Militäreinsätze rund um die Welt: Verlängert, zur Begründung dient auch die Erweiterung des „Sicherheits“begriffs

»Mali« – nur ein Abenteuer bei Youtube? Bundeswehr beginnt mit neuer WerbekampagneMittlerweile sind deutsche Soldaten seit 17 Jahren in Afghanistan stationiert. Zunächst war die Bundeswehr von 2002 bis 2014 im Rahmen von ISAF mit zeitweilig bis zu 4700 Mann präsent. Seit 2015 sind deutsche Militärs im Norden des Landes an der ebenfalls von der NATO geführten sogenannten Ausbildungsmission »Resolute Support« beteiligt. Geht es nach der Bundesregierung, werden sie dort mindestens ein weiteres Jahr bleiben. Am Mittwoch beschloss das Kabinett in Berlin, das Afghanistan-Mandat zu verlängern. Die Ministerrunde war sich zudem darin einig, die deutsche Beteiligung an der NATO-Operation »Sea Guardian« zur Sicherung der Seewege und zur Bekämpfung »terroristischer Aktivitäten« im Mittelmeer sowie an den Missionen der Vereinten Nationen in Sudan und in Südsudan, UNAMID und UNMISS fortzusetzen. Diese Auslandseinsätze der Truppe wurden ebenfalls um ein Jahr verlängert. Personalobergrenzen und Auftrag bleiben jeweils unverändert. Der Bundestag muss dem noch zustimmen…“ – aus dem Bericht „Auslandseinsätze verlängert“ von Jana Frielinghaus am 13. Februar 2019 n neues Deutschland externer Link, was keineswegs nur Afghanistan betrifft. Siehe dazu auch einen Beitrag zur Erweiterung des Sicherheitsbegriffs – eine der Rechtfertigungen von (Dauer) Auslandseinsätzen:

  • „Sozialwissenschaften im Dienste des Militärs“ von Christopher Schwitanski am 08. Februar 2019 bei IMI-Online externer Link (IMI-Analyse 2019/6) zur Erweiterung des Sicherheitsbegriffs unter anderem: „Die Entwicklung der innerhalb der Gesellschaft verhandelten Sicherheitsvorstellungen hat sich ausgehend von einer primär militärischen Perspektive der Territorialverteidigung in der Folgezeit des Westfälischen Friedens hin zu einem gegenwärtig ausgedehnten Sicherheitsverständnis erweitert und Sicherheit ist „[…] zum zentralen Wertbegriff moderner – und postmoderner – Gesellschaften geworden […]“ Daase schlägt in diesem Zusammenhang den Begriff der Sicherheitskultur vor, welcher die Überzeugungen, Werte und Praktiken umfasst, „die das Sicherheits- und Unsicherheitsempfinden von Staaten, Gesellschaften und Individuen bestimmen und die Sicherheitspolitik prägen“, sowie damit einhergehend die Frage, „was als eine Gefahr anzusehen ist und wie und mit welchen Mitteln dieser Gefahr begegnet werden soll“. Während laut Daase in den 1950er und 1960er Jahren noch ein enger Sicherheitsbegriff in Anlehnung an die territoriale Verteidigung in den westlichen Gesellschaften vorherrschte, etablierte sich in den folgenden Jahren zunehmend ein liberales Konzept gesellschaftlicher Sicherheit, an das sich wiederum in den 90er Jahren die Diskussion über menschliche Sicherheit anschloss. Die Vorstellung von menschlicher Sicherheit rückt neben dem Schutz des Individuums vor Krieg und Gewalt weiterhin die Ermöglichung eines Lebens in Freiheit und Würde in den Vordergrund. Durch diese Ausweitung der Sicherheitskonzeption, so folgert Daase, „geraten neue Gefahren für die Sicherheit in den Blick: Kriminalität, soziale Not, Krankheit, Armut, Arbeitslosigkeit, Migration, illegaler Drogen- und Waffenhandel und vieles mehr“ Die Berücksichtigung dieser und weiterer gesellschaftlicher Problemfelder als sicherheitsrelevant wurde zunächst maßgeblich innerhalb der amerikanischen (politiknahen) Politikwissenschaft und den Security Studies vorangetrieben und war folglich eng mit den sicherheitspolitischen Interessen der USA verknüpft. Ein derart ausgeweitetes Sicherheitsverständnis findet sich ab den 1990er Jahren auch in den strategischen Konzepten der Nato, den Verteidigungspolitischen Richtlinien der Bundesregierung und Anfang der 2000er Jahre in der Sicherheitsstrategie der EU. Diese Ausweitung des Sicherheitsbegriffs führt nach Daases Einschätzung „[…] langfristig zu einer Militarisierung neuer Politikbereiche“. Dies geschieht vornehmlich durch die eng mit dem Konzept der Sicherheit verknüpfte Dimension der Bedrohung, welche die Legitimation militärischer Aktionen erleichtert. Mit der Ausweitung des Sicherheitsbegriffs geht zugleich eine Veränderung der Art und Weise einher, wie Gefahr und Unsicherheit verstanden werden. So wurde Unsicherheit während des Kalten Krieges vornehmlich als Bedrohung konzeptualisiert, wohingegen sich nach dem Ende der unmittelbaren Blockkonfrontation die Deutung von Unsicherheit als Risiko durchzusetzen begann. Diese Verschiebung in der Konzeption von Unsicherheit hat wiederum weitreichende Konsequenzen für die Art und Weise, wie mit dieser politisch umgegangen wird. Anstatt auf Gefahren nur zu reagieren, wandelt sich die sicherheitspolitische und militärische Reaktion auf Gefahren von einer reaktiven hin zu einer proaktiv-präventiven Kriegsführung. Die diesbezüglichen Argumentationsmuster finden sich bereits in der US-Sicherheitsstrategie von 2002. Vor diesem Hintergrund lässt sich der Krieg gegen den Terror und insbesondere die Argumentation der US-Administration für den Angriffskrieg gegen den Irak 2003 als ein Beispiel für präventive Kriegsführung lesen. Die Praxis des Tötens mittels Drohnen durch die CIA (welche auf der Argumentation beruht, dass Personen getötet würden um Anschlägen durch selbige vorzubeugen) lässt sich meines Erachtens als die konsequente Fortführung dieses sicherheitspolitischen Präventionsparadigmas verstehen und bildet zugleich eine Extremform der präventiven Kriegsführung…
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