Digitale Privatsphäre: Datensammelwut gefährdet die Demokratie

Überwachung„… George Orwells dystopischer Roman „1984“, 1948 verfasst und kürzlich wieder in den Bestsellerlisten, war als Warnung gedacht. Doch anscheinend wurde er als Gebrauchsanleitung benutzt: Google weiß, was wir denken, Amazons Kindle Reader, was wir lesen; Youtube und die Spielkonsole wissen, was wir sehen; Siri und Alexa lauschen unseren Gesprächen; Apple und IBM vermessen unsere Gesundheit; der Roboterstaubsauger meldet die Maße unserer Wohnung; der Smart-TV beobachtet uns beim Fernsehen; Suchmaschinen, Apps, Cookies und Browsererweiterungen werten unsere Internetaktivitäten aus. Und unser Auto ist ein Datenkrake. Facebook lenkt unsere Aufmerksamkeit, beeinflusst unsere Gefühle, Entscheidungen und Verhalten. Crystal Knows legt uns auf die Psycho-Couch und verrät jedem unser Persönlichkeitsprofil. Acxiom verkauft Informationen zu Zuckerkranken für ein paar Cent, und Axon Global Cyber – Lieblingspartner von Homeland Security – liest auf 64 000 Social-Media-Plattformen mit. Whatsapp und Twitter sind nur zwei davon. Und Facebook speichert, welche Pornos einer sieht. Das alles ist schon Realität. Im Überwachungskapitalismus werden wir selber zum Produkt. Unsere Geheimdienste haben nun tausendfach so viele Informationen, wie totalitäre Staaten sie früher brauchten. Jeden Tag werden viele Terabytes von Daten über Milliarden Menschen verarbeitet, über jeden von uns Megabytes gespeichert. Die Daten werden in lernfähige Algorithmen gespeist, die ein digitales Double von uns erzeugen, das sich ähnlich verhält wie wir. Damit kann man testen, welche Informationen uns zum Kauf bestimmter Produkte verleiten, zum Download eines Computervirus, oder zum Hass auf Flüchtlinge oder andere Religionen. (…) Deshalb muss jetzt die Basis einer digitalen Vertrauensgesellschaft gelegt werden. Das setzt einen einfachen Zugang zu allen Daten, Metadaten und erzeugten Profilen über uns voraus sowie eine technische Umsetzung der informationellen Selbstbestimmung. Noch entwickelt sich die Demokratie marktkonform und die Wirtschaft technologiegetrieben. Stattdessen sollte die Wirtschaft so gestaltet werden, dass sie allen Menschen dient, und Technologie sollte das Mittel sein, dies zu erreichen. Eine bessere Zukunft ist denkbar. Doch sie muss eingefordert werden. Damit kann jeder sofort beginnen.“ Gastbeitrag von Dirk Helbing vom 25. März 2018 bei der Süddeutschen Zeitung online externer Link

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