Änderung des Straßenverkehrsgesetzes: Diesel-Skandal wird zu Überwachungs-Skandal

Dossier

Aktion am Ostersamstag (26.3.16): Datenschützer nehmen illegale Videoüberwachungskameras der Europäischen Zentralbank (EZB) vorübergehend außer BetriebDigitalcourage warnt akut vor dem Neunten Gesetz zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und fordert den sofortigen Abbruch des Gesetzgebungsverfahrens, weil es sich um ein Gesetz zur massenhaften Überwachung aller Autofahrerinnen und Autofahrer in Deutschland handelt. Die Bevölkerung in diesem Land hat nach Ansicht von Digitalcourage das Recht, autofahren zu können, ohne ins Gesicht gefilmt zu werden. Aus diesem Grund muss für das im Entwurf angegebene Problem eine andere Lösung gefunden werden. Digitalcourage bewertet diesen Entwurf als politisch, sozial und juristisch unverantwortlich und die vorgeschlagene Lösung für nicht rettbar. Digitalcourage bewertet die Pläne des Verkehrsministeriums als klar unverhältnismäßig, freiheitsfeindlich und verfassungswidrig. (…) „Es ist unsäglich, dass die Politik die Autokonzerne nicht zu einer technischen Nachrüstlösung verpflichtet, dafür für symbolische Fahrverbote eine Überwachungsinfrastruktur für alle Leute aufbauen will, die in die Innenstadt fahren“, sagt Rena Tangens, Gründungsvorstand von Digitalcourage. (…) „Aus unserer Sicht ist dieser Entwurf kein Verkehrs- oder Umweltgesetz, sondern ein reines Überwachungsgesetz“, sagt Friedemann Ebelt von Digitalcourage…“ Pressemitteilung von Digitalcourage vom 15. November 2018 externer Link, zu Details siehe dieses Dossier (siehe auch: Kennzeichenerfassung? Es geht auch ohne Änderung des Straßenverkehrsgesetzes):

  • Diesel-Überwachung: GroKo will Nummernschilder weiterhin scannen  New
    „… Die Große Koalition hat den Gesetzentwurf zur Überwachung von Diesel-Fahrverboten leicht entschärft. Die Überwachung der Autofahrer soll nun mit mobilen und nicht mit stationären Kennzeichen-Erfassungsgeräten erfolgen. Dies berichtet heise.de unter Berufung auf eine Änderung im aktuellen Gesetzenwurf. Mit der Korrektur will Schwarz-Rot laut heise.de unterstreichen, dass „keine umfassende automatisierte Datenverarbeitung“ erfolgen solle. Es gehe allein um „stichprobenartige“ Kontrollen. Das Wort „Überwachung“ von Fahrverboten habe die Koalition dementsprechend aus dem Entwurf gestrichen, sie spreche nur noch von einer „Überprüfung der Einhaltung“ entsprechender Vorgaben, heißt es weiter im Artikel. Die Daten sollten zudem spätestens nach 14 Tagen gelöscht werden, auch bei Verstößen. Ursprünglich war eine Speicherung von sechs Monaten geplant. (…) Die Änderung im Gesetzentwurf führt dennoch zu einer Ausweitung der Nutzung von Kennzeichenerfassungsgeräten. Dabei gibt es eine grundrechts- und datenschutzfreundliche Alternative: die Einführung einer blauen Plakette und die Überprüfung dieser mit Schwerpunkt- und Stichprobenkontrollen…“ Beitrag von Markus Reuter vom 12. März 2019 bei Netzpolitik externer Link
  • BVerfG: Autofahrer-Überwachung in Bayern, Hessen und Baden-Württemberg teilweise illegal / HU: „Ein großer Sieg für die Bürgerrechte!“
    Gegenwind für automatisierte Nummernschild-Scanner: Das Bundesverfassungsgericht hält den Einsatz der Geräte in drei Bundesländern für teilweise rechtswidrig. Nummernschilder zu erfassen und mit Fahndungslisten abzugleichen sei ein Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. (…) Die jetzt ergangenen Beschlüsse sind unabhängig von der Diskussion um die Einführung von Kennzeichenscannern zur Überprüfung von Dieselfahrverboten, könnten sich aber auf diese auswirken. (…) Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sorgt für erheblichen Widerstand bei Opposition, Datenschützern und Automobilclubs. Als datenschutzfreundliche Variante schlagen diese eine blaue Plakette vor sowie Stichproben- und Schwerpunktkontrollen an den betreffenden Straßenabschnitten.“ Beitrag von Markus Reuter vom 05.02.2019 bei Netzpolitik externer Link und das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes externer Link sowie dessen PM:

    • Bundesverfassungsgericht: Automatisierte Kraftfahrzeugkennzeichenkontrollen nach dem Bayerischen Polizeiaufgabengesetz in Teilen verfassungswidrig
      „Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts die automatisierte Kraftfahrzeugkennzeichenkontrolle nach dem Bayerischen Polizeiaufgabengesetz als Verstoß gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung in Teilen für verfassungswidrig erklärt. In solchen Kontrollen liegen Grundrechtseingriffe gegenüber allen Personen, deren Kraftfahrzeugkennzeichen erfasst und abgeglichen werden, unabhängig davon, ob die Kontrolle zu einem Treffer führt (Änderung der Rechtsprechung). Diese Eingriffe sind nur teilweise gerechtfertigt. Hinsichtlich der angegriffenen Vorschriften steht dem Freistaat Bayern überwiegend die Gesetzgebungskompetenz zu. Die Regelung von Kennzeichenkontrollen, die als Mittel der Gefahrenabwehr ausgestaltet sind, liegt bei den Ländern, auch wenn sie im Ergebnis zugleich der Strafverfolgung nutzen, für die der Bund eine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz hat. Kompetenzwidrig sind die bayerischen Regelungen jedoch, soweit sie Kennzeichenkontrollen unmittelbar zum Grenzschutz erlauben. Kennzeichenkontrollen bedürfen nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit grundsätzlich eines hinreichend gewichtigen Anlasses. Dem genügen die Vorschriften nicht, soweit die Kontrollen nicht auf den Schutz von Rechtsgütern von zumindest erheblichem Gewicht beschränkt sind und als Mittel der Schleierfahndung keinen hinreichend bestimmten Grenzbezug aufweisen. Soweit sie automatisierte Kennzeichenkontrollen zur Unterstützung von polizeilichen Kontrollstellen erlauben, ist das nicht zu beanstanden, weil die Einrichtung solcher Kontrollstellen bei verständiger Auslegung eine konkrete Gefahr und damit selbst einen rechtfertigenden Anlass voraussetzt. Die Vorschriften zum Abgleich der erfassten Kennzeichen müssen verfassungskonform einschränkend so ausgelegt werden, dass jeweils nur die Fahndungsbestände zum Abgleich herangezogen werden dürfen, die zur Abwehr der Gefahr geeignet sind, die Anlass der jeweiligen Kennzeichenkontrolle ist. Im Übrigen fehlt es den Regelungen an einer Pflicht zur Dokumentation der Entscheidungsgrundlagen. Der Senat hat die verfassungswidrigen Vorschriften größtenteils übergangsweise für weiter anwendbar erklärt, längstens jedoch bis zum 31. Dezember 2019…“ BVerfG-Pressemitteilung Nr. 8/2019 vom 5. Februar 2019 zu Beschluss 1 BvR 142/15 vom 18. Dezember 2018 externer Link
    • Mit ähnlicher Begründung erklärte das BVerfG mit den Beschlüssen 1 BvR 2795/09 und 1 BvR 3187/10 vom 18. Dezember 2018 in der BVerfG-Pressemitteilung Nr. 9/2019 vom 5. Januar 2019 externer Link auch die Baden-württembergische und hessische Regelungen zur automatisierten Kraftfahrzeugkennzeichenkontrolle in Teilen für verfassungswidrig
    • Bundesverfassungsgerichtsurteil zur Kfz-Kennzeichenkontrolle: Ein großer Sieg für die Bürgerrechte!
      „… Der Freiburger Rechtsanwalt Dr. Udo Kauß, der die Beschwerdeführer aus Bayern und Baden-Württemberg mit Unterstützung der Humanistischen Union vertritt, erklärt hierzu: „Mit den Urteilen des Bundesverfassungsgerichts werden der pauschalen und anlasslosen Kontrolle des öffentlichen Raumes durch die Polizei enge Bandagen angezogen. Das Bundesverfassungsgericht hat unter ausdrücklicher Aufgabe früherer Auffassungen allein schon im Tatbestand der elektronischen Video-Kontrolle einen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gesehen. Vor allem hat das Bundesverfassungsgericht der anlasslosen Kontrolle eine Absage erteilt und die Zulässigkeit solcher Massenkontrollen vom Vorliegen einer konkreten Gefahrensituation abhängig gemacht. Auch dürfen nicht mehr pauschal polizeiliche Dateien für den Abgleich mit den eine Kontrollstelle passierenden Fahrzeugen eingesetzt werden. Das Bundesverfassungsgericht hat damit den Phantasien einer rundherum und ohne konkreten Anlass permanent überwachten Gesellschaft einen Riegel vorgeschoben. Ein großer Sieg für Bürgerrechte!“…“ Pressemitteilung der HU vom 5.02.19 externer Link
  • Kennzeichenerfassung: „Massenüberwachung unter dem Deckmantel des Umweltschutzes“ 
    „… Die Kritik an der geplanten automatisierten Kennzeichenerfassung zur Kontrolle der Diesel-Fahrverbote ebbt nicht ab. Am Donnerstag debattierte der Bundestag in erster Lesung den Gesetzentwurf von Verkehrsminister Andreas Scheuer. „Unter dem Deckmantel des Umweltschutzes wollen Sie eine neue Technologie zur Massenüberwachung in den Verkehr bringen“, kritisierte Ingrid Remmer von der Linkspartei. Linke und Grüne fordern stattdessen die Einführung einer blauen Plakette. Für diese datensparsame Kontrollmöglichkeit sprach sich auch der neue Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber aus. Hintergrund ist ein Gesetzentwurf von Verkehrsminister Scheuer zur Kontrolle von Diesel-Fahrverboten. Demnach sollen Kameras entlang der betroffenen Straßen Bilder von allen Fahrzeugen erstellen. Auf den Bildern sind Nummernschild, Fahrer und weitere Fahrzeugmerkmale zu sehen. Die erfassten Daten werden dann automatisch mit dem Fahrzeugregister abgeglichen. (…) Auch Ulrich Kelber, neuer Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, zweifelt trotz der Änderungen an der Verhältnismäßigkeit des Gesetzesentwurfes. „Weniger belastende Maßnahmen wie beispielsweise eine blaue Plakette erscheinen aus datenschutzrechtlicher Sicht grundsätzlich vorzugswürdig“, sagte Kelber dem Handelsblatt. Für solch eine Lösung sprachen sich im Bundestag auch Grüne und Linke aus…“ Beitrag von Simon Rebiger 19. Januar 2019 bei Netzpolitik externer Link
  • [Appell-Brief an Bundestagsabgeordnete] Keine Autofahr-Überwachung: Überwachungsdruck gegen Bevölkerung nicht erhöhen! 
    Digitalcourage wird am Mittwoch, 12. Dezember 2018 einen Brief an Abgeordnete im Bundestag versenden. Die Grundrechtsorganisation fordert mit dem Appell-Brief Bundestagsabgeordnete dazu auf, den Entwurf für die Neunte Änderung des Straßenverkehrsgesetzes abzulehnen und sich für eine komplett überwachungsfreie Lösung von Abgasproblemen einzusetzen. Das Gesetz soll mittels Überwachung die Kontrolle von Verkehrsbeschränkungen und -verboten ermöglichen. Die automatische Erfassung des „Kennzeichens des Fahrzeugs“, des „Bild[es] des Fahrzeugs und des Fahrers“ und von „Ort und Zeit der Teilnahme am Verkehr“ inklusive Datenabgleich ist eine massenhafte Kfz- und Bildüberwachung der autofahrenden Bevölkerung…“ Pressemitteilung vom 10.12.2018 externer Link und der Appell-Brief online externer Link
  • Verkehrsminister Andreas Scheuer: Die Massenüberwachung von Autos ist doch kein „Überwachungsstaat“
    „… Verkehrsminister Andreas Scheuer verteidigt seine Pläne für die massenhafte Auto-Überwachung und wehrt sich gegen Kritik. In einem Brief an die Fraktionen der Großen Koalition beschwichtigt der Minister, Kennzeichen-Scanner seien die einzig „praktikable und effektive“ Möglichkeit, Fahrverbote älterer Dieselautos durchzusetzen. Überwachung sei das nicht, der Datenschutz gewahrt. (…) In seinem Brief zieht Scheuer Parallelen zur Debatte um Videoüberwachung im öffentlichen Raum. „Der Einsatz von Videoüberwachung gerade im Verkehrsbereich [wird] seit vielen Jahren als akzeptiert empfunden“, schreibt der CSU-Politiker. Das gelte es zu beachten, wenn der Gesetzentwurf als „problematischer Eingriff in die Privatsphäre“ bezeichnet wird. „Auch hier spricht niemand von Überwachungsstaat“. Damit bezieht er sich auf den FDP-Politiker Michael Theurer, der die Pläne als „Einstieg in den grün lackierten Überwachungsstaat“ bezeichnet hatte. Scheuer irrt, wenn er meint, niemand würde den gegenwärtigen Ausbau der Videoüberwachung als Überwachungsstaat bezeichnen. Das wurde zuletzt etwa bei den Diskussionen um den Testlauf mit sogenannter intelligenter Videoüberwachung am Berliner Bahnhof Südkreuz deutlich. Jurist/innen, Datenschützer/innen, Aktivist/innen und Journalist/innen mischten sich wiederholt in die Debatte ein. Auch bei netzpolitik.org haben wir mehrfach vor dem Aufbau eines Überwachungsstaates gewarnt, auch explizit am Beispiel von Kennzeichenscannern…“ Beitrag von Simon Rebiger und  Andre Meister vom 26. November 2018 bei Netzpolitik externer Link mit Wiedergabe des Briefes von Andreas Scheuer an die Mitglieder der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und der SPD-Bundestagsfraktion im Volltext
  • [Eil-Petition] Stoppt das Autofahr-Überwachungs-Gesetz 
    „Die Unterzeichnenden dieser Petition fordern die Bundesregierung und speziell Verkehrsminister Andreas Scheuer auf: Autofahr-Überwachungs-Gesetz zurückziehen! Statt die Ursachen von Abgas- und Umweltproblemen zu lösen, will die Bundesregierung mit dem Autofahr-Überwachungs-Gesetz alle überwachen, die Autofahren. In die geplanten Überwachungsfallen geraten aber zwangsläufig auch alle, die keinen Diesel fahren, Mitfahrende sowie Radfahrende, Motorradfahrende und Fußgänger. Die Autoindustrie soll im Dieselskandal geschont werden, die Bevölkerung wird mit Überwachung bestraft: Überall dort, wo Dieselfahrverbote oder andere abgasbezogene Verkehrsregelungen gelten, sollen massenweise automatisch die Gesichter der Fahrenden und die Fahrzeuge gefilmt werden. (…) Die Zeit drängt: Die Bundesregierung hat das geplante Autofahr-Überwachungs-Gesetz bereits Anfang November 2018 im Kabinett beschlossen. Es kann jeden Moment in den Bundestag kommen. Diese Petition fordert, dass der Entwurf zum Autofahr-Überwachungs-Gesetz zurückgezogen wird und die Bundesregierung eine komplett überwachungsfreie Lösung findet!…“ Petition von Digitalcourage vom 21. November 2018 externer Link mit der Bitte um Unterzeichnung

  • Bundesregierung plant offenbar Massenüberwachung bei Diesel-Fahrverboten
    Die Bundesregierung plant die von Gerichten angeordneten Fahrverbote mit einer automatisierten Erfassung aller Verkehrsteilnehmer durchzusetzen. Ein Gesetzentwurf, der heise online vorliegt externer Link , sieht dafür einen automatisierten Datenbankabgleich mit dem Kraftfahrt-Bundesamt vor. (…) Der Gesetzentwurf soll es den Behörden erlauben, „im Rahmen von Kontrollen bestimmte Daten, auch automatisiert, erheben, speichern und verwenden sowie auf die Daten des Zentralen Fahrzeugregisters zugreifen“ zu können. Im Kraftfahrt-Bundesamt sind die Halter- und Fahrzeugdaten über zugelassene Fahrzeuge gespeichert. Um in einem automatisierten Datenabgleich feststellen zu können, ob für bestimmte Fahrzeuge eine Verkehrsbeschränkung gilt, sollen die Behörden vor Ort das Fahrzeugkennzeichen, die Fahrzeugmerkmale, das Bild des Fahrzeugs und des Fahrers „automatisiert“ erfassen und abgleichen dürfen. Das Bild des Fahrers ist dabei erforderlich, weil er verkehrsrechtlich persönlich haftet und daher identifiziert werden muss. (…) Letztlich werde damit „eine Überwachungsinfrastruktur auf Basis eines ‚harmlosen Anlasses‘ auf- und ausgebaut, die später mit wenigen Handgriffen zu hochproblematischen Zwecken genutzt werden kann.“…“ Artikel von Christiane Schulzki-Haddouti vom 15.11.2018 bei heise news externer Link
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