Bundesverfassungsgericht: Antiterrordatei verstößt gegen die Verfassung

#Terrorthomas: Dieser Mann könnte die Bevölkerung verrunsichern. CC BY 4.0 DigitalcourageDie Antiterrordatei sammelt zu viele Daten für zu viele Behörden, urteilt das Verfassungsgericht. Teile verstoßen gegen das Grundgesetz und müssen nachgebessert werden. Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat Teile der sogenannten Antiterrordatei (ATD) externer Link als einen Verstoß gegen die Verfassung beurteilt externer Link. Der Zusatz: wieder einmal, drängt sich dabei geradezu auf. Denn das Gericht hat den Gesetzgeber bei nahezu jedem Sicherheitsgesetz der vergangenen Jahre korrigiert und gerügt. Nun also auch bei der Datei, in der Polizeien und Geheimdienste Daten von Menschen speichern, die sie verdächtigen, Terroranschläge zu planen oder Terroristen zu unterstützen. (…) Die Datei gibt es seit Ende 2006, seit 2008 ist sie vollständig befüllt, wie die Bundesregierung gerade in einem Evaluationsbericht schrieb externer Link . Demnach sind in ihr „annähernd konstant“ die Daten von 18.000 Menschen erfasst. Bundeskriminalamt, Landeskriminalämter und alle Geheimdienste können in der Datei nach Verdächtigen suchen und dort Hinweise und Daten einstellen. Behörden können somit nachschauen, ob jemand bereits erfasst wurde und was andere Ämter über ihn wissen. Das tun sie mehr als 67.000 Mal im Jahr. Name, Anschrift, Telefonnummern, Bankverbindungen – gespeichert wird alles, was über denjenigen bekannt ist. (…) Allerdings rügte das Verfassungsgericht die Bundesregierung indirekt. Terrorismus richtet sich zwar gegen „das Gemeinwesen als Ganzes“, sagte Kirchhof in der Urteilsbegründung externer Link. Doch dürften solche Angriffe nicht als „Krieg oder Ausnahmezustand“ aufgefasst werden…“ Artikel von Kai Biermann in der Zeit online vom 24.04.2013 externer Link.  Siehe dazu:

  • Urteil des Bundesverfassungsgerichts: Datamining in Antiterrordatei für Strafverfolgung war verfassungswidrig New
    „Nach dem letzten Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Antiterrordatei legte die Bundesregierung noch einen drauf. Ein Gesetz erlaubte Polizeien und Geheimdiensten mit Datamining nach neuen Erkenntnissen zu stochern. Das erklärte das Bundesverfassungsgericht jetzt für teils verfassungswidrig. (…) Der erste Senat des Gerichts sieht das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und die Menschenwürde des Beschwerdeführers verletzt, da die umfassende Datenauswertung zum Zwecke der Strafverfolgung nicht ausreichend eingegrenzt sei. Es gebe besondere Anforderungen, wenn Polizeien und Geheimdienste Daten austauschen. Darüber hinaus erhöht die Art der Datenverarbeitung, die den Behörden erlaubt wird, die Anforderung an den Schutz der berührten Grundrechte. In der Antiterrordatei speichern Polizeien und Geheimdienste Daten im Zusammenhang mit internationalem Terrorismus, etwa Name, Anschrift, Lichtbild und Dialekte. Darüber hinaus dürfen Daten gespeichert werden wie Telefonnummern und Geräte, besuchte Orte, Kontaktpersonen, besuchte Internetseiten und besondere Fähigkeiten wie der Umgang mit Waffen und Sprengstoff sowie Bemerkungen und Hinweise, die sich auf internationalen Terrorismus beziehen. (…) Um aus diesem Datenberg nicht-offensichtliche Erkenntnisse herauszukitzeln, erlaubte das Gesetz die Verknüpfung und Verarbeitung dieser Daten mit Datamining. Das sind statistische Verfahren, um Muster zu erkennen, Besonderheiten und Zusammenhänge in den Daten aufzudecken und Prognosen zu erstellen. Mit diesen Daten und Verfahren gehen hohe verfassungsrechtliche Hürden einher, schreibt das Bundesverfassungsgericht. Es muss in absehbarer Zeit mit der Beobachtung eines Geschehens eine konkrete Gefahr verhindert werden oder für die Verfolgung einer Straftat konkrete Tatsachen zu einer solchen vorliegen. Diese Hürden sieht das Gesetz nicht vor und ist daher verfassungswidrig, lautet das Urteil. Das Gesetz erlaubte den Strafverfolgungsbehörden Datamining mit erweiterten Datenpunkten für die Strafverfolgung, wenn es in einem „Projekt“ zu einem Einzelfall als notwendig erachtet wurde, um internationalen Terrorismus aufzuklären. (…) Außerdem stellte das Gericht für die anderen Zwecke des Datamining-Paragraphs fest, dass sie nicht als Erlaubnis für „eine bloße Vor- oder Umfeldermittlung ohne Bezug zu einer zumindest konkretisierten Gefahr“ interpretiert werden dürfen. Die Erwartung an Datamining ist, bisher noch unbekannte Zusammenhänge aufzudecken, Licht ins Dunkel zu bringen. Das Bundesverfassungsgericht macht erneut deutlich, dass die Datenverarbeitung ein so tiefer Grundrechtseingriff ist, dass sie nur zu rechtfertigen ist, wenn schon konkrete Erkenntnisse vorliegen. Es ist unklar, in welchen Fällen der Zweck das Mittel der invasiven Datamining-Methoden heiligen soll.“ Beitrag von Leonard Kamps vom 11. Dezember 2020 bei Netzpolitik.org externer Link zur BVerfG-Pressemitteilung Nr. 104/2020 vom 11. Dezember 2020 externer Link zum Beschluss 1 BvR 3214/15 vom 10. November 2020
  • das Urteil des Ersten Senats vom 24. April 2013 externer Link (1 BvR 1215/07) beim Bundesverfassungsgericht
  • Verdächtigungen: CCC hält Antiterrordatei für “kafkaesken Alptraumroman”
    Der Chaos Computer Club meint, die Antiterrordatei basiere auf einem unklaren Gesetz und sei riskant. Falsche Daten über sich ändern zu lassen, sei de facto unmöglich.
    Vor Kurzem hat das Bundesverfassungsgericht über die Antiterrordatei verhandelt. Zu den Sachverständigen dabei gehörten auch Mitglieder des Chaos Computer Clubs. Sie haben nun ihre ausführliche Kritik an der Datei, in der Daten für Polizeien und Geheimdienste gesammelt werden, in einem PDF veröffentlicht. Die Meinung des Clubs ist eindeutig, die Antiterrordatei (ATD) berge die Gefahr der “Gesinnungsstrafbarkeit” – also die Gefahr, dass jemand von einer Polizeibehörde überwacht wird, nur weil ein Geheimdienst einen vagen Verdacht hat und den Namen in die Datei einträgt. Die “notwendige rechtsstaatliche Grenze zwischen Polizeiaufgaben und den Befugnissen der Geheimdienste” werde damit verwischt, heißt es in der Stellungnahme des Clubs
    …“ Artikel von Kai Biermann in Zeit online vom 27.11.2012 externer Link in Betracht…“  Siehe auch die Stellungnahme des CCC vom 6.11.2012 externer Link
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=33462
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