Das neue Sonderstrafrecht für Polizisten ist der Versammlungsfreiheit ein Tritt gegens Knie

Dossier

Verfassungswidrig und #maaslosübertrieben - stoppt die Änderungen der §113 und §114StGB!Die schwarz-rote Bundesregierung bringt in Zusammenarbeit mit dem Bundesrat (dort also mit „grüner“ Unterstützung/Duldung) ein Sonderstrafrecht u.a. für Polizisten auf den Weg. Sollten die bislang bekannt gewordenen Pläne tatsächlich Gesetzeskraft erlangen, wird das ein schwerer Einschnitt für die Demonstrations-, Kritik- und Protestkultur in Deutschland bewirken. So sehen sich die Beteiligten von Aktionen mit Merkmalen friedlichen zivilen Ungehorsams nicht selten mit frei erfundenen Vorwürfen von tätlichen Angriffen gegenüber Polizisten und Soldaten konfrontiert – was nun pauschal mit einem Mindest-Strafmaß von drei Monaten Gefängnis bestraft werden soll…Beitrag von freiheitsfoo vom 4. März 2017 externer Link. Siehe dazu:

  • Prozess wegen Widerstand gegen Abschiebung in Nürnberg: Der erste unter Sonderstrafrecht zum Schutz der Polizei New
    Am 31. Mai sahen das 300 Menschen genauso, die versuchten die Abschiebung zu verhindern. Die Polizei reagierte mit massivem Einsatz von Gewalt, es gab etliche Verletzte und einige Festnahmen. Unser Freund ‚Sercem sitzt aufgrund der Proteste nach wie vor in Untersuchungshaft. Quer durch die Gesellschaft ruft dieser Einsatz Empörung hervor. Nach wie vor ist strittig ist, wie legal dessen Grundlage war und nun folgen selbst Polizei-interne Ermittlungen. Wo solidarisch protestierende Menschen brutal von der Polizei angegriffen werden, ist es absolut legitim, sich zur Wehr zu setzen. Auch wenn mit der jüngsten Verschärfung der §§ 113, 114 StGB nahezu jede Handlung PolizeibeamtInnen gegenüber als Gewalttat eingestuft wurde, auf die Strafen von mindestens drei Monaten folgen sollen. Dass solche Verschärfungen polizeilicher Willkür bei Demonstrationen, Streiks und im Alltag weiter Tür und Tor öffnen und Betroffene systematisch zu TäterInnen gemacht werden, ist politisch gewollt. Wo die Gesetze und deren willige ErfüllungsgehilfInnen selbst jeder Menschlichkeit entbehren, ist es unsere Aufgabe, sich diesen in den Weg zu stellen. Die gelebte vorbildliche Solidarität, die über 300 Menschen am 31. Mai gezeigt haben, soll nun im Nachhinein durch die bayerische Regierung kriminalisiert werden. (…) Derzeit laufen Ermittlungen gegen 19 Personen“ – aus dem Demonstrationsaufruf zum 27. Oktober 2017 in Nürnberg externer Link „Widerstand Mai 31 – Solidarität ist kein Verbrechen“, der seit dem 09. Oktober 2017 bei Redside veröffentlicht ist. Siehe dazu zwei weitere aktuelle Beiträge:

    • „Wegen Gesetzesänderung vom Vortag: Demonstrant muss mit härterer Strafe rechnen“ am 19. Oktober 2017 bei Focus Online externer Link ist eine Meldung, in der unter anderem darauf verwiesen wird: „Pikant an dem Fall des 22 Jahre alten Demonstranten ist, dass er nach den verschärften Paragrafen 113/114 angeklagt wurde. Die Gesetzesänderung war einen Tag vor dem Polizeieinsatz in Kraft getreten und enthält das neue Delikt „Tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte“. Damit droht dem jungen Mann, der als entschiedener Abschiebe-Gegner gilt und dazu auch Vorträge hielt, im Fall einer Verurteilung eine härtere Strafe. Der Einsatz am 31. Mai hatte eine Welle der Kritik ausgelöst. Polizeibeamte hatten auf Anordnung der Zentralen Ausländerbehörde der Regierung von Mittelfranken versucht, den jungen Afghanen Asef N. abzuschieben. Weil sie ihn in seiner Unterkunft nicht antrafen, hatten sie ihn während des Berufsschulunterrichts abgepasst.  Schüler und später hinzugekommene Linksautonome hatten die Abschiebung mit einer Sitzblockade und einer spontanen Demonstration mit am Ende rund 300 Teilnehmern verhindern wollen. Das Landgericht entschied wenige Tage später, dass der Afghane nicht in Abschiebehaft muss“.
    • „»Besuche meist nur in Anwesenheit der Polizei«“ am 23. Oktober 2017 in der jungen welt externer Link ist ein Gespräch von Kevin Hoffmann mit Cornelia Mayer vom Bündnis Widerstand Mai 31, in dem sie zu dem Prozess sagt: „Sercems Fall dürfte der erste, mindestens aber der erste prominente Fall in Deutschland sein, in dem die Erweiterung der Repressionsparagraphen 113/114 StGB Anwendung findet. Diese sind nämlich am 30. Mai in Kraft getreten. Als sogenannte Schubserparagraphen sehen sie bei jeder Handlung gegen Polizeibeamte eine Mindeststrafe von drei Monaten Haft vor. Tätlicher Angriff heißt das dann, umfasst aber eben jede Handlung, die nicht direkt unter dem Begriff des Widerstands zu fassen ist. Wenn die Polizei mit allen Mitteln geschützt werden soll, heißt das nur, dass der Staat sich mit allen Mitteln vor seinen Bürgern schützen will. Der Paragraph wird bei sozialen Protesten und Streiks genutzt. Sercem wird ein Verstoß gegen diesen Paragraphen bei vier Handlungen vorgeworfen. Zusätzlich ist in der Anklage gegen ihn von Körperverletzung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und versuchter Gefangenenbefreiung die Rede“.
  • „Schützen wir die Polizei“ – Gesetz verabschiedet. Demonstrationsrecht weiter eingeschränkt
    Am Freitag hat der Bundesrat mehreren Gesetzen zugestimmt, die nach Meinung von Menschenrechtsorganisationen die Freiheitsrechte der Bürger einschränken. Doch in Deutschland wurde das kaum wahrgenommen und es gab in den letzten Wochen dagegen nur kleine Proteste. Dazu gehörte auch eine Gesetzesverschärfung, die Angriffe auf Polizisten, Rettungssanitäter und Feuerwehrleute schärfer bestraft. Sie trägt den Titel „Stärkung des Schutzes von Vollstreckungsbeamten und Rettungskräften“. Bis zu fünf Jahre Haft drohen. Ein vielleicht sogar unbeabsichtigter Schubser oder ein ungeschicktes Hantieren mit einer Fahnenstange,was bei unübersichtlichen Situationen auf einer Demonstration schon mal vorkommen kann, könnte dann Gefängnis bedeuten. Das ist kein theoretisches Beispiel. So saß 2012 ein junger Antifaschist mehrere Wochen in Untersuchungshaft. Zunächst wurde ihm versuchter Totschlag vorgeworfen, weil er mit einer Fahnenstange einen Polizisten geschlagen haben soll. Seine Verteidigung verneinte einen Vorsatz“ – so beginnt der Artikel „Braucht die Polizei mehr Schutz …“ von Peter Nowak am 13. Mai 2017 bei telepolis externer Link, worin auch über die – viel zu wenigen – Proteste berichtet wird
  • [Berlin] Kundgebung am 27. April gegen geplante Strafrechtsverschärfung zum Schutz von Polizist*innen
    „… Wir – ein Zusammenschluss von zahlreichen Bürgerrechtsorganisationen und zivilgesellschaftlich engagierten Gruppen – rufen für Donnerstag, den 27. April 2017, um 18 Uhr zu einer Kundgebung gegen die geplante Strafrechtsverschärfung für Angriffe auf Vollstreckungsbeamte vor dem Bundestag (Platz der Republik) auf. Die geplante Gesetzesänderung sieht für tätliche Angriffe auf Polizist*innen und andere Vollstreckungsbeamte künftig eine Mindeststrafe von 3 Monaten Haft vor. Wir lehnen diese Gesetzesänderung als völlig unverhältnismäßig ab. Der von den Gerichten äußerst weit definierte Begriff des „tätlichen Angriffs“ ist in der Praxis schnell erfüllt. So könnte bereits ein einfaches Schubsen künftig zu einer Haftstrafe führen. Verletzungsfolgen oder -absichten sind hierfür nicht erforderlich. Diese Gesetzesverschärfung ist nicht nur drakonisch und grundlos, sie zeigt auch eine autoritäre Staatsauffassung seitens der Bundesregierung und Regierungsfraktionen. Auch führt sie zur erleichterten Kriminalisierung von Demonstrationsteilnehmer*innen, etwa bei engen Einschließungen oder bei Gerangel an Polizeiketten, und bei Aktionen zivilen Ungehorsams beim Wegtragen. Zudem verstößt es gegen den verfassungsrechtlich verbürgten Gleichbehandlungsgrundsatz, wenn Angriffe auf Vollstreckungsbeamt*innen künftig deutlich stärker sanktioniert werden sollen, als solche, die sich gegen Bürger*innen richten…“ Presseerklärung zum Gemeinsamen Aufruf vom 25. April 2017 beim Komitee für Grundrechte und Demokratie externer Link
  • [Petition] Verfassungswidrig und #maaslosübertrieben – stoppt die Änderungen der §113 und §114StGB!
    wir fordern Sie auf, die Änderungen der §113 und §114 des Strafgesetzbuches zu stoppen und stattdessen überfällige Maßnahmen zum Schutz gegen Polizeigewalt umzusetzen. Die geplanten Änderungen führen dazu, dass die körperliche Unversehrtheit von Polizist*innen künftig höher eingestuft wird, als die aller anderen Bürger*innen. Mit Einführung des Strafvorwurfs des tätlichen Angriffs in §114 muss für das Schubsen eines Polizisten in Zukunft mindestens 3 Monate Haft verhangen werden. Das Gesetzesvorhaben verstößt gegen Artikel 3 des Grundgesetzes, nach dem alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind…“ Petition be weAct! an Justizminister Heiko Maas externer Link
  • RAV kritisiert Gesetzentwurf: »Kein Sondergesetz für Polizeibeamte«
    Am 22. März 2017 soll der Gesetzentwurf § 114 StGB-E zur ›Stärkung des Schutzes von Vollstreckungsbeamtinnen und -beamten sowie Rettungskräften‹ im Ausschuss Recht und Verbraucherschutz beraten werden. Der RAV übt in einer Stellungnahme scharfe Kritik an dem Gesetzesentwurf und wendet sich zusammen mit weiteren Anwaltsverbänden und Bürgerrechtsorganisationen persönlich an die Mitglieder des Rechtsausschusses des Bundestages: »Kein Sondergesetz für Polizeibeamte – Stimmen Sie mit Nein«, heißt es in dem Schreiben. Der RAV kritisiert den geplanten § 114 StGB als überflüssig und gefährlich. »Wenn der Staat den Schutz seiner Beamten höher stellt als den der Bürger, wird das Grundgesetz auf den Kopf gestellt«, so der RAV-Vorsitzende Dr. Peer Stolle. »Das Gesetz ist nicht erforderlich und sieht eine völlig unverhältnismäßige Strafdrohung auch für Bagatellhandlungen vor«. Mit der geplanten Norm würde ein folgenloser Schubser gegen einen Polizisten härter bestraft, als ein gezielter Faustschlag gegen einen Menschen ohne Uniform – auch wenn dieser Verletzungen davonträgt…“ Pressemitteilung des Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. (RAV) vom 21.3.2017 externer Link, dort auch die angesprochene ausführliche Stellungnahme externer Link
  • Grundrechtekomitee: Kann und soll das Strafrecht Polizist*innen schützen?
    Von verschiedenen Seiten wird immer wieder berichtet, Polizist*innen seien in steigendem Maße von Gewalt durch Bürger*innen betroffen. Dringend müsse dagegen eingeschritten werden. Die Bundesregierung hat im Februar 2017 – wie zuvor schon diverse Bundesländer – einen Gesetzentwurf vorgelegt (Drucksache 18/11161). In einem neuen § 114 StGB soll der „tätliche Angriff“ auf „Amtsträger“ deutlich härter als bisher sanktioniert werden. Die Mindeststrafe beträgt drei Monate Gefängnis, der Strafrahmen geht bis zu fünf Jahren. Der Schutz der „Amtsträger“ wird vom Schutz während Vollstreckungshandlungen ausgeweitet auf die gesamte Dienstausübung. In der Öffentlichkeit wird der dringend gebotene  Schutz von Polizeibeamt*innen betont, einbezogen werden aber „Amtsträger“ und „Soldaten der Bundeswehr“(…) Der bisherige § 113 StGB sollte nicht die Amtsträger schützen, sondern die staatliche Handlung, die Vollstreckungsmaßnahme und damit das staatliche Gewaltmonopol. Auch hierin steckt letztlich ein obrigkeitsstaatliches Denken. Nur die umgekehrte Perspektive, Bürger*innen vor dem Machtmissbrauch durch Amtsträger zu schützen, macht jedoch Sinn. So gibt es die Amtsdelikte: Rechtsbeugung, Vorteilnahme, Bestechlichkeit, Urkundenunterdrückung, Aussageerpressung, Verfolgung Unschuldiger, Verletzung von Dienst- und Steuergeheimnissen. Stellt man sich vor, diese neue Regelung wird im alltäglichen Versammlungsgeschehen angewendet, so muss die Angst vor der Teilnahme an Demonstrationen immens steigen….“ Beitrag vom 16. März 2017 von und beim Grundrechtekomitee externer Link
  • [Symbolisches Strafrecht] Gewalt gegen Polizisten: Nutzlose Gesetze
    „… „Gewalt gegen Polizisten. Mit diesem Video hat die Gewerkschaft der Polizei eine Kampagne gestartet, in der es um besseren Schutz von Polizeibeamten geht. Die Frage ist nur: Wie soll das gehen? Nach Meinung von Justizminister Heiko Maas vor allem mit einer Verschärfung des Strafrechts. Drakonische Strafen bei Angriffen gegen Polizeibeamte. So sieht es ein Gesetzentwurf vor, der noch diesen Monat vom Bundestag verabschiedet werden soll. Klingt entschieden. Die Frage ist nur: Bringt das überhaupt was? Und ist die Lage wirklich so dramatisch wie Bundesregierung und Polizeigewerkschaften immer wieder behaupten?…“ Bericht von Jochen Tassler und Nikolaus Steiner bei Monitor vom 9. März 2017 externer Link (Videodauer: 6:31 Min., in der ARD-Mediathek abrufbar bis 9. März 2018)
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=113047
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