Haben wieder einmal Einzelfälle in der Berliner Polizei dafür gesorgt, dass statt dem Attentäter vom Breitscheidplatz lieber Hausbesetzer beobachtet wurden?

Rigaer94 verteidigen!„… Als die Berliner Polizei am 22. Juni 2016 den linken Szenetreff in der Rigaer Straße 94 in Friedrichshain räumte, meldeten sich schnell Kritiker zu Wort. Denn der Eigentümer des Hauses hatte keinen Räumungstitel. Der Polizeieinsatz sei daher illegal gewesen, der damalige Innensenator Frank Henkel (CDU) habe die Polizei missbraucht, um sich im Wahlkampf als Hardliner gegen Linksextremisten zu profilieren, so kritisierte seinerzeit die Opposition.  Mit dem Regierungswechsel im Herbst 2016 und Henkels Ausscheiden als Innensenator schien die politische Aufarbeitung des umstrittenen Einsatzes erledigt zu sein. Nun könnte der Fall aber neue Brisanz erhalten. Denn um Ressourcen für den Kampf gegen die „Rigaer 94“ freizuschaufeln, beendete die Polizei offenbar Maßnahmen gegen den späteren Attentäter vom Breitscheidplatz, Anis Amri. Diesen Verdacht nähren zumindest behördeninterne Dokumente, deren Inhalt der Berliner Morgenpost bekannt sind und über die am Mittwoch das Wochenmagazin „Die Zeit“ berichtet. Bereits bekannt ist, dass die Polizei Amri letztmalig am 15. Juni 2016 observierte und ihn bis zu dem Anschlag am 19. Dezember nicht mehr in den Fokus nahm. Die Vermerke der für Observationen zuständigen Dienststelle 511 des Landeskriminalamtes geben nun erstmalig darüber Auskunft, für wessen Beobachtung die Observationskräfte stattdessen eingesetzt wurden. Den Dokumenten zufolge waren Linksextremisten aus dem Umfeld der „Rigaer 94“, darunter eine Person, die „in die aktionsorientierte, gewaltbereite linke Szene Berlins“ eingebunden gewesen sei, wie es in dem Vermerk heißt…“ – aus dem Beitrag „Polizei observierte lieber Linksradikale statt Anis Amri“ von Ulrich Kraetzer am 05. Juni 2019 bei der Berliner Morgenpost online externer Link der sich, wie viele andere, auf den (Abonnements)Artikel der „Zeit“ beruft… Siehe dazu auch einen weiteren Beitrag, der genauere Zusammenhänge vermutet – mit weiteren ähnlich gerichteten Aktivitäten – und eine Meldung über erste polizeiliche Reaktionen. Empörte, versteht sich, wie immer:

  • „Wurde Anis Amri aus politischen Gründen nicht observiert?“ von Sabine Beikler und Alexander Fröhlich am 05. Juni 2019 im tagesspiegel online externer Link zu weiteren Verbindungen unter anderem: „… Was war geschehen? Anis Amri war als islamistischer Gefährder eingestuft und von Observationsteams des Landeskriminalamtes beschattet worden. Doch am 15. Juni 2016 wurde die Observation trotz Anordnung der Staatsanwaltschaft abgebrochen – stattdessen wurden Personen aus dem Umfeld der linksradikalen Szene in der Rigaer Straße observiert – etwa bei einer Fahrraddemo. Die „Zeit“ äußert nun den Verdacht, dass dafür eine Beamtin verantwortlich sein soll, die damals in der Auswerteeinheit des für Linksextremismus zuständigen Dezernats LKA52 tätig war. Und der Vorwurf steht im Raum, dass die junge Beamtin P. bestimmt ein Motiv gehabt haben könnte. Denn ihr Lebenspartner hat mit Material aus dem Polizeidatensystem 42 Drohbriefe geschrieben – allerdings erst eineinhalb Jahre später, im Dezember 2017. Sebastian K. bekam dafür später einen Strafbefehl über eine Geldstrafe in Höhe von 3500 Euro. Seine Partnerin wurden nicht belangt, obwohl auch von ihrem Dienstcomputer Daten zu Personen abgefragt wurde, gegen die kurz danach die Drohbriefe verschickt wurden…“
  • „Gewerkschaft der Polizei weist Vorwürfe im Fall Amri zurück“ am 06. Juni 2019 in der Berliner Morgenpost online externer Link zur wenig überraschenden ersten Reaktion: „… Die Linke vermutet, dass die veränderte Priorisierung der Observationsmaßnahmen aus politischen Gründen angeordnet worden sein könnte. „Man kann nicht ausschließen, dass es von oben eine Priorisierung auf die Rigaer Straße gegeben haben könnte“, sagte das Mitglied im Amri-Untersuchungsausschuss, Niklas Schrader. „Der Nachweis konnte aber bisher nicht geführt werden. Wir müssen das im Ausschuss weiter untersuchen“, sagte Schrader. Ähnlich hatte sich zuvor auch der Grünen-Politiker Benedikt Lux geäußert. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) bezeichnete es als „wahnwitzig“, dass die Polizei bei Dschihadisten bewusst weggeschaut haben könnte. „Es ist anmaßend, eine Kausalität zwischen den Observationsmaßnahmen rund um die Rigaer Straße und denen von dschihadistischen Gefährdern zu ziehen, die eben keine Entscheidung für das eine oder das andere sind“, sagte der Berliner GdP-Vorsitzende Norbert Cioma. Seit dem Anschlag versuchten „vereinzelte Journalisten“ die Berliner Polizei als untätig darzustellen und für die Opfer des Breitscheidplatzes verantwortlich zu machen. Die Untersuchungsausschüsse würden „zu keinem anderen haltbaren Ergebnis kommen, außer dass wir in unserem demokratischen Zusammenleben einen solchen Anschlag nicht verhindern können und unsere freie Gesellschaft immer verletzlich ist“, sagte Cioma. Das Verhalten „einzelner Politiker, die in die Hetzjagd und Verschwörungstheorien der klickhaschenden Berichterstatter einsteigen“, sei daher noch schlimmer…“
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=149963
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