Visa für Aleppo. Die Perversionen des europäischen Flüchtlingsregimes

EU: No Entrance. Titelbild zum isw-report 104 - Auf der Flucht. Fluchtursachen. Festung Europa. Alternativen. (Festung Europa, Februar 2016)In Europa kann nur Asyl beantragen, wer sich auf europäischem Boden befindet. Auf legalem Weg kommt ein Syrer, Afghane oder Iraker dort aber nicht hin. Diese Perversion will ein Rädchen im großen europäischen Justizmotor nicht mehr mitspielen. (…)  Zumindest ein Rädchen im großen europäischen Justizmotor will diese große Perversion nicht mehr mitspielen. Ob es ihm gelingt, sie am Ende zu stoppen, ist noch offen. Aber immerhin. Die am Dienstag veröffentlichten Schlussanträge des Generalanwalts beim Europäischen Gerichtshof in Luxemburg, Paolo Mengozzi, sind ein Dokument, von dem wir noch lange reden werden, ob sie es nun in die amtlichen Urteilsgründe schaffen oder nicht. (…) Ist Belgien bei der Entscheidung, wem es Visa erteilt und wem nicht, überhaupt durch europäisches Recht in seinem Beurteilungsspielraum beschränkt? Das ist es nach Ansicht von Generalanwalt Mengozzi in der Tat. Jedenfalls müssen die belgischen Behörden dabei die EU-Grundrechtecharta beachten, die in Art. 4 verlangt, niemanden der Gefahr von Folter oder unmenschlicher Behandlung auszusetzen. Was Mengozzi verlangt, ist nicht unbedingt ein Fern-Asylverfahren, aber doch ein Offenhalten der Visaerteilung für Extremfälle…Beitrag von Maximilian Steinbeis vom 9. Februar 2017 beim Migazin externer Link. Siehe dazu:

  • EuGH lehnt Pflicht für humanitäre Visa für Flüchtlinge ab
    Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat am heutigen Dienstag die Klage einer fünfköpfigen syrischen Familie abgewiesen, die im Streit mit dem belgischen Staat auf dem juristischen Weg humanitäre Visa für die Europäische Union erzwingen wollte. Die EU-Mitgliedsstaaten seien nach europäischem Recht jedoch nicht dazu verpflichtet, Visa zur legalen Einreise von Flüchtlingen aus Kriegs- und Krisenregionen auszustellen, heißt es in dem Urteilsspruch, der einer Einschätzung von EuGH-Generalanwalt Paolo Mengozzi widerspricht. Dieser hatte vor wenigen Wochen in einem Aufsehen erregenden Gutachten die Meinung vertreten, EU-Staaten müssten verfolgten Menschen Visa ausstellen und ihnen einen legalen Weg zur Flucht vor Verfolgung ermöglichen. (…) Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl sprach hingegen von einem „traurigen Tag für den Flüchtlingsschutz und ein Feiertag für die Festungsbauer und die Schlepperindustrie“. Pro Asyl dankte zugleich Mengozzi: „Der renommierte Jurist hat die Europäische Union daran erinnert, was die Essenz des europäischen Projektes einmal ausgemacht hat: Flüchtlingsschutz, Menschenwürde, das Recht auf Leben, das Verbot unmenschlicher Behandlung, das absolute Verbot der Folter und der Schutz des Kindeswohls.“ Mengozzi hatte im Februar in seinem 45-seitigen Gutachten konstatiert, EU-Mitgliedstaaten seien verpflichtet, ein humanitäres Visum auszustellen, wenn die bestätigte Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung drohe. Es sei dabei unerheblich, ob zwischen Antragsteller und dem Mitgliedstaat eine Verbindung bestehe…Artikel von Harald Neuber vom 07. März 2017 bei telepolis externer Link. Siehe auch:

    • EuGH-Urteil zu Flüchtlingen: Europas Zynismus
      Die EU-Staaten müssen in ihren Botschaften keine humanitären Visa vergeben – das Urteil des EuGH sorgt bei Regierungen für Erleichterung. Es legt aber auch das ganze Drama der europäischen Asylpolitik offen…Kommentar von Markus Becker vom 07.03.2017 bei SPON externer Link
  • Schlussanträge des Generalanwalts in der Rechtssache C-638/16 PPU X und X / Belgischer Staat
    Nach Auffassung von Generalanwalt Mengozzi sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, ein humanitäres Visum zu erteilen, wenn ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme vorliegen, dass bei einer Verweigerung Personen, die internationalen Schutz suchen, der Folter oder einer anderen unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt werden. Es ist unerheblich, ob zwischen der betroffenen Person und dem ersuchten Mitgliedstaat Verbindungen bestehen…“ Pressemitteilung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 7. Februar 2017 externer Link
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=111498
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