[Pressefreiheit in Sachsen] Pegidisten als Hilfspolizei: Bei einer Anti-Merkel-Demo in Dresden wird ein ZDF-Team an der Arbeit gehindert. Die Polizei pfeift die Journalisten zurück.

Dossier

Pegizei„… Ein Eingriff in die Pressefreiheit ist in Deutschland beunruhigend einfach geworden. Es reichen dafür: Ein Pegida-Demonstrant mit Deutschlandhut, der pseudojuristische Vokabeln gelernt hat. Ein paar Polizisten, die sich einlullen lassen. Und ein Ministerpräsident, der ohne Not die Journalisten diskreditiert. (…) Am Donnerstag vergangener Woche reist die Kanzlerin nach Sachsen. (…) In Dresden protestieren ein paar hundert Anhänger von Pegida und der AfD. Vom Landtag aus ziehen die Rechten zur nächsten Station. Ein Kameramann im Auftrag des ZDF filmt die Kundgebung. Im Hintergrund schallt es „Lügenpresse“. Ein Demonstrant mit Deutschlandhut und Sonnenbrille ruft: „Hören Sie auf mich zu filmen.“ Kameramann: „Gehen Sie doch weiter.“ Demonstrant: „Hören Sie auf mich zu filmen. Sie halten die Kamera direkt auf mich zu. Sie begehen eine Straftat.“ Kameramann: „Gehen Sie doch weiter.“ Demonstrant: „Sie haben mich ins Gesicht gefilmt. Das dürfen Sie nicht. Frontalaufnahme. Sie haben eine Straftat begangen. Wir klären das jetzt polizeilich.“ Andere pflichten dem Mann mit dem Hut bei. Dieser erreicht, dass ein Polizeibeamter den Kameramann wegführt und seinen Presseausweis verlangt. Inzwischen kommt der Kollege des Kameramanns hinzu, der freie Reporter Arndt Ginzel, der schon seit Jahren für das ZDF-Magazin „Frontal 21“ arbeitet. Ein Polizist sagt: „Das ist jetzt eine polizeiliche Maßnahme.“ Ginzel: „Die sich gegen einen Kameramann richtet.“ Polizist: „Das ist jetzt erstmal vollkommen egal.“ (…) Ginzel verbreitet am Sonnabendfrüh über Twitter und Facebook ein kurzes Video der Vorfälle. Auf den Tweet antwortet Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU): „Die einzigen Personen, die in diesem Video seriös auftreten, sind Polizisten. (…) Ja, was ist denn seriös? Seriös ist das Grundgesetz, in dessen Artikel 5 es heißt: „Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet.“ Seriös ist es da selbstverständlich, wenn Journalisten Demonstranten filmen. Seriös wäre es, wenn die Polizei sie davor schützt, an ihrer Arbeit gehindert zu werden. Stattdessen veranstaltet die Polizei eine Maßnahme, deren Begründung fadenscheinig und deren Umständlichkeit sagenhaft sind…“ Ein Zwischenruf von Georg Löwisch vom 19. August 2018 bei der taz online externer Link, siehe dazu auch weitere Infos:

  • Treffen zwischen ZDF und Polizei in Dresden – Polizei entschuldigt sich New
    Gut eine Woche nach dem Vorfall bei ZDF-Dreharbeiten in Dresden hat am Freitagnachmittag ein Gespräch zwischen Vertretern des ZDF und dem Polizeipräsidenten von Dresden stattgefunden. Das ZDF hat dabei betont, dass die bisherige Darstellung der Polizei zu den Abläufen nicht mit den Erkenntnissen aus dem ZDF-Filmmaterial übereinstimmt. Das ZDF begrüßt, dass sich der Polizeipräsident in dem offenen Gespräch für die Art und Weise der polizeilichen Maßnahme entschuldigt hat. Die Polizei räumt ein, dass das „Frontal 21“-Team viel zu lange festgehalten worden war. Der Vorgang solle seitens der Polizei gründlich nachgearbeitet werden und die bisherige Darstellung entsprechend korrigiert werden…“ Pressemitteilung des ZDF vom 24.08.2018 externer Link
  • dju: Nach Vorfällen in Sachsen und Baden-Württemberg: Innenministerkonferenz muss das Thema Pressefreiheit auf die Tagesordnung setzen und handeln 
    Die deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union in ver.di hat die Mitglieder der Innenministerkonferenz aufgerufen, sich mit dem Grundrecht auf Pressefreiheit zu befassen. „Unser Land braucht einen Plan, wie das Grundrecht der Pressefreiheit und sein Schutz durch den Staat von Ämtern, Behörden und Dienststellen wirksam durchgesetzt werden kann“, fordert die Bundesgeschäftsführerin der deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union, Cornelia Haß. Die Situation sei dramatisch. „Wenn ein Mitarbeiter des sächsischen Landeskriminalamts genau weiß, mit welchen Methoden er offenbar nicht ausreichend informierte Einsatzkräfte dazu bringen kann, ein Fernsehteam für 45 Minuten an seiner Arbeit zu hindern, wenn ein Polizist in Stuttgart die Pressefreiheit außer Kraft setzt, weil er dem vermeintlichen Schutz von Mitgliedern der Identitären Bewegung Vorrang gibt, dann ist das ein Alarmsignal für den Umgang mit der Pressefreiheit. „Die Politik kann hier nicht tatenlos zusehen“, sagte Haß. Gerade in rechten Kreisen, die sich der Berichterstattung im öffentlichen Interesse oftmals zu entziehen versuchten, würden solche Methoden von Behinderung der Pressefreiheit nur zu gerne aufgegriffen und systematisch verbreitet. Die Vorfälle in Dresden und Stuttgart stellten nur die Spitze des Eisbergs dar...“ dju-Pressemitteilung vom 23.08.2018 externer Link
  • Kritik an Sachsens Polizei weitet sich aus 
    Das Verhalten eines LKA-Mitarbeiters bei einer Pegida-Demo sorgt für Empörung. Auch die Kanzlerin schaltet sich ein. Die Landesregierung will das umstrittene Vorgehen von Polizisten gegen Journalisten am Rande einer Pegida-Kundgebung rasch aufklären. Das kündigte Innenminister Roland Wöller am Donnerstag nach einer Sitzung des Landtags-Innenausschusses in Dresden an. „Ich kann Ihnen versichern, dass wir ebenso zügig wie gewissenhaft den Fall aufklären“, sagte der CDU-Politiker. Zudem würden Maßnahmen gegen den Mitarbeiter des Landeskriminalamtes (LKA) geprüft, der am vergangenen Donnerstag beim Dresden-Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ein ZDF-Kamerateam verbal angegriffen hatte. Am Mittwoch hatte das Innenministerium mitgeteilt, dass der Demonstrant Mitarbeiter des LKA ist. Nach SZ-Informationen handelt es sich bei dem Mann um einen Angestellten, der als Buchprüfer in der Abteilung Cyberkriminalität arbeitet und dort für Wirtschaftsdelikte zuständig sein soll. Wöller sagte, der Mitarbeiter sei gebeten worden, seinen Urlaub zu unterbrechen und sich für Nachfragen zur Verfügung zu stellen…“ Beitrag vom 24.08.2018 bei der Sächsischen Zeitung online externer Link
  • LKA-Mitarbeiter löste Polizeieinsatz gegen Journalisten aus – Justizministerin Barley alarmiert 
    Nach dem Einsatz gegen ZDF-Journalisten steht die sächsische Polizei in der Kritik. Ein Pegida-Sympathisant entpuppt sich als LKA-Mitarbeiter. Bundesjustizministerin Katarina Barley hat nach Bekanntwerden brisanter Details zum Vorgehen gegen ZDF-Reporter am Rande einer rechtspopulistischen Demonstration in Dresden rasche und lückenlose Aufklärung gefordert. „Die Vorgänge in Sachsen sind wirklich besorgniserregend und müssen dringend und umfassend durch die sächsischen Behörden aufgeklärt werden“, sagte die SPD-Politikerin der Deutschen Presse-Agentur. Zuvor war bekannt geworden, dass der vielkritisierte Einsatz der Polizei gegen ZDF-Reporter in Dresden vor einer Woche von einem Mitarbeiter des Landeskriminalamts Sachsen ausgelöst worden war. (…) Der Direktor des Instituts für Demokratie und Zivilgesellschaft (IDZ) in Jena, Matthias Quent, hat vor „rechtsradikalen Tendenzen“ in staatlichen Institutionen gewarnt. „Dass es Verbindungen zwischen einzelnen Staatsbediensteten, auch Polizeibeamten, und rechtsradikalen Organisationen gibt, wird an diesem Fall nicht zum ersten Mal deutlich“, sagte Quent dem Handelsblatt. In Sachsen, aber auch in anderen Bundesländern, würden immer wieder einzelne Verbindungen von Staatsbediensteten zu rechtsradikalen und sogar neonazistischen Organisationen öffentlich. „Das ist auch nicht überraschend, denn ein Wesensmerkmal der radikalen Rechten ist der Hang zur Autorität, die zentral vom Staat ausgeht“, so Quent. (…) Der „politische Skandal“ in Sachsen sei daher weniger, dass ein LKA-Mitarbeiter zu Pegida geht, sondern vor allem der „verharmlosende Umgang der Landesregierung mit dem Rechtsradikalismus“, betonte Rechtspopulismus-Forscher Quent…“ Artikel von Dietmar Neuerer vom 23.08.2018 beim Handelsblatt online externer Link – siehe dazu:

    • Information des Innenministeriums
      Das Sächsische Landeskriminalamt (LKA) hat heute das Innenministerium darüber informiert, dass es sich bei dem Bürger, der sich am vergangenen Donnerstag in Dresden verbal heftig gegen Filmaufnahmen eines TV-Kamerateams des ZDF-Politikmagazins „Frontal 21“ gewehrt hat, um einen Tarifbeschäftigten des LKA handelt. Der Mitarbeiter war nach Informationen des LKA bei diesem Aufeinandertreffen nicht im Dienst gewesen, sondern habe als Privatperson an der vorangegangenen Versammlung teilgenommen…“ Medieninfo vom 22.08.2018 externer Link
    • Der LKA-Mann war wohl öfter bei PEGIDA
      „… Ein aufmerksamer Beobachter endeckte nun auf einem Foto von PEGIDA von Mai 2018 eine Person, die dem LKAler gleicht: Statur, Wangenpartie, Brille und Muttermal/ Warze sind gleich. Es gibt nun mehrere Möglichkeiten: es ist eine zufällige so hohe Ähnlichkeit, die Ähnlichkeit ist gar nicht so hoch, es ist ein Wahrnehmungseffekt, in den Tiefen Sachsen werden Menschen dieses Aussehens gleich den Orks in den Minen Mordors gezüchtet und geklont, oder eben, es ist der LKAler, der bereits seit Monaten PEGIDA besucht…“ Beitrag von Sebastian Bartoschek vom 23. August 2018 bei den Ruhrbaronen externer Link
  • Rechte Demo-Strategien gegen Journalisten: „Ich kann ein System dahinter erkennen“
    Das Vorgehen der sächsischen Polizei gegen ein ZDF-Reporter-Team sorgte bundesweit für Aufsehen. Auf Veranlassung eines Pegida-Demonstranten hin hatten Beamte 45 Minuten lang die Personalien der Journalisten aufgenommen und sie so bei der Berichterstattung behindert. Eine Methode, die in rechten Kreisen schon lange gepflegt wird, sagte Rechtsextremismus-Blogger Henrik Merker im Dlf. (…) „Das ist mir schon mehrfach passiert und auch mehreren Kollegen von mir“, erklärte Merker. „Meistens geht es wirklich bloß darum, die Journalisten zu beschäftigen. Damit sie ihre Arbeit nicht machen können.“ (…) Insgesamt würde es schon sehr viel helfen, wenn sich die Beamten darüber im Klaren wären, was die Rechte von Journalisten sind, so Merker.Henrik Merker im Gespräch mit Isabelle Klein am 22.08.2018 beim Deutschlandfunk externer Link
  • ZDF-Chefredakteur fordert Aufklärung: TV-Team von sächsischer Polizei behindert
    Bei einer Anti-Merkel-Demo in Dresden wurden ZDF-Journalisten von der Polizei aufgehalten. Der Sender verlangt Aufklärung. Ministerpräsident Kretschmer verteidigte die Beamten – und erntet dafür Kritik. (…) Auch im Landtag wird Aufklärung gefordert. Sollten sich die Vorwürfe bewahrheiten, hätte sich die sächsische Polizei erneut zum „Handlanger der Pegisten“ gemacht, sagte der Linke-Innenexperte Enrico Stange. Der Vorwurf, dass sich die Polizei von Pegida- und AfD-Anhängern instrumentalisieren lasse und die freie Berichterstattung „mit der Aufklärung vermeintlicher Straftaten verhindert“, wiege schwer, erklärte sein Grünen-Kollege Valentin Lippmann.“ Beitrag vom 19. August 2018 von und bei Spiegel online externer Link
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