Ohne Gesichts-Scan kein Essen – Von Jemen bis Nigeria werden Flüchtlinge und Hungernde biometrisch erfasst. Kritiker sagen: Die Reichen der Welt benutzen die Armen als Versuchskaninchen

[Kinofilm] Face_It! - Das Gesicht im Zeitalter des Digitalismus„… In Jemen hatte das Welternährungsprogramm mit den Huthi-Rebellen ein Abkommen über ein biometrisches Authentifizierungssystem geschlossen. Die Bedürftigen sollten sich mit Fingerabdrücken sowie Iris- und Gesichtsscans in einer Datenbank registrieren, um Zugang zu Hilfsgütern zu erhalten. (…) Nun könnte man angesichts des Leids der Menschen in Jemen einen solchen Streit als sekundär abtun, nach dem Motto: Wer braucht noch Privatsphäre, wenn er nicht einmal etwas zu essen hat? Bei Bedrohung für Leib und Leben muss das Recht auf informationelle Selbstbestimmung doch hintanstehen. Doch so eine rein auf den Nutzen fokussierte Betrachtungsweise würde bedeuten, armen Menschen das Recht auf Datensouveränität abzusprechen – und damit einer Entwicklung Vorschub leistet, bei der Privatsphäre zu einer Frage des Geldbeutels wird. Der Bürgerrechtsaktivist Mark Latonero von der NGO Data & Society bezeichnete die konditionierten Hilfen in einem Gastbeitrag für die New York Times als „Überwachungs-Humanitarismus“: Die Datensammelsysteme würden die Schwächsten noch verwundbarer machen. Wenn die Daten eines Individuums oder einer Gruppe gehackt würden, könnte dies zu Vergeltungsmaßnahmen führen. Trotz der hehren Absicht basiere die Entscheidung, biometrische Identifizierungssysteme zu installieren, auf einer Reihe von Fehleinschätzungen, zum Beispiel der, dass Technologie politische Probleme „lösen“ könne. Latonero befürchtet, dass eine „digitale Unterklasse“ entsteht. Die sei dann gezwungen, ihre persönlichsten Daten im Austausch gegen Grundbedürfnisse wie Nahrungsmittel zu tauschen – ohne Würde, ohne Wahl. Latonero warnt, dass ausgerechnet Hilfsorganisationen zu „den größten Datenbrokern in Krisenregionen“ mutieren könnten – eine Rolle, die sonst vor allem kommerziellen Akteuren zugeschrieben wird…“ Beitrag von Adrian Lobe vom 6. August 2019 bei der Süddeutschen Zeitung online externer Link

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