Vorwürfe: So überwacht Zalando seine Mitarbeiter – mit dem Personalsystem „Zonar“

Dossier

Arbeitnehmerdatenschutz. Illustration von Tetiana Sarazhynska für das LabourNet Germany - wir danken!Zalando-Mitarbeiter sind angehalten, über das Personalsystem „Zonar“ die Leistung und das Verhalten ihrer Kollegen zu bewerten. Angestellte klagen über enorme Überwachung und infolgedessen über hohen Leistungsdruck und Stress. Zalando hingegen hält das Bewertungssystem für einen Fortschritt. Als sich Marianne Meier damals bei Zalando bewarb, hatte sie auch Schlechtes gehört. „Etwa, dass du da nur weiterkommst, wenn du Chefs Zucker in den Arsch bläst.“ Marianne Meier (Name wie bei anderen Mitarbeitern geändert) dachte, so reden halt ein paar Frustrierte – und heuerte bei Europas größtem Online-Modehändler an. Inzwischen ist die Führungskraft selbst frustriert. Das hat viel mit dem Personalsystem „Zonar“ zu tun: „Egal wie gut dein Feedback ist, der Chef kann es auslegen, wie er will. Mag er dich nicht, ekelt er dich aus der Firma.“ Zonar, das Zalando bei 5000 von 14 000 Beschäftigten einsetzt, erinnert an Kundennoten im Internet. Nur werden hier nicht Produkte bewertet, sondern Menschen. Mit der Software beurteilen Vorgesetzte und Mitarbeiter umfassend die Stärken und Schwächen von Kollegen, zum Beispiel deren Leistung und soziales Verhalten. (…) Zalando erzeuge Überwachung, Leistungsdruck und Stress. Mit Zonar drücke der rasant auf mehr als fünf Milliarden Euro Umsatz gewachsene Konzern Löhne und schaffe ein Klima der Angst. Mitarbeiter, gerade befristete, fürchteten um ihren Arbeitsplatz. Solche Personalsysteme könnten sich in der ganzen Berufswelt verbreiten, heißt es in der Studie für die gewerkschaftsnahe Böckler-Stiftung. (…) Aktuell nominieren Mitarbeiter zweimal jährlich bis zu acht Angestellte, die sie beurteilen. Wobei Führungskräfte die Auswahl mitbestimmen. Im Prinzip werde jeder angehalten, permanent Aufzeichnungen zum Verhalten der Kollegen anzufertigen, so die Forscher…“ Artikel von Alexander Hagelüken und Michael Kläsgen vom 19. November 2019 bei der Süddeutschen Zeitung online externer Link – siehe dazu die Studie und Stellungnahme von ver.di:

  • Ausforscher im Visier. Zalando: Berliner Datenschutzbehörde untersucht Überwachungspraktiken des Onlinehändlers New
    „… Dabei geht es unter anderem um »360-Grad-Feedback-Systeme«. Bei Zalando wurde eines namens »Zonar« eingesetzt, und wie die Süddeutsche Zeitung am Freitag berichtete, firmiert es heute nur unter einem anderen Namen, wird aber weiterhin verwendet. Mit »Zonar« wurden Stärken und Schwächen bei 5.000 Beschäftigten beurteilt, von Vorgesetzten und Kollegen. Erfasst wurden unter anderem deren Leistungsfähigkeit und soziales Verhalten. In einer von der Hans-Böckler-Stiftung in Auftrag gegebenen Studie vom März 2020 erklärten Beschäftigte, der Konzern drücke mit diesem System die Löhne und schaffe ein Klima der Angst; vor allem befristet Beschäftigte fürchteten um ihren Arbeitsplatz. Die Forscher bewerteten es »als ein sozio-technisches System zur Herstellung und Legitimierung betrieblicher Ungleichheit«. Dass der Einsatz von »Zonar« für die Beschäftigten problematisch sein kann, bestätigten die Berliner Datenschützer in ihrem Bericht: Die Folge könne ein permanenter Überwachungsdruck und Stress sein, der sich aus der Sorge um das berufliche Weiterkommen ergibt. »Eine beschäftigte Person muss im Zweifel nicht nur bei Begegnungen mit der Chefin oder dem Chef jederzeit damit rechnen, dass ihr Verhalten das nächste Zeugnis beeinflusst, sondern auch bei jeder Begegnung mit einer anderen Person des Unternehmens, da auch diese Begegnungen Auswirkungen auf die nächste Beurteilung und damit auch auf das weitere Berufsleben haben können«, heißt es in dem Bericht. Dennoch sehen die Datenschützer keinen grundsätzlichen Einwand gegen die Nutzung solcher Überwachungssysteme – wenn »datenschutzrechtliche Vorgaben eingehalten werden«. Am Arbeitsplatz dürfe beispielsweise kein dauerhafter Überwachungsdruck entstehen, und den Betroffenen müsse ein Auskunftsrecht zugestanden werden. Im konkreten Fall von Zalando bedeutet das: Beschäftigte werden nicht mehr von acht Personen beurteilt, sondern nur noch von drei. Sie können aussuchen, von wem sie bewertet werden sollen, und gegen unliebsame Personen können sie ein Veto einlegen. Die Bewertungen dürfen auch nicht mehr auf unbestimmte Zeit gespeichert werden. Ausgenommen davon ist das Endergebnis, das wie ein reguläres Arbeitszeugnis in die Personalakte aufgenommen werden darf. Historische Randnotiz: Das sogenannte 360-Grad-Feedback hat seinen Ursprung in der deutschen Wehrmacht. Damals hieß es »Rundgespräch« und wurde seit 1930 genutzt, um Offiziersanwärter auszuwählen. Seit Jahrzehnten gehört es auch zum Alltag in Unternehmen und Betrieben. Allerdings diente es dazu, Vorgesetzten ein umfassendes Bild von anderen Führungskräften geben zu können. Grundbausteine dieser Methode sind Urteile von Vorgesetzten und Kollegen über eine Person sowie deren Selbsteinschätzung. Neu ist jetzt hingegen, dass dieses Bewertungssystem auf die gesamte Belegschaft ausgedehnt wird…“ Artikel von Bernd Müller in der jungen Welt vom 10. April 2021 externer Link
  • Zalando – Drangsale und Fortschritte in Sachen Personalführung 
    Im November letzten Jahres führt der Online-Versandhändler Zalando die betriebsinterne Bewertungsplattform „Zonar“ ein. Mit der neuen Technik ist jeder Mitarbeiter oben wie unten aufgefordert, sich und seine Kollegen positiv wie negativ zu bewerten, und wird mit dem Feedback der anderen versorgt. Auf Basis der Eingaben erstellt ein Algorithmus individuelle „Beschäftigten-Scores“, die Zalando  dazu nutzt, „Mitarbeitergespräche zu strukturieren, Beförderungen zu verteilen und gruppenspezifische Lohnsteigerungen zu gewähren bzw. zu versagen.“ (Pressemitteilung der Hans-Böckler-Stiftung, 20.11.19) Die Öffentlichkeit klagt das Vorzeigeunternehmen der deutschen Digitalwirtschaft daraufhin an, in die deutsche Arbeitswelt Methoden totalitärer Überwachung chinesischer Sozialkontrolle  einzuführen, die Mitarbeiter zu Denunzianten zu erniedrigen und ein Klima allseitigen Misstrauens zu stiften, mit dem die Mitarbeiter sich wechselseitig unter Druck setzen und gesetzt werden. (…) An den Logistikstandorten sorgt Zalando zwar einerseits sehr traditionell mit anspruchsvollen Leistungsvorgaben, wie viele Pakete pro Stunde von jedem Mitarbeiter zu bearbeiten sind, grundsätzlich schon für eine unternehmensfreundliche Arbeitsdichte. Mit den nachzählbaren Stückzahlen am Ende des Arbeitstages ist die Sache aber noch lange nicht erledigt. Damit die Beschäftigten im optimierten Rhythmus der ausgehenden Bestellungen und eingehenden Lieferungen und Retouren auf Hochtouren funktionieren, sind sie mit  „mobilen Datenspeichern“ ausgestattet, die vollautomatisch eingehende Bestellungen und Lieferungen mit dem nächsten Mitarbeiter zusammenschalten, damit die Laufwege verkürzt, die Arbeitszeit pro Stück vermindert und jede Standzeit außerhalb der Pausen vermieden wird. Mit dem Gerät wird obendrein das Pensum  jedes Einzelnen in jedem Arbeitsschritt genauestens erfasst, gemessen, protokolliert, verglichen und bewertet. Das liefert die unbestechliche Basis für die mit gutem Grund allseits gefürchteten „Mitarbeitergespräche“, zu denen die Beschäftigten im Vierwochentakt, nach krankheitsbedingter Ausfallzeit oder bei sonstigem „Bedarf“  von ihren Vorgesetzten herbeizitiert werden, um die Leistungsbereitschaft wachzuhalten. In den Büros der Firmenzentrale steht das Unternehmen mit seinem Anspruch auf geldwerte Leistung seiner Belegschaft allerdings vor ganz eigenen Herausforderungen. Der umfassende Aufgabenkatalog marktwirtschaftlicher Planung für sichere Erfolge in der Konkurrenz, der in den Abteilungen für Personal- und Buchführung, Kundenpflege und Liquiditätsmanagement abgewickelt wird, ist bei allen Fortschritten der Technik einfach nicht in derselben Weise in den vorgegebenen Takt maschineller, womöglich algorithmengesteuerter Arbeitsabläufe einzuspannen oder in nachzählbaren Stückzahlen zu bemessen wie in der Logistik. Die Aufsicht über die frist- wie pflichtgemäße Erledigung der täglich anfallenden Aufgaben – Engagement und Arbeitsmoral, Pünktlichkeit und Höflichkeit gegenüber Mitarbeitern, Vorgesetzten und Kunden – ist von daher so dringlich wie der Sache nach  kompliziert. Die Arbeit der Angestellten in den Büros wird also bei allen technischen Fortschritten, die es auch auf diesem Feld heutzutage gibt, im Wesentlichen ganz antiquiert von den je übergeordneten Abteilungen in der Lohnhierarchie kontrolliert…“ Artikel aus GegenStandpunkt – Politische Vierteljahreszeitschrift – 2/2020 vom 19.06.2020 in der Reihe „Die deutsche Sozialpartnerschaft heute“ – wir danken! (Siehe die Homepage externer Link)
  • Inside Zalando – Überwachung oder Industriestandard? / Verdi kritisiert Leistungserfassung bei Zalando 
    • Inside Zalando – Überwachung oder Industriestandard? So kontrolliert der Online-Händler die Mitarbeiter in seinen Logistikzentren
      Zalando erfasst und wertet Leistungsdaten und Standzeiten der Mitarbeiter in den eigenen Logistikzentren aus. In monatlichen Feedbackgesprächen urteilen Vorgesetzte über die präzise erfassten Leistungsdaten der Mitarbeiter. Nach einer Krankheit werden außerdem „Welcome-Back-Gespräche“ mit den Angestellten geführt. Wissenschaftler und Gewerkschafter sehen darin „digitale Kontrollinstrumente“, die einzig darauf ausgerichtet sind, die Leistung der Mitarbeiter an die Spitze zu treiben. Zalando findet, dass es dabei lediglich dem Industriestandard folgt. (…) Die Mitarbeiter nutzen bei der Arbeit sogenannte MDs (Mobile Datenspeicher). Geräte, mit denen sie Artikel, die von Kunden bestellt worden sind, registrieren, diese also „picken“. Das System auf den MDs findet über einen Algorithmus heraus, welcher Mitarbeiter am nahesten dran ist an einem nachgefragten Artikel – und erteilt ihm den „Pick-Auftrag“. Das spart Lauf- und Arbeitszeit. Hochgerechnet auf die rund 3.200 Mitarbeiter im Lager ist das eine enorme Effizienzsteigerung, die Zalando viel Geld spart. Ein Segen, den Zalando der Digitalisierung zu verdanken hat. Das System weiß aber nicht nur, wann sich welcher Mitarbeiter wo befindet und wie viele Pakete er abarbeitet. Es weiß auch, wann er nicht arbeitet: Die Standzeiten werden über das System ebenso erfasst wie die Menge und Schnelligkeit seiner Picks. Sind die Mitarbeiter einmal im Logistikzentrum, können sie dem System nichts mehr vormachen: Ihre Arbeit wird komplett durchleuchtet. Und meist alle vier Wochen in Feedbackgesprächen von ihren Vorgesetzten beurteilt. Business Insider bekam vor Wochen einen Hinweis auf diese neue Arbeitswelt in den Logistikzentren von Deutschlands größter E-Commerce-Plattform und wollte herausfinden, wie diese Arbeitswelt aussieht und wie die Mitarbeiter damit zurechtkommen. Dafür hat Business Insider wochenlang recherchiert und mit zahlreichen Angestellten aus unterschiedlichen Zalando-Logistikzentren gesprochen. Keiner von ihnen möchte namentlich genannt werden…“ Artikel von Philip Kaleta vom 14.5.2020 beim Business Insider online externer Link
    • Verdi kritisiert Leistungserfassung bei Zalando
      “Der Onlinemodehändler Zalando überwacht die Leistung der Beschäftigten seiner Logistikzentren genau. (…) Die Gewerkschaft Verdi kritisierte darin den wachsenden Druck auf die Beschäftigten. »Kolleginnen und Kollegen fühlen sich nur noch fremdbestimmt und gefangen«, sagte Verdi-Versandhandelsexperte Orhan Akmann am Donnerstag. Betroffen sind Beschäftigte, die in den Logistikzentren Artikel aus den Regalen holen oder sie dort einbuchen. Gesteuert wird das vom Warenwirtschaftssystem Zalos, das auch leistungsbezogene Informationen enthält. »Ein Beispiel ist die Zahl der bearbeiteten Artikel pro Stunde«, hieß es einer Zalando-Stellungnahme. Verdi kritisiert die digitalen Systeme bei Zalando aber schon länger, darunter die Software Zonar, mit der sich Beschäftigte in der Verwaltung gegenseitig bewerten. Verdi kritisierte überdies Gespräche, die Vorgesetzte monatlich und nach Krankheiten mit den betroffenen Mitarbeiten führten. Dies erzeuge zusätzlichen Druck. Zalando behauptet, solche Gespräche »dienen der Unterstützung sowie Wertschätzung der Mitarbeiter.«“ dpa-Meldung in der jungen Welt vom 14.05.2020 externer Link
  • Studie untersucht Software bei Zalando – ver.di kritisiert System permanenter digitaler Leistungskontrollen und Ratings
    “Als „übergriffig, arbeitnehmerfeindlich und datenschutzrechtlich höchst problematisch“ kritisiert Stefanie Nutzenberger, Mitglied im Bundesvorstand der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di), die Überwachungs- und Ratingsoftware „Zonar“, die beim Versandhändler Zalando an einem Bürostandort in Berlin mit rund 2.000 Beschäftigten zum Einsatz kommt. Zum ersten Mal haben Wissenschaftler im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung die Software und ihre Auswirkungen umfassender untersuchen können. Das ist umso aufschlussreicher als Zalando, wie auch Amazon, immer wieder wortreich mit Transparenz werben, faktisch aber kaum Einblicke in ihre neuen Formen der Arbeitssteuerung und -kontrolle zulassen. „Wir erleben bereits seit längerer Zeit, dass Unternehmen wie Amazon und Zalando neue Formen der digital gestützten Leistungskontrolle vorantreiben, die für die Beschäftigten in mehr Überwachung und damit Druck und Arbeitshetze münden. Die aktuelle Studie zu Zalando zeigt nun eindringlich, wie weit durch Algorithmen gesteuerte Kontrollen in den Alltag eingreifen und wie arbeitnehmerfeindlich sie sind: Sie sind intransparent, setzen die Beschäftigten in permanente Konkurrenz zueinander, missachten den Datenschutz und dienen dem Unternehmen als billige Ausrede, warum man keine Tarifverträge abschließen will. Stattdessen definiert Zalando völlig willkürlich, wer von den wenigen angeblichen ‚top performern‘ eine Lohnerhöhung erhält. Für den Rest gibt es Lohnstagnation. Unternehmen wie Zalando und Amazon müssen endlich begreifen, dass Beschäftigte Rechte haben, die sie respektieren müssen. Dazu gehört das Recht auf einen Tarifvertrag und Tariflöhne, auf humane Arbeitsbedingungen und den Schutz von privaten, sensiblen Daten“, so Nutzenberger. Auch Politik und Öffentlichkeit seien dazu aufgefordert, auf diese neue Qualität von digitaler Überwachung zu reagieren. Denn, so Nutzenberger: „Die Unternehmen versuchen, mehr und mehr den Schutz der Beschäftigten auszuhöhlen und sind damit Vorreiter für einen neuen Trend in der digitalen Arbeitswelt.“ ver.di ruft die Beschäftigten von Zalando dazu auf, sich gemeinsam in der Gewerkschaft zu organisieren.“ ver.di-Pressemittteilung vom 20.11.2019 externer Link, siehe dazu:

    • Beschäftigte schreien nicht vor Glück
      Die Digitalisierung bietet Unternehmen nie gekannte Möglichkeiten der Kontrolle. Der längst auch verfilmte Bestseller „The Circle“ des amerikanischen Schriftstellers Dave Eggers hat schon 2013 ein Zukunftsszenario entworfen, in dem ein großer Konzern die Überwachung seiner Beschäftigten über die Arbeit hinaus bis ins letzte Detail der Persönlichkeit betreibt. Ein reales Beispiel für eine Technik mit hohem Druckpotenzial ist laut einer neuen Untersuchung Zonar, eine Software, die der Online-Versandhändler Zalando seit dreieinhalb Jahren nutzt, um seine Mitarbeiter*innen zu bewerten. Wie genau diese Technologie funktioniert und wie sie sich auf die Beschäftigten auswirkt, haben Wissenschaftler der Humboldt-Universität zu Berlin in einer von der Hans-Böckler-Stiftung geförderten Studie untersucht. Ihr Befund: Zonar stehe für ein „sehr umfassendes, quasi panoptisches System der Leistungskontrolle“. Das Betriebsklima leide, der Stress nehme zu, mussten die Wissenschaftler auf Basis von Interviews mit Beschäftigten feststellen. Vor allem: Es bestünden Zweifel, ob der Datenschutz eingehalten wird. Zudem scheine der Einsatz dieser Software nicht einmal aus betriebswirtschaftlicher Sicht besonders sinnvoll zu sein. Als „übergriffig, arbeitnehmerfeindlich und datenschutzrechtlich höchst problematisch“ kritisiert Stefanie Nutzenberger, Mitglied im ver.di-Bundesvorstand die Überwachungs- und Ratingsoftware…“ Themen-Beitrag bei ver.di externer Link (ohne Datum)
  • Forschung: Wenn Beschäftigte ähnlich wie Käufe im online-Shopping gerankt werden – Neue Studie untersucht Software bei Zalando
    “Die Digitalisierung bietet Arbeitgebern nie gekannte Möglichkeiten der Kontrolle. Ein Beispiel für eine Technik mit hohem Druckpotenzial ist laut einer neuen Untersuchung Zonar – eine Software, die der Online-Versandhändler Zalando seit dreieinhalb Jahren nutzt, um Mitarbeiter zu bewerten. Wie genau diese Technologie funktioniert und wie sie sich auf die Beschäftigten auswirkt, haben Prof. Dr Philipp Staab und Sascha-Christopher Geschke von der Humboldt-Universität zu Berlin in einer von der Hans-Böckler-Stiftung geförderten Studie untersucht. Ihr Befund: Zonar stehe für ein „sehr umfassendes, quasi panoptisches System der Leistungskontrolle“. Das Betriebsklima leide, der Stress nehme zu, konstatieren die Wissenschaftler auf Basis von Interviews mit Beschäftigten. Es bestünden Zweifel, ob der Datenschutz eingehalten wird. Zudem scheine der Einsatz dieser Software nicht einmal aus betriebswirtschaftlicher Sicht besonders sinnvoll zu sein. (…) Zonar orientiert sich nach Analyse der Forscher weitgehend am Vorbild von Bewertungsportalen im Internet. In diesem Fall sind es jedoch nicht wie üblich Kunden, die ein Produkt bewerten, sondern die Beschäftigten selbst, die sich gegenseitig evaluieren. Die Beurteilungen erfolgten abteilungsübergreifend und teilweise über Hierarchieebenen hinweg, allerdings werden im Regelfall vor allem Kollegen aus dem alltäglichen Arbeitsumfeld bewertet. (…) Auf Basis der gesammelten Informationen erstellt laut der Studie ein Algorithmus individuelle Beschäftigten-Scores, die wiederum der Einteilung der Belegschaft in drei Gruppen dienten: Low-, Good- und Top- Performer. Diese Rangliste nutze das Unternehmen, um Mitarbeitergespräche zu strukturieren, Beförderungen zu verteilen und gruppenspezifische Lohnsteigerungen zu gewähren beziehungsweise zu versagen, berichten die Soziologen. Der gesamte Bewertungsprozess vollziehe sich über einen Zeitraum von mehreren Monaten, bevor er wieder von neuem losgeht. (…) Für problematisch halten die Wissenschaftler auch die Methodik, nach der die Bewertungen zustande kommen und Daten erhoben werden. Dadurch, dass ein Teil der abgegebenen Feedbacks negativ sein müsse, werde notwendigerweise ein Bild erzeugt, das zum Nachteil der Angestellten ausgelegt werden könne. Zudem sehen die Wissenschaftler Indizien, dass das System darauf ausgelegt sei, die Anzahl der Top-Performer systematisch gering zu halten. In einigen Abteilungen würden nach Kenntnis der Forscher lediglich zwei bis drei Prozent der Beschäftigten als Top-Performer eingestuft. Doch nur als solcher qualifiziere man sich für Lohnerhöhungen. Die Masse der Good-Performer erhalte dagegen lediglich einen jährlichen Inflationsausgleich, was nichts anderes sei als Lohnstagnation. „Zonar ist darauf angelegt, eine spezifische Struktur sozialer Ungleichheit innerhalb der Belegschaft herzustellen, die dann das Entgeltgefüge im Unternehmen strukturiert“, schreiben Staab und Geschke…“ Pressemitteilung der Hans Böckler Stiftung vom 20.11.2019 externer Link zur Studie externer Link : RATINGS ALS ARBEITSPOLITISCHES KONFLIKTFELD. Das Beispiel Zalando. HBS-Studie von Philipp Staab und Sascha-Christopher Geschke vom September 2019
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=157563
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