Angst vor Terrorismus: Daimler will Mitarbeiter durchleuchten – alle drei Monate

SchnüfflerDaimler stellt seine Mitarbeiter unter Generalverdacht: Nach SPIEGEL-Informationen will der Konzern ihre Daten regelmäßig mit Terrorlisten der EU und den USA abgleichen. Ausgenommen ist nur eine Gruppe – die leitenden Angestellten. Der Daimler-Konzern will nach Informationen des SPIEGEL künftig alle drei Monate seine rund 280.000 Mitarbeiter durchleuchten. Laut einer Konzernbetriebsvereinbarung vom 12. November 2014 darf das Unternehmen „zur Terrorismusbekämpfung“ seit dem 1. Dezember Name, Anschrift und Geburtsdatum sämtlicher Beschäftigter mit den Daten auf entsprechenden Sanktionslisten der Europäischen Union und der USA abgleichen – und die Listen sechs Jahre lang aufbewahren…“ Vorabartikel im Spiegel online vom 04.01.2015 externer Link. Aus dem Text: „… Sollte ein Daimler-Mitarbeiter auf den Sanktionslisten auftauchen, ist dieser laut Betriebsvereinbarung „freizustellen, das Entgelt wird nicht ausbezahlt, und alle weiteren Leistungen sind zurückzuhalten“. Zudem sollen, „soweit erforderlich“, die „zuständigen Behörden“ informiert werden. (…) Auch der Konzernbetriebsrat hat mit der Durchleuchtung der Mitarbeiter offenbar kein Problem. Dessen Vorsitzender Jörg Spies sieht in dem Programm sogar „einen Leuchtturm zum Schutz der Beschäftigten„…“ Siehe dazu:

  • Durchleuchteter Arbeiter
    Artikel von Werner Rügemer in der jungen Welt am 28.01.2015 externer Link. Aus dem Text: „Der Arbeitsrechtler Wolfgang Däubler stellt fest: Auf den Listen handelt es sich »durchweg um Personen, gegen die kein konkreter Verdacht der Unterstützung terroristischer Gruppen besteht, da dann eine Straftat verwirklicht wäre, die die vorgesehenen Sanktionen überflüssig machen würde.« Die EU hat also auf Druck der USA einen neuen Kündigungsgrund geschaffen: geheimdienstlich vorgegebener, unbegründeter Verdacht auf Terrorismus. Bisher bezogen sich die Unternehmen in Deutschland bei den Antiterrorüberprüfungen auf die beiden EU-Verordnungen. Freilich ist zu vermuten, dass die Namenslisten weitgehend von NSA und CIA stammen. Neu an der Konzernvereinbarung von Daimler ist allerdings, dass sie auch »zwingende Gesetze« aus den USA einbezieht, wie mir Daimler-Sprecherin Ute Wüest von Vellberg mitteilte. Sie konnte aber auf Nachfrage keines dieser US-Gesetze benennen. Ähnlich ahnungslos gibt sich die BDA. Eva Barlage-Melber, Referentin der dortigen Abteilung Arbeits- und Tarifrecht, hat zwar von der Einbeziehung der US-Gesetze »gehört«, wie sie mir mitteilt, erklärt aber: »Dazu kann ich Ihnen nichts sagen, wir haben nur das EU-Recht im Fokus.« Sie verweist weiter auf den BDA-Leitfaden von 2014, in dem nur von EU-Verordnungen die Rede sei. Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) teilt mit: »Die US-amerikanischen Vorschriften zur Ausgestaltung von Maßnahmen zur Terrorismusbekämpfung sind mir nicht bekannt.« Das Bundeskanzleramt spielte die drei Affen: Wir hören nichts, wie wissen nichts, wir antworten nicht…“

  • Kampf gegen Terrorismus: Daimler-Betriebsrat begrüßt Überprüfungen
    Der Betriebsratsvorsitzende des Bremer Mercedes-Werks, Michael Peters, begrüßt die Betriebsvereinbarung des Unternehmens zur Terrorismusbekämpfung. Peters sagte zu Radio Bremen, damit werde klar geregelt, wie die Daten der Beschäftigten mit der internationalen Anti-Terror-Datei abgeglichen werden. Nach der neuen Vereinbarung werde dies künftig alle drei Monate geschehen…“ Artikel vom 5. Januar 2015 bei radio Bremen online externer Link
  • Anmerkung von Roland Schäfer auf  den Artikel „Daimler-Konzern: Überwachung aller 280.000 Beschäftigten “zur Terrorismusbekämpfung” auf Druck aus den USA?“ von „dieDatenschützer Rhein Main“ am 05.01.2015  externer Link
    „1- Auf einer solchen Terrorliste landet man schnell. Ist man dort unberechtigter Weise, ist es fast unmöglich wieder gestrichen zu werden. Jedweder Rechtsschutz geht entweder ins Leere oder er dauert Jahre.
    2- Zunächst ist anzumerken, dass diejenigen Terrorlisten, die auf europäischer Seite gepflegt werden, kraft zwingender europäischer Regelungen von Unternehmen berücksichtigt werden müssen. Insofern hat der (Konzern-) Betriebsrat auf der deutschen Seite keine Mitsprachemöglichkeiten.
    3- Zu Fragen bleibt aber, ob wirklich alle 280.000 Beschäftigten diesem Abgleich unterworfen werden müssen. Genügt es nicht, dass diejenigen Mitarbeiter, die international reisen bzw. unmittelbar in den Außenhandel involviert sind. Betroffen wären dann vielleicht nur 2.800 Beschäftigte.
    4- Deutsche und Europäische Bürger unterliegen nicht US-Amerikanischem Recht. Die besagte Betriebsvereinbarung schließt aber gerade auch US-Terrorlisten mit ein. Eine in vorauseilendem Gehorsam Unterwerfung der US-Regelungen und -Behördenentscheidungen durch diese Betriebsvereinbarung ist nicht nachzuvollziehen.
    5- Zuweilen sind US-Behörden höchst voreilig und fahrlässig darin, jemanden auf diese Liste zu setzen. Der Rechtsschutz deutscher und europäischer Bürger ist insofern *immer* ausgeschlossen. Dennoch soll nach der Betriebsvereinbarung der Beschäftigte sein Gehalt und mittelfristig wohl auch seine Arbeit und Existenzgrundlage verlieren.
    Der Spiegel Artikel lässt offen, ob die Betriebsvereinbarung wenigstens auf deutscher Seite einen Arbeitsrechtsschutz offen lässt und die “Terrorvermutung” widerlegbar ist – es ist aber zu besorgen, dass hieran nicht gedacht wurde. Würde man diese Betriebsvereinbarung wieder “in die Tonne hauen” könnte das Unternehmen immer noch die europäischen Terrorlisten abgleichen und müsste mit dem Betriebsrat nur den tatsächlich betroffenen Personenkreis unter den Beschäftigten regeln. Jede darüber hinaus gehende Regelung erscheint unverhältnismäßig und rechts- und verfassungswidrig.“
  • Daimler und das Terrorscreening
    Da momentan sich sowohl die Presse als auch einige Piraten geradezu reflexartig darüber echauffieren, dass bei Daimler nun eine Betriebsvereinbarung zum Terrorscreening der Mitarbeiter abgeschlossen wurde, möchte ich die Debatte hier ein wenig mit Fakten unterfüttern.
    Vorweg: Staatliche Terrorlisten sind meiner Ansicht nach in erster Linie Ausdruck einer zur Schau gestellten Hilflosigkeit einer Regierung gegenüber Terrorismus. Im besten Fall funktionieren sie einfach nicht. Im schlimmsten Fall müssen Bürger wegen zufälliger Namensgleichheiten oder Fehlern auf der Liste die Hölle auf Erden durchmachen. Ich selbst bin Betriebsratsvorsitzender in einem Unternehmen mit etwa 1000 Mitarbeitern und habe mich mit der Thematik des betrieblichen Terrorscreenings notgedrungen schon beschäftigt.
    Notwendigkeit: Im Grunde haben Unternehmen gar keine andere Wahl als das Terrorscreening durchzuführen. Die rechtlichen Hintergründen sind in diesem Text recht gut dargestellt. Das Terrorscreening geht auf eine EU-Verordnung von 2001 zurück. Die Terrorlisten sind öffentlich. Viele Firmen haben schon länger von Hand gescreent.
    Warum wird das aber jetzt plötzlich Thema für viele Betriebsräte? Weil es mittlerweile Softwarelösungen wie Zerberus von der Firma Diehl gibt, die automatisch die Mitarbeiterdatenbanken im Unternehmen gegen die Terrorlisten abgleichen. Beim automatisiertem Verarbeiten von Mitarbeiterdaten ist laut Betriebsverfassungsgesetz aber der Betriebsrat mit hinzuzuziehen. Deshalb werden jetzt gerade überall Betriebsvereinbarungen dazu abgeschlossen…“ Beitrag von André Martens vom 5.1.2015 in seinem Blog externer Link
  • Betriebsrat stellt Angestellte unter Terrorverdacht
    Manchmal braucht es gar keine Anzeige. Oder gar Verurteilung. Wenn der Terror-Scan anschlägt, können Beschäftigte ohne Gehalt freigestellt werden. Nein, das ist keine Utopie, das ist das Jahr 2015. Die Chefetage von Daimler hat verkündet, seine 280.000 Angestellten alle drei Monate ab sofort einem Terror-Screening zu unterziehen. Die Namen der Angestellten und Bewerber sollen routinemäßig mit den Terrorlisten aus der EU und den USA abgeglichen werden. Die Listen sollen bis zu sechs Jahre aufbewahrt werden dürfen. Das Ganze geht auf eine Konzernbetriebsvereinbarung zurück was bedeutet: Der Betriebsrat und damit die Gewerkschaft hat diesem unfassbaren Übergriff zugestimmt…“ Beitrag vom 5. January 2015 von Katharina Nocun im ihrem Blog externer Link
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=72593
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