!

Wenn ich auf die sogenannten Verhöre warten musste oder auf Toilette gehen wollte, folten mir immer unmittelbar drei Polizisten. Wenn ich mich ausruhte, umringten mich stets sieben oder acht von ihn en und  als ich ein Fenster öffnen wollte, wurde ich auf übelste Art davonabgehalten. Als ich darum bat, die Temperatur der Klimaanlage herunterzuregeln, kam ein Hunde ähnliche Chef auf mich zu gelaufen und rief mir in demselben bösartigen Ton zu, den der Polzeichef der Pingshan Wache gegen Mi Jiuping gebraucht hatte, „Hälst du das hier etwa für dein Zuhause, glaubst du hier passiert alles so, wie du es willst?“.

Wer wird da nicht wütend!“

(Im zweiten Teil des Briefes beschreibt er, wie die Behörden sein ganzes soziales Umfeld unter Druck gesetzt und eingespannt haben)
„Nach vielen Versuchen mussten sie einsehen, dass sie meine Wut nicht so einfach wegwischen können. Die Barschheit von ein paar häßliche Schergen (Mengyus Worte) kann mich nicht erschüttern. Ab dem Mittag des 24.8. kamen meine Eltern, Großeltern mütterlicher und väterlicher Seits, Nachbarn aus meinem Heimatort, dortige Dorfpolizisten und sogar Komilitonen und drei ehemalige Klassenlehrer aus der Mittel- und Oberschule unaufhörlich nach Huizhou zur Polizeiwache, um den Polizisten zu helfen und mich „zum Reden“ zu bringen. Sie haben mir wirklich einen bitteren Gefallen getan. Erst nach 40 Stunden wurde ich schließlich von insgesamt 21 Menschen „nach Hause“ gebracht. Meine Klassenkameraden aus der Mittel und Oberschule und meine Freunde, sie alle wurden vorgeladen und ermahnt, niemand dürfe mir seinen Personalausweis ausborgen. Fast wie ein Gottesdienst!

Die Schlacht geht weiter, wenn auch unfreiwillig. Mir ist klar, was dieses Unternehmen der über 20 „meine Arbeit zu machen“ bedeutet, sie haben sich dem Drück gefügt und nicht aus eigenem Ansporn gehandelt. Aber ich will auch klarstellen, dass die üblen Mächte nicht jedes Problem lösen können, sie können lediglich dem Freunde schaden und dem Feind frohlocken, die Aufrechten hintergehen und die Gerechten verleumden. Meinen Verwandten, Freunden und Dorfgenossinnen gegenüber habe ich meine Argumente bereits dargelegt, in diesem Brief erkläre ich sie noch einmal öffentlich und hoffe, dass ihr sie verstehen und annehmen könnt: Wer euch bedroht und erpresst, das bin nicht ich, sondern das sind die üblen Mächte im Hintergrund, wer diese Erpressungen loswerden will, für den gibt es nur einen Weg: der Gewalt nicht nachgeben und entschlossen kämpfen.“

Quelle (Chinesisch): https://zhichishengyuan01.github.io/kexin/ externer Link

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  • „Protest vor der Chinesischen Botschaft in Berlin“ am 29. August 2018 bei labournet.tv externer Link ist ein Videobericht von der Protestaktion vor der Botschaft der VR China in Berlin am Vortag, in dessen Begleittext es unter anderem heißt: „Am 28. August 2018 haben etwa 30 Menschen vor der Chinesischen Botschaft in Berlin für die Freilassung der 14 Inhaftierten Jasic Arbeiter_innen und der noch festgehaltenen Unterstützer_innen demonstriert. Es wurden Grußbotschaften von Arbeiter_innen der Daimler Fabrik in Sindelfingen und von VW in Hannover vorgelesen. Vorgelesen wurde auch das Gedicht des verhafteten Jasic Arbeiters Mi Jiuping. Die Polizei hatte verlangt, dass er ein Geständnis schreibt. Er schrieb stattdessen dieses Gedicht…
  • „Streikführern droht die Verschleppung“ von Felix Lee am 29. August 2018 in der taz externer Link, worin zusammengefasst wird: „Doch sobald sich Aktivisten vernetzen, es in anderen Landesteilen gar zu Solidaritätskundgebungen kommt, ist es mit der Toleranz rasch vorbei. Mit aller Härte wird dann gegen die AktivistInnen vorgegangen. So auch in diesen Wochen beim Schweißmaschinenhersteller Jasic Technology in der südchinesischen Stadt Shenzhen. Seit anderthalb Monaten kommt es vor den Fabriktoren des Maschinenherstellers zu teilweise heftigen Auseinandersetzungen zwischen ArbeiterInnen und UnterstützerInnen auf der eine Seite und der Unternehmensleitung und Sicherheitskräften auf der anderen. Die Jasic-ArbeiterInnen hatten es gewagt, eine eigene Vertretung zu gründen. Sie sehen ihre Rechte unzureichend vertreten. Das Management feuerte daraufhin sieben von ihnen. Als die Arbeiter Ende Juli erneut gegen die Firmenleitung auf die Straße gingen und die Wiedereinstellung forderten, schlugen Schlägertrupps der Firma mit Hilfe der Polizei den Protest nieder. Laut der in Hongkong ansässigen unabhängigen Arbeiterorganisation Sacom wurden 29 Demonstranten festgenommen. 14 sind bis heute in Haft. In Chinas sozialen Medien sprach sich das brutale Vorgehen der Behörden rasch herum. Sacom zufolge forderten Demonstranten mehrfach vor der lokalen Polizeistation die Freilassung aller Aktivisten. Spätestens das alarmierte die Staatsführung. Am 11. August war die Aktivistin Shen noch auf einem Video zu sehen und hielt eine Rede: „Die Fabrik gibt den Arbeitern keine Gerechtigkeit, die Gesellschaft auch nicht.“ Laut Augenzeugen wurde sie wenig später von drei unbekannten Männern gezwungen in ein Auto zu steigen. Seitdem fehlt von ihr jede Spur
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=136856
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