Kriminalisierung und Rassismus: Zwillinge

Stop racial profiling!Seehofer kann dann wieder den Mann geben, der von den Linken und Liberalen angegriffen wird. Viele seiner Kritiker spielen auch nur die Rolle der Hüter der Liberalität. Denn: Was unterscheidet denn Seehofer und andere Unionspolitiker, die jetzt wieder schnellere Abschiebungen fordern, von der Vorsitzenden der Grünen, Annalena Baerbock?  Baerbock forderte genau das Mitte Dezember in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung. Vielleicht will Baerbock erst einmal die vorhandenen Gesetze konsequent anwenden, bevor sie über neue Verschärfungen redet?  Und trotzdem werden die Grünen die Gelegenheit nutzen, sich als flüchtlingsfreundlichere Alternative anzubieten, wenn Sahra Wagenknecht mal wieder ihren migrationskritischen Ansatz in eine Rede einfließen lässt. In ihrer eigenen Partei bringt das dann vor allem den realpolitischen Flügel auf die Palme, der sich mehr über eine Wagenknecht-Äußerung als über die tatsächlichen Abschiebungen aufregt, die auch dort vollstreckt werden, wo die Linke mitregiert oder sogar den Ministerpräsidenten stellt. Nun wäre es aber eine Illusion diesen Politikern vorzuwerfen, sie könnten, wenn sie wollten, die Abschiebemaschine stoppen. Sollten sie es versuchen, wären sie nicht mehr lange im Amt. Genau da kommen wir zum Kern des Problems. Wer mitregieren will und das wollen grundsätzlich alle heute im Bundestag vertretenen Parteien, muss Abschiebungen unabhängig von der eigenen Position mittragen und umsetzen. Das gehört zum Mitregieren heute dazu. Das hat auch nichts mit den realen Verhalten von Migranten zu tun. Deshalb sind die wechselnden Orte, die dann immer für die aktuellen Law-and Order-Kampagnen herangezogen werden, austauschbar. Seit der berühmt-berüchtigten Silvesternacht von Köln im Jahr 2015 wird in dieser Zeit besonders genau geguckt…“ – aus dem Beitrag „Bottrop und Amberg: „AfD-Sprech“ ist längst in der Gesellschaft angekommen“ von Peter Nowak am 04. Januar 2019 bei telepolis externer Link über den sich weiter entwickelnden gesellschaftlichen Konsens und Druck… Zu diesem Zusammenhang ein weiterer aktueller Beitrag – mit prinzipiellen Schlussfolgerungen:

  • „Kriminalisierung rechtfertigt Gewalt“ am 05. Januar 2019 in neues deutschland externer Link ist ein Gespräch von Ulrike Wagener mit Biplab Basu über Racial Profiling und die Signalkraft polizeilicher Maßnahmen, in dem der Historiker und Mitbegründer der Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt unter anderem ausführt: „Ich glaube, das ist ein Teil von dem Gesamtpaket rassistischer Kriminalisierung von Menschen mit schwarzer Hautfarbe. Also wie die Polizei Schwarze oder rassifizierte Menschen sieht. Die Kriminalisierung, als Kriminalitätsbekämpfung, steht im Vordergrund. Menschen, die hier als vermeintliche Ausländer gesehen werden, werden permanent kriminalisiert – und zwar nicht innerhalb der eigenen vier Wände, sondern diese Kriminalisierung muss für alle sichtbar sein. Damit leben sie in ständiger Unsicherheit. Auch diese Zugkontrollen dienen der Kriminalisierung, auch wenn es in unserem Fall noch vergleichsweise harmlos ist, also nicht lebensbedrohlich wie für geflüchtete Menschen. Diese Kriminalisierung geht einher mit Angriffen, sowohl von staatlicher Seite als auch von Seiten der Bevölkerung. Das hat noch einen anderen Effekt: das brutale Vorgehen der Polizei, beispielsweise in bayrischen Geflüchtetenunterkünften, wird legitimiert, indem sie ständig von Ausländerkriminalität reden. Auch die Aussage des Innenministers Horst Seehofer – kriminelle Ausländer müssen abschoben werden – als ob wir nicht in einem Rechtsstaat leben würden. (…)Nein, es war nicht immer das Gleiche. Aber in den letzten drei, vier Jahren hat es eine Polarisierung gegeben. Die konservativen, rechten Politiker versuchen diese Polarisierung aufrecht zu erhalten, um ihre menschenverachtende Politik – und ich meine damit nicht »Law-and-Order-Politik«, sondern Wohnungsmarktpolitik, Sozialpolitik oder Außenpolitik – zu legitimieren. Es muss Angst erzeugt werden, die weiße Mehrheitsbevölkerung muss sich bedroht fühlen, dann sind sie bereit, erkämpfte Freiheiten aufzugeben und für eigene Misere die »Ausländer«, »Schwarze« oder »sichtbare Minderheiten« verantwortlich zu machen. Ich denke, dass eine rassistische »Law-and-Order-Politik« nicht zu trennen ist von Klassenpolitik…“
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=142331
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