Innere Unsicherheit: In mehreren Bundesländern darf die Polizei zur Abwehr von Gefahren immer früher eingreifen. Diese Art von Prävention ist ein Albtraum für den Rechtsstaat

Polizeiaufgabengesetz Bayern„… Die Wahrscheinlichkeitsaussage über künftige Entwicklungen ist umso unzuverlässiger, je weiter sie sich von ihrem Anlass entfernt. Je früher also polizeiliche Eingriffe ansetzen, umso häufiger werden sie auch Bürger treffen, von denen tatsächlich keine Gefahr ausgeht. Zugleich wird durch die Verlagerung in das Vorfeld die rechtsstaatlich essenzielle Kontrolle staatlicher Grundrechtseingriffe erheblich erschwert. Je klarer und bestimmter die Grenzen für staatliches Handeln sind, desto besser können Gerichte deren Einhaltung prüfen. Eine weite und vage Kategorie wie die „drohende Gefahr“ aber ist nur schwer zu bestimmen und zu überprüfen. (…) Das größte Problem eines solchen Präventionsstrebens ist indes seine potenzielle Grenzenlosigkeit. Ursachen für Gefahren gibt es unendlich viele; und man kann ihnen immer noch früher und immer noch umfassender begegnen. Der nächste Schritt ins Vorfeld ist daher nur eine Frage der Zeit. Die Varianten des „Predictive Policing“, die in den USA praktiziert werden, und das in China eingeführte „Social Scoring“ – die permanente Bewertung der Konformität aller Bürger anhand zahlloser Daten über das Sozialverhalten – zeigen, wohin die Reise geht. Ein Staat, der sich auf diesem Weg keine Grenzen setzt, droht selbst zur Gefahr zu werden.“ Gastkommentar von Tobias Singelnstein vom 13. April 2018 bei der Süddeutschen Zeitung online externer Link (Tobias Singelnstein ist Professor für Kriminologie an der Ruhr-Universität Bochum)

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