Der nächste „Tabu-Bruch“? Bundesregierung droht mit Kriegsbeteiligung in Syrien

Schwarzbuch Bundeswehr. Kritisches Handbuch zur Aufrüstung und Einsatzorientierung der BundeswehrEine Zustimmung des Deutschen Bundestages zu etwaigen „Vergeltungsschlägen“ gegen Syrien nach einem angeblichen Giftgaseinsatz wäre völkerrechtswidrig und könnte zu Anklagen gegen Bundestagsabgeordnete vor dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) führen. Dies bestätigt eine aktuelle Stellungnahme der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags. Die Juristen hatten bereits im April konstatiert, dass der amerikanisch-britisch-französische Angriff auf Syrien vom 14. April in der Fachliteratur „einhellig als völkerrechtswidrig bezeichnet“ wird. In ihrem damaligen Sachstandsbericht heißt es: „Der Einsatz militärischer Gewalt gegen einen Staat, um die Verletzung einer internationalen Konvention durch diesen Staat zu ahnden, stellt einen Verstoß gegen das völkerrechtliche Gewaltverbot (Art. 2 Nr. 4 VN-Charta) dar.“ Ein solcher Einsatz der Bundeswehr wird nicht nur im Verteidigungsministerium in Betracht gezogen, sondern auch von führenden Abgeordneten dreier Bundestagsfraktionen befürwortet: von Abgeordneten von CDU/CSU, FDP und Bündnis 90/Die Grünen…“ – so beginnt der Beitrag „Strafbar im Sinne des Völkerrechts“ am 12. September 2018 bei German Foreign Policy externer Link über die – von wem und warum? – jüngst publizierten „Überlegungen“ des Kriegsministeriums über eine Beteiligung in Syrien. Zur neuerlichen Kriegskampagne der BRD drei weitere aktuelle Beiträge – darunter auch ein Propaganda-Beispiel:

  • „Rüsten für alle Fälle“ am 11. September 2018 in neues deutschland externer Link meldet unter anderem dazu: „Seit Wochen wird in Ost wie West über einen möglichen Chemiewaffeneinsatz bei der jetzt gestarteten Offensive gegen die Rebellenhochburg Idlib debattiert. LINKE- und Grünenpolitiker lehnen ebenso wie die SPD-Chefin Andrea Nahles eine deutsche Militäraktion ab. Außenminister Heiko Maas (SPD) reagierte zurückhaltend. Regierungssprecher Steffen Seibert wollte sich nicht an Spekulationen beteiligen. Aus dem Hause von der Leyens war zu hören, es sei eine Selbstverständlichkeit, dass Militärs in Szenarien denken und planen müssten. Das sage aber nichts über deren Wahrscheinlichkeit aus, in jedem Fall müsse ein Einsatz mit dem Parlamentsbeteiligungsgesetz in Einklang stehen…“
  • Hauruckaktion mit Kalkül“ von Jürgen Gottschlich am 11. September 2018 in der taz externer Link (ja, doch – wirklich): „Sollte die Bundeswehr sich an einem Luftangriff auf Syrien beteiligen, falls das Assad-Regime im Kampf um Idlib Chemiewaffen einsetzt? Diese Frage kann man mit einem Wort beantworten: nein. Nein aus mehreren Gründen. Erstens würde ein Luftangriff westlicher Alliierter als Reaktion auf einen Chemiewaffenangriff am Kriegsverlauf in Syrien nichts ändern. Das zeigen die bisherigen Raketen- und Luftangriffe, die Trump, allein oder gemeinsam mit Frankreichs Staatschef Macron durchgeführt hat. Es waren rein symbolische, militärisch sinnlose Aktionen. (…) Die angebliche Anfrage aus Washington, die Bundeswehr möge sich an einem Vergeltungsschlag in Syrien beteiligen, kommt von der Leyen und Teilen der Union zupass, weil es ihnen die Möglichkeit gibt, eine wesentliche Beschränkung für Auslandseinsätze aufzuweichen: den Parlamentsvorbehalt. Der ist den Falken in der Union lästig, weil er ihre Entscheidungsfreiheit, die Bundeswehr nach Belieben einzusetzen, beschränkt. Man müsse in Syrien ganz schnell reagieren, und könne nicht erst im Parlament diskutieren, heißt es jetzt…“ wobei das freilich ein Einwand ist, der bestenfalls prinzipiell gilt – denn konkret war das Parlament bisher nie ein Hindernis gegen Kriegseinsätze…
  • „Was für einen Bundeswehr-Einsatz in Syrien spricht“ von Christoph von Marschall am 11. September 2018 im Tagesspiegel externer Link gibt den Ton der Kampagne für eine Kriegsbeteiligung wieder: „Die USA, Frankreich und Großbritannien haben zwei Mal mit Luftangriffen auf syrische Munitionsdepots und Militärflughäfen reagiert – nicht, um die Machtverhältnisse am Boden entscheidend zu ändern, sondern um das klare Signal zu setzen: Der Einsatz geächteter Waffen wird nicht geduldet und hat Konsequenzen. Das drohen sie auch jetzt an. Und sie haben offenbar die Bundesregierung gefragt, ob sie sich anschließt.  Ein Militäreinsatz ist eine schwerwiegende Entscheidung. Es kann keinen Automatismus geben, dass die Bundeswehr mitmachen muss, selbst wenn enge Verbündete intervenieren und gute Gründe haben. Ebenso wenig darf es freilich einen Automatismus geben, Nein zu sagen, wie die SPD-Vorsitzende Andrea Nahles es tut – oder eine deutsche Sonderrolle zu reklamieren: Wir machen allenfalls die Aufklärungsfotos, bomben müssen andere…“
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=137337
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