Das Web als Spiegel und Bühne: Selbstdarstellung im Internet – und eine mögliche Totalüberwachung des Individuums?

Kommentierte Presseschau von Volker Bahl vom 18.8.2013

Was treibt Menschen an, sich selbst im Internet darzustellen und ihr Privat- und Innenleben zu offenbaren? Was verbirgt sich hinter dieser digitalen Veröffentlichung des Privaten, die nicht nur kritische Stimmen einen gläsernen Menschen im Sinne Orwells ausrufen lässt? Schlimmer noch: Die Preisgabe von Daten, welche die Person betreffen, geschieht offenbar freiwillig oder in der Verheißung auf bessere Informationen, Produkte und Freunde. Werden wir in diesen Fällen Zeugen einer gefährlichen Erosion der Grenzlinie zwischen dem Privaten und Öffentlichen? (wissenschaftlich aufbereitet von Sarah Mönkeberg – siehe noch die allgemeinen Schlussfolgerungen gegen Schluss = „Datenschutz und der Social Media-Mensch“..)
(http://www.bpb.de/apuz/157546/das-web-als-spiegel-und-buehne-selbstdarstellung-im-internet externer Link)

Dieser wissenschaftliche Überblick wurde noch „freischwebend“ intellektuell vorgebracht, als wir von der ganzen „Snowden-Affäre“ noch unberührt waren, die den „Drang“ von Staaten unter dem Terror-Verfolgungswahn mit dem Programm Prism offenbarte, der jede rechtliche (Datenschutz) oder gar grundrechtliche Position (Grundrecht auf informationelle Sebstbestimmung) einfach unterspülte. (Vgl. „Hilflos ausgeliefert der „Weltherrschaft“ der Spitzel“: https://www.labournet.de/interventionen/grundrechte/kommunikationsfreiheit/datenschutz/hilflos-ausgeliefert-der-weltherrschaft-der-spitzel/ oder „Orwell 2.0 – Die Totale Überwachung ist längst Realität“: www.nachdenkseiten.de/?p=17827 externer Link zusammen mit www.nachdenkseiten.de/?p=17731#h03 externer Link, www.nachdenkseiten.de/?p=17823#h01 externer Link (Gauck), www.nachdenkseiten.de/?p=17836#h01 externer Link)

Konfrontiert mit einem „Bürger“ ohne „Selbst“bewußtsein

Gegenüber einem „Bürger“, der vor allem die eigene „Selbstdarstellung“ für sich als „Programm“ sieht, erscheint dann eine Kanzlerin, die es hervorragend „beherrscht“ alles zur – auch persönlichen – Bedeutungslosigkeit „herunterzuspielen“ als angemessene politische Bezugsperson: „Ach ja, und Deutschland ist kein Überwachungsstaat“ (siehe dazu „Angela Merkels Ästhetik des Entzugs“ – Kleiner Versuch über das Regietheater der Kanzlerin – „und sie macht es so geschickt, dass der Zuschauer die Inszenierung gar nicht bemerkt“: http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/politischesfeuilleton/2211023/ externer Link oder www.nachdenkseiten.de/?p=18291#h12 externer Link). Warum sollte er es auch bemerken, der doch selbst im Internet permanent bemüht ist, seine Rolle im günstigen Lichte darzustellen – gibt ihm für diese Aufgabe die Kanzlerin nicht sogar ein gutes „Vorbild“ für diese Performance.

Besteht unter diesen „Vorzeichen“ der Internet-Performance nicht geradezu die Notwendigkeit, dass „wir alle“ einfach zu fast optimalen Mitarbeitern der alles umfassenden Kontrolle werden: Mitarbeiter, die wir sind (http://www.fr-online.de/kultur/ueberwachung-mitarbeiter–die-wir-sind,1472786,23965474.html externer Link)

Immer das Signal sendend: Wir sind doch alle o.k.!

Und so wird die „Masse“ eben in der Anpassung das vollkommene Gegenstück zu Georg Schramm, der sich als den allgegenwärtigen ängstlichen kleinen Mann (und auch Sozialdemokraten?) inszeniert, der gerade bemüht ist gegen seine Ängstlichkeit zu arbeiten, um sie dann (siehe Stuttgart 21) auch „kollektiv“ durchbrechen zu können. (http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=tz&dig=2013%2F08%2F17%2Fa0047&cHash=50586f48108e427dc7aebb39a06ce4a7 externer Link)

Aber wenn wir das nicht tun, werden wir es „willenlos“ akzeptieren, dass der allgegenwärtige Verdacht uns alle trifft (http://www.fr-online.de/datenschutz/daten-ueberwachung-der-verdacht-trifft-uns-alle,1472644,23977212.html externer Link).

Der Staat, der ja „möglichst“ nach diesen neoliberalen Vorstellungen zum „Verschwinden gebracht werden soll, wird so – hinter dem Rücken – auch noch zur Agentur von Wirtschaftsinteressen, die immer totaler „herrschen“ (http://www.fr-online.de/meinung/leitartikel-doppeltes-staatsversagen,1472602,23847604.html externer Link).

Ein doppeltes Staatsversagen!

Aber dieses Staatsversagen gegenüber der allseitigen Überwachung wird nicht zum Problem eines Bürgers mit dem Verlangen, dass alle Überwachung ans Licht der Öffentlichkeit gehört, solange dieser Bürger – wie es der Datenschutzbeauftragte Peter Schaar, eine Institution aus vergangenen Tagen, wo das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung durch das Bundesverfassungsgericht erst geschaffen wurde, noch fordert, gar nicht für sich reklamieren will (http://www.fr-online.de/datenschutz/peter-schaar-ueber-snowden–ueberwachung-oeffentlich-machen–,1472644,23887404.html externer Link).

Und so geraten wir – nach der Bezeichnung eines früheren Whistleblowers Daniel Ellsberg, der auch in anderen Zeiten und anderen Bedingungen „offenbaren“ konnte, weil er Teil einer Bewegung – der damaligen Antikriegsbewegung gegen den Vietnamkrieg der USA war – in die Gefahr einer „Vereinigten Stasi von Amerika“ (https://www.labournet.de/?p=40177).

Datenschutz und der „Social-Media-Mensch“ mit seiner allein selbstbezüglichen „Begierde“ zur Selbstdarstellung zur Identitätsfindung als vorrangiges und dauerndes soziales Problem, um noch etwas Anerkennung zu finden? Vielleicht stellt dieser oben schon eingeführte „neue Internet-Mensch“ nun ganz neue Anforderungen an diese Bedrohung? Deshalb wollen wir uns ihm doch noch einmal diesem etwas weitergehend widmen, um nicht einfach bei dem Tenor stehen bleiben zu „müssen“: Mei, war das früher doch noch eine klare Sache mit dem Datenschutzbewußtsein – während es jetzt unter den Bedingungen der sogenannten Sozialen Medien einfach verloren gegangen ist? Deshalb greifen wir doch noch einmal auf diese eingangs zitierte Studie zurück: „Identität hat wohl immer schon – aber nur als Problem – existiert, aber diese Dinge waren eben früher unproblematisch – und brauchten nicht eigens thematisiert werden.

Aber: Identität ist in der Moderne nicht mehr qua Geburt an einen sozialen Status gehaftet; vielmehr ist Identitätsbildung für Menschen zu einer laufenden Aufgabe geworden. (m.E. muss gerade der Staat umso mehr den Einzelnen bei dieser Aufgabe schützen!), bei der sie darauf angewiesen sind, von anderen als jemand bestimmtes anerkannt zu werden. Solche Formen der Anerkennung können institutionell geregelt werden und sind es über weite Strecken auch gewesen; zum Beispiel in Form institutionell verankerter und damit typischer Muster der Lebensführung, die einem den Weg über Schule, Ausbildung, Beruf, Familiengründung und Eigenheim weisen.

Unsere gegenwärtige Gesellschaft….. kann vor allem auch als in Prozessen institutioneller Abflachung und Neujustierung begriffen werden. Über den Weg aus der „normalen Arbeit“ wird die normale Biografie – und damit auch Identität – verabschiedet.

Die oder der Einzelne hat sich immer wieder auf Neues einzulassen… Muss er dabei auch jegliche „Zivilcourage“ auf der Strecke hinter sich lassen?

In der wechselseitigen Offenbarung findet sich heute die Möglichkeit, sich seiner selbst zu versichern und Maßstäbe von richtig und falsch und dessen, was wünschenswert ist aushandeln zu können….

Unter dem Aspekt der Vergewisserung der eigenen Identität erweist sich die Darstellung und Besprechung des Selbst im Web dann aber weniger als Zeichen eines Schwindens der Grenzlinie zwischen dem Privaten und Öffentlichen (oder jedenfalls doch nicht so einfach – aber man kann mit diesen Menschen, was gesellschftliche Verantwortung u.ä. angeht eben gar nicht „rechnen“ – und was bedeutet das wiederum für eine Gesellschaft: siehe das Phänomen Merkel als nur noch Phänomen des Unsicheren – und eben als „Mutter Blamage“? – vgl. „Die zwei Gesichter der Angela Merkel“: http://www.fr-online.de/politik/bundeskanzlerin-merkel-die-zwei-gesichter-der-angela-m-,1472596,21927736.html externer Link oder auch noch www.nachdenkseiten.de/?p=16450 externer Link) oder vielmehr als Ausdruck eines doch recht alten Problems – wenn man nur lange genug hinschaut. (?)

P.S.: Das dürfte jedoch genau erst zur Frage werden, wenn Identitätsbildung vor allem unter dem „Zwang“ wirtschaftlicher Verwertung stattfindet? (Verabschiedung der „normalen Arbeit“ – laufende Zunahme des Prekariats! – siehe dazu auch noch einmal oben unseren Georg Schramm noch)(vgl. dazu auch „Noch kein „Jenseits des Neoliberalismus“: https://www.labournet.de/politik/eu-politik/eu-verfassung/noch-kein-jenseits-des-neoliberalismus-keine-bundestagswahl-fur-eine-anderung-der-eurokrisenpolitik/ oder www.nachdenkseiten.de/?p=18171#h12 externer Link)

Wer also sind diese Bürger für Merkel?

Jedenfalls erscheint es nicht ohne Bedeutung, nicht nur das Politpersonal allein und isoliert zu betrachten, sondern auch die „heranwachsende“ Gemeinde der Bürger im Internet-Zeitalter.

Anmerkung: Schon wenn man sich auf der Strasse bewegt, erlebt man eine Generation, die permanent mit dem Blick auf das Smartphon sich in seinen jeweiligen virtuellen „Bezügen“ bewegt – ängstlich fixiert schon fast „authistisch“ und dabei kann schon fast nichts Anderes – also die aktuelle „andere“ Umwelt – mehr wahrgenommen werden.

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=42571
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