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Adil Demirci unter schikanösen Haftauflagen freigelassen: Muss in Istanbul bleiben

Dossier

Freiheit für Adil Demirci!Ein Istanbuler Strafgericht hat am Donnerstag angeordnet, den Kölner Sozialarbeiter und Journalisten Adil Demirci unter Sicherheitsauflagen aus der Untersuchungshaft zu entlassen. Er darf jedoch für die Dauer des Prozesses die Provinz Istanbul nicht verlassen und nicht nach Deutschland ausreisen. Demirci, der die deutsche und die türkische Staatsbürgerschaft hat, war am 13. April 2018 in Istanbul festgenommen worden und saß seitdem im Hochsicherheitsgefängnis von Silivri, 80 Kilometer von Istanbul entfernt. Dem 33-Jährigen, der wie Meşale Tolu als freier Journalist für die türkische sozialistische Nachrichtenagentur ETHA arbeitete, wird Mitgliedschaft in einer Terrororganisation vorgeworfen. Die Staatsanwaltschaft legt ihm zur Last, zwischen 2013 und 2015 an Trauerfeiern von Mitgliedern der YPG und der marxistisch-leninistischen MLKP teilgenommen zu haben, die gegen den IS gekämpft hatten. An der zweiten Verhandlung des Prozesses gegen Demirci und 22 weitere Angeklagte nahm neben Angehörigen und Journalist*innen auch eine deutsche Delegation teil. Neben dem deutschen Generalkonsul Michael Reiffenstuel kamen der Kölner SPD-Abgeordnete Rolf Mützenich, der Kölner Linken-Stadtrat Jörg Detjen und der Investigativjournalist Günter Wallraff als Prozessbeobachter in den Istanbuler Justizpalast Çağlayan. Der Vorsitzende Richter regierte gereizt auf den Dolmetscher der deutschen Delegation: „Sind die wieder gekommen? Das gefällt mir überhaupt nicht“, sagte er und forderte den Dolmetscher auf, nicht weiter zu übersetzen…“ – aus der Meldung „Adil Demirci kommt unter Auflage frei“ von ECE KOÇAK am 14. Februar 2019 in der taz.gazete externer Link, worin auch noch die Freilassung eines weiteren Gefangenen aus demselben „Fall“ erwähnt wird… Siehe dazu auch zwei Berichte vom Tag der Solidaritätsaktionen in der BRD und hier zu Adil Demirci:

  • Nach monatelanger Solidaritäts-Kampagne: Adil Demirci durfte endlich aus der Türkei ausreisen New
    Gestern Abend um 20.23 Uhr hatte das Warten endlich ein Ende: Nach 14 Monaten Zwangsaufenthalt in der Türkei konnte unser Kollege Adil Demirci auf dem Flughafen Köln-Bonn endlich wieder seine Familie umarmen. Es flossen viele Tränen der Erleichterung und Freude. „Ich bin natürlich froh, wieder daheim zu sein“, so der IB-Kollege. „Aber ich bin auch traurig, dass ich die letzten Tage nicht mit meiner Mutter verbringen konnte.“ Vergangene Woche war die Mutter von Adil Demirci ihrem Krebsleiden erlegen. Die Türkei hatte im Anschluss überraschend zugestimmt, dass er gegen die Hinterlegung einer Kaution in Höhe von umgerechnet 3000 Euro zu ihrer Beerdigung nach Deutschland ausreisen darf. Die Verstorbene hatte nach Angaben des Bruders von Adil Demirci bestimmt, dass das Gehalt, das der IB ihm weitergezahlt hat, nicht angerührt und für eine mögliche Kaution aufgespart wird. So hat sich jetzt doch und überraschend alles zum Guten gewendet, wenn auch der Tod der Mutter die Freude über das Ende dieses Dramas überschattet.  Der IB dankt dem Freundeskreis Adil Demirci für seinen Einsatz während der vergangenen 14 Monate…“ – aus der Meldung „Tränen der Freude und Erleichterung“ am 18. Juni 2019 beim Internationalen Bund externer Link über die Ankunft Adil Demircis in Bonn. Siehe dazu auch eine weitere Meldung:

    • „Türkische Reisesperre gegen Kölner Adil Demirci aufgehoben“ am 17. Juni 2019 bei Spiegel online externer Link meldete den Vorgang und erinnerte nochmals an die politischen Zusammenhänge: „… Der Kölner war seit Mitte Februar auf freiem Fuß, sein Prozess ging aber weiter, und er durfte Istanbul nicht verlassen. Demircis Fall ist einer der prominentesten verbliebenen Fälle gegen einen Deutschen in der Türkei. Demirci, der die deutsche und die türkische Staatsangehörigkeit hat, war im April 2018 während eines Urlaubs in Istanbul festgenommen worden. Die Staatsanwaltschaft wirft Demirci Mitgliedschaft in der linksextremen Marxistisch-Leninistischen Kommunistischen Partei (MLKP) vor. Die MLKP gilt in der Türkei als Terrororganisation…“
  • Prozess gegen Adil Demirci in Istanbul erst im Oktober 2019 – bis dahin darf er die Stadt nach wie vor nicht verlassen! 
    Im Februar 2019 wurde Adil Demirci aus der U-Haft im Hochsicherheitsgefängnis Silivri entlassen, darf aber für die Dauer des Prozesses weder die Türkei noch die Stadt Istanbul verlassen und muss sich regelmäßig auf einer Polizeiwache melden. Bei einem Gerichtstermin am 30. April lehnte der Richter den Antrag auf Aufhebung der Ausreisesperre ab. Telepolis sprach Anfang Mai mit Demirci. / Wie hat das Gericht die Ablehnung, das Ausreiseverbot aufzuheben, begründet? / Es gab keine richtige Begründung. Selbst der Staatsanwalt war dafür, mindestens das Verbot, Istanbul nicht verlassen zu dürfen, aufzuheben, aber darauf ist der Richter gar nicht eingegangen. Insgesamt sind 23 Personen angeklagt, vier weitere wurden aus der Haft entlassen. Das musste wohl reichen. Die ganze Prozessführung ist katastrophal. / Der nächste Gerichtstermin ist erst am 15. Oktober. Weshalb so eine enorm lange Pause? / Da aktuell keiner der Angeklagten mehr in Untersuchungshaft ist, war schon klar, dass der Prozess erst nach der Sommerpause, also ab September fortgesetzt wird. Aber dass wir nun fast ein halbes Jahr warten müssen, obwohl es keine neuen Beweise gibt, fühlt sich schon so an, als wollte man den Prozess hinauszögern…“ – aus dem Gespräch „Die Solidarität macht mir Hoffnung“  am 15. Mai 2019 bei telepolis externer Link, das Gerrit Wustmann mit Adil Demirci führte
  • „Bericht zur Kundgebung „Freiheit für die JournalistInnen in der Türkei““ am 13. Februar 2019 bei de.indymedia externer Link zur Aktion in Stuttgart: „Am Mittwoch, 13. Februar, haben wir anlässlich des zweiten Prozesstages von Adil Demirci eine Kundgebung auf dem Stuttgarter Rotebühlplatz veranstaltet. Diese war Teil der bundesweiten Solidaritätsaktionen für Adil und alle gefangenen JournalistInnen in der Türkei. An der Kundgebung beteiligten sich bis zu 50 Menschen und in den Redebeiträgen und durch Parolen wurde unsere Solidarität deutlich. Der „Solidaritätskreis für Adil Demirci“ klärte in seinem Grußwort über die Umstände auf, unter denen Adil festgenommen wurde und welche Vorwürfe ihm gemacht werden. Auch Max Zirngast, der ebenfalls in der Türkei inhaftiert war, richtete solidarische Grüße an die Teilnehmerinnen. Der Kreisverband der LINKE ging in ihrem Redebeitrag auf die Rolle Deutschlands ein. Um ihr Bündnis mit der Türkei nicht zu gefährden, gehe die BRD hier gegen die türkische und kurdische Linke vor, wie zum Beispiel gegen den Langen Marsch, der von der Polizei angegriffen und verboten worden ist. Zuletzt verlas die Deutsche JournalistInnen Union eine Solidaritätserklärung mit Adil und allen anderen gefangenen JournalistInnen in der Türkei. Auch machte sie deutlich, dass die gefangenen JournalistInnen auch weiterhin mit unserer Solidarität rechnen können. Ein symbolisches Gefängnis, mit Bildern der Inhaftierten Selahattin Demirtas, Figen Yüksedag, Leyla Güven und weiteren, sowie eine Wandzeitung und Rede machten auf weitere politische Gefangene in der Türkei aufmerksam. Diese sind dort inhaftiert, weil sie einen konkreten Widerstand zu Erdogans Präsidialdiktatur darstellen. Die HDP-Abgeordnete Leyla Güven ist mittlerweile seit knapp 100 Tagen im Todesfasten, um gegen Isolation und Folter in türkischen Knästen zu demonstrieren…“
  • „Solidarität mit Adil Demirci wirkt“ von Gitta Düperthal am 15. Februar 2019 in der jungen welt externer Link aus Frankfurt: „Immer wieder hallte am Vorabend des Prozesses des Kölner Journalisten und Sozialarbeiters in Istanbul der Slogan »Freiheit für Adil, Freiheit für alle politischen Gefangenen« durch die Frankfurter Innenstadt. Nun hat das Gericht in Istanbul am Donnerstag entschieden, Adil Demirci freizulassen. Damit wird er aus der Untersuchungshaft entlassen, muss sich aber in regelmäßigen Abständen bei der Polizei in der Türkei melden und kann nicht in die Bundesrepublik ausreisen. Aktivistinnen und Aktivisten des Solidaritätskomitees »Freiheit für Adil Demirci« hatten bei der Demonstration am Mittwoch abend noch einmal alles gegeben. »Wir sind auf der Straße, um die Freilassung aller inhaftierten Oppositionellen in der Türkei zu verlangen und werden davon nicht ablassen«, rief Sprecher Mesut Duman in Frankfurt am Main ins Mikrophon. Zudem hatten Freunde, Genossinnen, Menschenrechtler in Duisburg, Hamburg, Kiel, Köln, Mannheim, Nürnberg, Stuttgart und Ulm gefordert, dass Adil Demirci nach Deutschland ausreisen kann…“
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=144379
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