Krieg. Spielen. Bundeswehr-Werbekampagne auf Spiele-Messe in der Kritik

»Mali« – nur ein Abenteuer bei Youtube? Bundeswehr beginnt mit neuer WerbekampagneIn einer Stellungnahme schreibt ein Sprecher der Bundeswehr: „Die Kernfrage, die wir dabei stellen, ist: ,Krieg spielen oder für den Frieden kämpfen?‘ Mit der Plakatierung wollen wir junge Erwachsene im Umfeld der Gamescom zum Nachdenken bringen, wofür sie ihre Zeit bzw. Zukunft einsetzen.“ Im Kontext der Gamescom versagt die von der Bundeswehr noch einmal betonte Wirkmechanik der Kampagne jedoch: Die Plakate stören die Gestaltung der üblichen Videospielwerbeplakate weder, noch unterlaufen sie diese – der vermeintliche Denkanstoß geht im Gedränge unter. Hängenbleiben im Vorbeigehen vier Begriffe: „Multiplayer“, „Open World“, „Karriere“ und „Bundeswehr“. Bei einer auf den ersten Blick – und nur der zählt bei Werbekampagnen – derartigen Eindimensionalität dürfte es den meisten Betrachtern schwerfallen, um die Ecke zu denken. Der Sprecher aus Köln schreibt: „Auf den zweiten Blick erkennt man darin jedoch die Werte der Bundeswehr – Kameradschaft und der Einsatz für eine freie Welt.“ Dass das scheinheilig ist, wird bereits klar, wenn man erklärt, was die Begriffe „Open World“ („offene Welt“) und „Multiplayer“ (Mehrspieler) im Kontext von Videospielen für sich genommen bedeuten: In einem Spiel, das in die Kategorie der „Open-World-Spiele“ fällt, hat der Spieler erhebliche Freiheiten, wie er sich dem Spielgeschehen und den durch die Erzählmechanik vorgegebenen Herausforderungen stellen will. (…) Bei Spielen, die einen „Multiplayer“-Modus bieten, in dem viele Spieler verbunden über das Internet mit- oder gegeneinander antreten, steht nicht zwingend das Töten im Vordergrund. Beim überwiegenden Teil der großen Spieletitel ist es jedoch – oft verknüpft mit einem perfiden Belohnungssystem – unverzichtbarer Bestandteil…“ – aus dem Artikel „Game over“ von Axel Weidemann am 24. August 2018 in der faz online externer Link, worin auch die verschiedenen Versuche der Bundeswehr, die Kritik zu entkräften, Thema sind. Siehe dazu auch einen weiteren Beitrag über die Zielgruppe der Bundeswehr-Werbung:

  • „Hand am Arsch“ von Lee Wiegand am 24. August 2018 in neues deutschland externer Link hebt dazu auch noch eine potenzielle, ihr besonderes nahe stehende Kundschaft der Bundeswehr hervor: „Ähnliche Situationen erleben im Prinzip auch die gecasteten Models an den Ständen der Spieleentwickler in Köln. Sie werden von Agenturen bezahlt, in passenden Outfits Interessierte anzulocken. Sobald die große Masse in der Halle ist, werden auch sie zur Zielscheibe der Täter. Sie drängen sich den jungen Frauen auf, fotografieren sie und grapschen, nur: »Generell ist unsere einzige Regel, höflich zu bleiben. Wir sind angehalten, uns zu wehren, die Verantwortlichen der Agenturen und die Security ist immer in der Nähe, falls wir selbst nicht mit den Typen fertig werden.« Angelica* macht den Job schon seit einiger Zeit, kennt sich aus. Als Model hat man laut ihrer Aussage auf den Messen meistens weniger Probleme als die Frauen, die nicht im Fokus des Sicherheitskonzepts stehen. Man muss auch keine freizügig gekleidete Cosplayerin sein, um auf der Messe in seinem Wohlbefinden bedroht zu sein. Im Internet kursieren sogar Ratgeber, wie man die Gamescom möglichst ohne sexuelle Übergriffe erleben kann. Das alles sind prinzipiell keine Phänomene, die spezifisch für die Gamerszene oder die Gamescom sind, aber der Umgang mit den Problemen, die schon seit Jahren bekannt sind, zeigt doch, wie unwichtig der Branche weibliche Spielerinnen, ja Kundinnen ihres 1,5 Milliarden Euro Marktes (in Deutschland) sind, wenn seit Jahren so wenig für die Verbesserung ihres Wohlbefindens getan wird. Wenn Männer sich ungestraft so verhalten können und Youtuber das Ganze auch noch aufnehmen und dafür noch Sponsorengelder kassieren. Die Szene hat ein strukturelles Problem mit Sexismus und muss dieses endlich angehen, damit die Gamescom nicht nur für weiße cis-Männer ein Ort der Freude ist. Denn es heißt doch: »Vielfalt gewinnt«…
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=136663
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