G20: Polizei will Aufnahmen von Journalisten

Presseschild 2017Im Zuge der Ermittlungen nach den Ausschreitungen am Rande des G20-Gipfels Anfang Juli hat die Hamburger Polizei zahlreiche Medienhäuser darum gebeten, ihr bisher nicht veröffentlichtes Bildmaterial zur Verfügung zu stellen. Ziel sei es, mögliche Beweismittel zu sichten und Straftäter zu identifizieren. Nach ZAPP Informationen hat die Sonderkommission „Schwarzer Block“ in den letzten Wochen entsprechende Anfragen verschickt. Mehrere Medien sind dieser Bitte offenbar nachgekommen: Eine Kleine Anfrage der Linksfraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft hat ergeben, dass der Polizei mittlerweile ungesendetes Bildmaterial vorliege, das „die Größe einer mittleren dreistelligen Zahl von Gigabyte“ umfasst. (…) Der Hamburger Polizeipräsident Ralf Martin Meyer weist im Gespräch mit dem NDR darauf hin, dass die Herausgabe auf Freiwilligkeit beruhe. „Wenn Material aufgrund der Pressegesetze nicht zur Verfügung steht, dann ist das so.“ Dennoch: Im Einzelfall schließt er eine Beschlagnahmung nicht aus, wenn man auf bestimmtes Material angewiesen sei. Dann müsse man prüfen, ob es einen Grund gibt, tatsächlich dieses Material auch zu bekommen. „Wenn etwas rechtlich möglich ist, dann ist theoretisch eine Beschlagnahme möglich. Dann ist es auch rechtlich zulässig und sinnvoll, dass die Polizei diese Möglichkeiten nutzt. Sie hat eine Aufklärungspflicht. Andernfalls würde sie sich sogar wegen Strafvereitelung strafbar machen.“ (…) Die Herausgabe von ungesendetem Bildmaterial an Ermittlungsbehörden ist umstritten. (…) Heribert Prantl, Mitglied der Chefredaktion der Süddeutschen Zeitung. Er lehnt jegliche Kooperation mit der Polizei ab, da Journalisten „nicht die Hilfsbeamten der Staatsanwaltschaft“ seien. „Ein bisschen Redaktionsgeheimnis“ gebe es ebenso wenig wie „ein bisschen Beichtgeheimnis„…“ Text und Video des ZAPP-Beitrags von Robert Bongen & Caroline Schmidt vom 06.12.2017 beim NDR externer Link . Siehe dazu auch die Position der dju und einen weiteren Beitrag zum Thema:

  • dju in ver.di spricht sich klar gegen Herausgabe von Rohmaterial zu G20-Protesten aus
    Die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di lehnt jegliche Herausgabe von ungesendetem Material zu den G20-Protesten an die Ermittlungsbehörden ab. „Das Redaktionsgeheimnis und der Informantenschutz sind ein wertvolles Gut, das es zu schützen und zu bewahren gilt“, erklärte dju-Bundesgeschäftsführerin Cornelia Haß. Die Zusammenarbeit mit der Polizei hätte fatale Folgen für die Akzeptanz und Glaubwürdigkeit journalistischer Arbeit. Die Vertrauenswürdigkeit der Berichterstatter_innen auf Demonstrationen würde massiv geschwächt, mit Folgen auch für deren Sicherheit, so Haß. (…) Haß warnte zudem davor, Rohmaterial zu beschlagnahmen, was vom Hamburger Polizeipräsidenten nicht ausgeschlossen wurde. Sie verwies auf eine ähnliche Aktion der Frankfurter Staatsanwaltschaft nach den „M31“-Protesten am 31. März 2012. Damals hatten die hessischen Ermittler bundesweit die Wohnungen von acht Fotoreportern durchsucht und zahlreiche Bilder sichergestellt. Die Beschlagnahme des Fotomaterials war kurze Zeit später für rechtswidrig erklärt worden…“ Pressemitteilung vom 07.12.2017 externer Link
  • Journalisten bei G20: Polizei schließt Beschlagnahmung von Pressematerial nicht aus
    „… Wenn kein Tatverdacht gegen den Pressevertreter vorliegt, sondern es um Ermittlungen im Fall einer anderen Person geht, gilt für Journalisten nach der Strafprozessordnung ein Beschlagnahmungsverbot. Das Gleiche gilt für Rechtsanwälte, Pfarrer, Ärzte und Abgeordnete. Hintergrund dieses Verbots ist die Pressefreiheit: Redaktionsräume und die privaten Räume von Pressevertretern sind besonders geschützt. Wie schmal der juristische Grat hier jedoch ist, zeigen jedoch zwei Fälle des Berliner Fotografen Po-Ming Cheung. Bereits 2013 bekam Cheung zum ersten Mal unangemeldeten Besuch der Polizei. Damals suchten die Beamten in seiner Wohnung nach Bildmaterial von den linksradikalen »M31«-Protesten im März 2012 gegen die europäische Sparpolitik in Frankfurt am Main. (…) »Bei der Frage, ob eine Hausdurchsuchung und Beschlagnahmung bei tatunverdächtigen Journalisten rechtens ist, müssen im Groben zwei Fragen beachtet werden«, erklärte der Anwalt Cheungs, Friedrich Sauerbier, gegenüber »nd«: »Erstens: Handelt es sich um einen hauptberuflichen Journalisten, für den grundsätzlich ein Beschlagnahmungsverbot gilt? Und zweitens: Aus welchem Tatverdacht wird ermittelt, um welche Freiheitsstrafe geht es, und gibt es einen dringenden Tatverdacht?« Hintergrund dieser Unterscheidung ist der rechtlich festgeschriebene Grundsatz der Verhältnismäßigkeit…“ Artikel von Elsa Koester vom 08.12.2017 beim ND online externer Link
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