Die Täter, die zu Opfern wurden – und die Aufregung der Fake-Maschinen: Das “Prominenten“-Datenleak als Konsequenz einer Geschäftsidee

[Buch] Gläserne Belegschaften. Das Handbuch zum BeschäftigtendatenschutzNun sind sie also bekannt, die verschiedensten Daten einer ganzen Reihe von Entscheidungsträgern und Entscheidungsträgerinnen der Republik. Die Aufregung ist groß, die Aufgeblasenheit größer und die geistigen Höhenflüge eines Bild-Chefs schlagen alle Minusrekorde. Die wesentliche Frage wäre diese: Welche und welcher der Betroffenen hat eigentlich kritisch zur Leitlinie des Datenmissbrauchs Stellung genommen? Also zur Kampfansage: „Daten sind das Öl des 21. Jahrhunderts“? Wir wollen in diesem Zusammenhang – großzügigerweise – darauf verzichten, Herrschaften, die solches Gedankengut verbreiten, vorzurechnen, was das Öl des 19. und 20. Jahrhunderts so alles bewirkt hat. Aber, wer das „Geschäftsmodell Datensammeln“ (und verkaufen, versteht sich) vertritt, soll ruhig sein und still bleiben, wenn auch seine Daten gehandelt werden können – sie werden es ohnehin und er oder sie haben es ja auch so gewollt – zumindest bei anderen (weil wir LabourNet Germany sind: etwa zum Beispiel bei Hartz IV-Verfolgten). Und wenn jetzt billig Opposition versucht wird, indem einem Innenminister, der mehr einem Wiedergänger (neudeutsch: „Zombie“) als einem aktiven Politiker ähnelt, Versäumnisse vorgeworfen werden und nach mehr Kontrolle gerufen – dann ist das ja unter anderem auch eine Verteidigungslinie für das Spionage-Geschäftsmodell, das nicht in den Mittelpunkt der Kritik gestellt wird, wo es hingehört, sondern bestenfalls gestreift. Die Sicherheitsbehörde beim Innenministerium muss: Gar nichts. Außer darauf warten, wenn das politische Ende dieses Facebook-Kapitalismus beschlossen wird, dies dann umzusetzen. Politische Entscheidungen müssten Daten schützen, statt selbst zu sammeln oder zum Verkauf zu bringen. Einen Bild-Chefredakteur, der das Angebot seines Zentralorkans des plumpen Nationalismus um schwurbelige Verschwörungstheorien erweitert, braucht es dafür so sehr, wie sein Blatt. Siehe zum keineswegs skandalösen Datenleak einige aktuelle Beiträge zu umgesetzten Geschäftsmodellen, erwünschten Hackern und künstlich aufgeregten (Mit)Tätern:

„IT-Blogger Fefe zum Datenleak-Skandal: “Aus meiner Sicht ist die Politik nicht Opfer, sondern Täter”“ am 08. Januar 2019 bei meedia.de externer Link ist ein Email-Interview der Redaktion mit Felix von Leitner, in dem dieser unter anderem auf die Frage „In Deinem Blog hast Du geschrieben, dass Du es gar nicht interessant findest, wo die via Twitter veröffentlichten Daten herkommen und was der oder die Täter damit bewirken wollen. Warum nicht? antwortet: „Weil das eine Suggestivfrage ist. Sie tut so, als sei das mysteriös. Sie suggeriert, sichere Datenhaltung sei grundsätzlich ein gelöstes Problem und jetzt hätte es einen Fehler gegeben. Wenn wir den gefunden haben, ist wieder alles gut. Das Gegenteil ist der Fall. Jede Ebene des Problems ist entweder ungelöst oder wird aktiv in die falsche Richtung optimiert. Wir haben das falsche Ziel vorgegeben, wir erheben sinnlos Daten, wir speichern sie unsicher in der Cloud, und unsere Software ist auch unsicher. Aber auch das greift noch zu kurz. Es sind nicht Fehler in der Umsetzung, es sind Fehler in der Zielsetzung! Die Politik verkündet seit Jahren Slogans wie „Daten sind das Öl des 21. Jahrhunderts“ — trotz Datenschutz und Privatsphäre und obwohl das Bundesverfassungsgericht ihnen aus Mangel ans Respekt vor der Intimsphäre der Menschen ein Gesetz nach dem anderen zerreißen musste. Welches Signal setzt denn das? „Sammelt weniger Daten“? Wohl kaum! Wenn die Daten nicht gesammelt worden wären, hätten sie nicht wegkommen können…

„Verbesserte Abwehr geplant“ am 07. Januar 2019 in der taz externer Link ist eine exemplarische dpa-Meldung, in der das Geschäftsmodell Datenhandel nicht einmal angesprochen wird, dafür aber über neue „Sicherheitsmaßnahmen“ und Gesetze und Vorschriften und…spekuliert wird: „Unter dem Eindruck hundertfachen Datendiebstahls hat das Bundesinnenministerium Verbesserungen in der Abwehr entsprechender Attacken angekündigt. Das Cyber-Abwehrzentrum, das im konkreten Fall die Ermittlungen führe, werde verbessert, „ein Cyber-Abwehrzentrum plus“ werde in den nächsten Monaten konkret ins Werk gesetzt, sagte der parlamentarische Staatssekretär Stephan Mayer (CSU) am Montag am Rande der Jahrestagung des Beamtenbundes dbb in Köln. Das Cyber-Abwehrzentrum ist Teil der Cyber-Sicherheitsstrategie der Regierung und soll die operative Zusammenarbeit der Behörden optimieren sowie Schutz- und Abwehrmaßnahmen koordinieren. Das Innenressort werde in den nächsten Monaten zudem einen Entwurf für ein zweites IT-Sicherheitsgesetz vorlegen, so Mayer weiter…“

„Mobilmachung für den Cyberwar“ von Peter Nowak am 05. Januar 2019 bei telepolis externer Link hebt zu den Reaktionen hervor: „Das Hochjubeln von Assange vor zehn Jahren und das Schweigen zu seiner jetzigen Situation sind auch ein Zeichen, wie aus großen Teilen derer, die Hacking und Leaking entweder offen verteidigten oder zumindest die Parole „Hacking und Leaking sind kein Verbrechen“ unterschrieben haben, heute die Bundesregierung im Cyberwar unterstützen. Der digitalpolitische Sprecher der SPD, Jens Zimmermann, hat im Deutschlandfunkinterview schon die Richtung vorgegeben. Angriffe auf die Privatsphäre von Mitgliedern von Verfassungsorganen sollen schärfer sanktioniert werden. Dagegen sollte eine kritische Öffentlichkeit die Teilnahme am Cyberkrieg wie an allen staatlichen Mobilmachungen konsequent verweigern. Sie sollte an der Parole „Hacking und Leaking sind kein Verbrechen“ festhalten. Nicht die Privatsphäre von Verfassungsorganen und ihren Mitgliedern, sondern etwa von Hartz IV-Empfängern sollte ihr primäres Anliegen sein. Die müssen alle ihre Daten bei den Behörden abgeben und für sie gilt auch kein Bankgeheimnis. Wenn Politiker und Promis soviel Transparenz zu zeigen bereit sind, wie es Einkommensarme bei den Behörden unfreiwillig müssen, kann auch über deren Datenschutz geredet werden. Die nun öffentlichen Daten könnten ja auch von Journalisten darauf überprüft werden, was davon von öffentlichem Belang sein könnte…

„Alles außer AfD: Was wir über das große Datenleck wissen“ von Markus Reuter am 04. Januar 2019 bei netzpolitik.org externer Link (auf den wir bereits in einem anderen thematischen Zusammenhang verlinkt hatten) zur konkreten Sachlage, Datensicherheit betreffend: „Jetzt wird davon gesprochen, dass die „Urheber das Vertrauen in unsere Demokratie und ihre Institutionen beschädigen“ wollten, wie es Justizministerin Katarina Barley ausdrückte. Dabei ist die Politik auch selbst gefragt, um den Datenschutz zu stärken. Es braucht mehr Geld für die digitale Kompetenzvermittlung, mehr Stellen in den Datenschutzbehörden und eine politische Stärkung des Prinzips „Privacy by Default“. Die große Koalition betreibt durch die Einführung von Staatstrojanern selbst die Offenhaltung von Sicherheitslücken und blockiert bei der E-Privacy-Verordnung eine Stärkung von Verbraucherrechten. Politik muss endlich begreifen, dass Datenschutz kein Hemmnis ist, sondern im Gegensatz dazu Werkzeuge der digitalen Selbstverteidigung, einfach zu nutzende Open-Source-Verschlüsselungen, Passwortmanager und ähnliche Privacy-Tools fördern…

„Hacken auf Staatskosten“ von Matthias Monroy am 10. Januar 2019 in der jungen welt externer Link zu Hackern, die im Auftrag handeln: „Die Europäische Union will die Mitgliedsstaaten bei der Überwachung von Telekommunikation unterstützen. Ermittler sollen auf private Rechner oder Mobiltelefone eindringen können, um dort eine Software zum Mitlesen verschlüsselter Nachrichten zu installieren. Das bestätigte das Bundesinnenministerium Ende Dezember auf eine Frage des Bundestagsabgeordneten Andrej Hunko (Die Linke). Im Mittelpunkt steht die Polizeiagentur Europol, die mit dem Aufbau einer »Entschlüsselungsplattform« beauftragt ist. Trojaner werden mithilfe manipulierter Dateianhänge in digitale Geräte geschleust. So können Nachrichten vor dem Versand oder nach dem Öffnen mitgelesen werden. Dies funktioniert beispielsweise bei verschlüsselten E-Mails, Messengerdiensten wie Whats-App, Telegram und Signal oder auch bei Videotelefonaten mit Skype. Die von Polizei oder Geheimdiensten begehrten Daten werden per Screenshot oder als Textdatei übertragen, ohne dass die Besitzer es bemerken. In Deutschland wird zwischen großen und kleinen Trojanern unterschieden. Eine »Quellen-Telekommunikationsüberwachung« (»Quellen-TKÜ«) darf nur bestimmte Programme mitlesen, während die viel seltener eingesetzte »Onlinedurchsuchung« auf den kompletten Rechner zugreift…“

„What would Marx have said about Facebook and Cambridge Analytica?“ von Christian Fuchs am 20. November 2018 im Opendemocracy.Net externer Link ist ein Beitrag, der sich – aus Anlass des vorvorvorletzten Datenskandals – mit dem größten aller Datenhändler befasst. Und dabei unter vielem anderen darauf verweist, dass Facebook mit diesem Datenhandel im Jahr 2017 immerhin 15,9 Milliarden US-Dollar Gewinn eingestrichen hat. Wie Öl eben…

„»SPD kann mich nicht mehr enttäuschen«“ am 11. Januar 2019 in der jungen welt externer Link ist ein Gespräch von Markus Bernhardt mit Felix Oekentorp unter anderem auch zum Thema „Prominenten-Leak“ im Vergleich zur Alltags-Totalüberwachung (im Rahmen der Debatte um neue Polizeigesetze, hier in NRW mit Zustimmung der SPD): „Wirklich enttäuschen kann mich die SPD schon lange nicht mehr, denn dafür wäre eine Erwartungshaltung notwendig. Warum die Partei ohne Not, also ohne einen Koalitionszwang mit der in NRW regierenden CDU, aus der Opposition heraus zugestimmt hat, erschließt sich mir allerdings nicht. Die nach der neuen Gesetzeslage möglichen Eingriffe in die Datenhoheit der Bürgerinnen und Bürger sind ja alles andere als harmlos. Und ein gewisses Bedürfnis nach solcher Sicherheit scheint bei den Abgeordneten, deren Daten Anfang des Jahres von einem Hacker veröffentlicht wurden, ja noch zu existieren. Die sozialdemokratische Justizministerin Katarina Barley spricht von einem schwerwiegenden Angriff auf das Recht auf Privatsphäre und beklagt, dass die Urheber das Vertrauen in unsere Demokratie und ihre Institutionen beschädigen. Dabei meint sie jedoch nicht die neuen Polizeigesetze, sondern den Angriff auf ihre Daten. Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Günter Krings von der CDU, versprach: »Wir werden alles daransetzen, den Urheber dieses üblen Angriffs auf die Persönlichkeitsrechte von so vielen Bürgern dingfest zu machen.« Er könnte mal im Protokoll der NRW-Landtagssitzung nach Urhebern solcher Angriffe suchen…

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=142541
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