»Flüchtlingsgipfel«: Leere Versprechungen & Irreführung der Öffentlichkeit. Wie ein Kontinent dabei ist, seine eigenen Grundwerte aufzugeben

Dossier

Shame on you, Europe! Sea-Eye und Seefuchs: Protest im MittelmeerAm gestrigen Montag trafen sich die Regierungschefs von Deutschland, Frankreich, Spanien und Italien sowie die EU-Außenbeauftragte in Paris mit Vertretern der afrikanischen Staaten Niger, Tschad und Libyen. Der europäische Plan sieht vor, Flüchtlinge möglichst weit weg von europäischen Grenzen abzuwehren und ihr Elend so möglichst unsichtbar zu machen. Und damit das nicht so inhuman klingt, wie es tatsächlich ist, werden ein paar Scheinlösungen präsentiert, ohne konkret zu sagen, wie die überhaupt umgesetzt werden sollen. Der Verrat an den eigenen Grundwerten wurde dabei in gut klingende Worthülsen verpackt. (…) Ein klarer Abschied also vom individuellen Recht auf Asyl in Europa, eine Abkehr von Menschenrechten und aktionistische Abschottung statt dem Versuch einer wirklichen Bekämpfung der Ursachen von Flucht. Denn die werden vielmehr befeuert, wenn Europa auf dem halben Kontinent Waffen und Geld für die Flüchtlingsabwehr verteilt und dabei auch vor Diktaturen wie dem Tschad – oder anderen »Migrationspartnern«, z.B. Sudan, Südsudan und Eritrea – oder Staatsruinen wie Libyen nicht Halt macht. (…) Wer sich selbst als aufgeklärten und fortschrittlichen Teil der Welt begreift und seine Werte an andere weitervermitteln will, muss sie zwingend auch selbst vorleben!…“ Pro Asyl-Erklärung vom 29.08.2017 externer Link der wir uns voll und ganz anschliessen! Siehe Hintergründe unten sowie Kommentare dazu:

  • EU richtet Internierungslager für Geflüchtete in Afrika ein
    Migrationsgipfel beschließt die Prüfung von Recht auf Asyl durch afrikanische Staaten in Lagern mit „KZ-ähnlichen Zuständen“. Die Europäische Union hat beim „Migrationsgipfel“ am Montag ihre Außengrenzen faktisch auf den afrikanischen Kontinent ausgedehnt. Der Gipfel fand in Paris mit den Regierungschefs von Deutschland, Frankreich, Spanien und Italien sowie der EU-Außenbeauftragten in Paris mit Vertretern der afrikanischen Staaten Niger, Tschad und Libyen statt. Zentrale Vereinbarung des Gipfels sind „Flüchtlingszentren“ in den „Transitländern“, die afrikanische Flüchtlinge auf ihrer gefährlichen Flucht nach Europa durchlaufen müssen. Anstatt die Migranten nach Europa zu lassen, um hier ihre individuellen Fluchtgründe zu prüfen, soll dies nun bereits in Ländern wie Libyen passieren. Hier solle insbesondere zwischen politischen Flüchtlingen und solchen Menschen unterschieden werden, die aus wirtschaftlichen Gründen (z.B. Flucht vor Hungertod) nach Europa kommen wollen – letzte sollen schnellstmöglich wieder in ihre Herkunftsländer abgeschoben werden…“ Beitrag vom 30.8.2017 bei Perspektive online externer Link
  • Europäische Werte (III)
    Mit den aktuellen EU-Plänen zum Aufbau von Flüchtlingslagern („Hotspots“) in Nordafrika steht ein alter Vorschlag von Ex-Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) vor der Realisierung. Schily hatte im Sommer 2004 für die Einrichtung von Lagern insbesondere in Libyen plädiert, um Flüchtlinge an einer Einreise in die EU zu hindern. Der Plan wird jetzt offiziell auf Initiative des französischen Staatspräsidenten, faktisch jedoch unter wohlwollender Zustimmung der Bundesregierung umgesetzt. Was auf die Flüchtlinge im Niger und im Tschad zukommt, lassen die Zustände in den „Hotspots“ auf den griechischen Ägäisinseln von Lésvos bis Kos erahnen. Die Lebensbedingungen dort werden von Menschenrechts- und Flüchtlingsorganisationen regelmäßig scharf kritisiert; einer aktuellen Untersuchung zufolge nimmt unter anderem die Zahl der Suizide zu – mit der Folge, dass etwa ein gutes Drittel aller auf Chíos internierten Flüchtlinge einen Todesfall im Lager persönlich miterlebt hat. Flüchtlingsproteste gegen die unhaltbare Lage in den „Hotspots“ werden von der Polizei brutal niedergeschlagen; dabei werden Kriegsflüchtlinge in den europäischen Lagern mit Knüppeln und mit Tränengas traktiert…“ Eigener Bericht vom 30.08.2017 von und bei german-foreign-policy externer Link
  • Flüchtlingsgipfel in Paris Das Elend wird in die Wüste verlagert
    Die Ergebnisse des Pariser Flüchtlingsgipfels werden das Elend nicht bekämpfen, sondern nur verlagern, meint Georg Restle. Kanzlerin Merkel opfert Völker- und Menschenrechte, um die Flüchtlingszahlen zu drücken. Die deutsche Flüchtlingspolitik ist eine Schande. Ich gebe zu: Ich schäme mich! Ich schäme mich für diese Flüchtlingspolitik, die da in Paris verhandelt wurde. Eine Politik, die von der deutschen Bundeskanzlerin wesentlich mitbestimmt wird – und die eine einzige Schande ist – für dieses Land und für diesen Kontinent. Es ist eine Schande, dass auch die Bundesregierung es offensichtlich billigt, dass libysche Milizen Flüchtlinge in Lager verfrachten, wo sie weiterhin misshandelt, gefoltert und vergewaltigt werden. Der Vorschlag, diese Lager unter die Obhut der UN zu stellen ist ein schlechter Witz, in einem Land das vom Bürgerkrieg zerrissen ist und nicht mal eine richtige Regierung hat. (…) Es ist eine Schande, dass Deutschland und Frankreich jetzt Waffen liefern wollen, ausgerechnet an afrikanische Diktaturen wie den Tschad,  dessen Armee schwerste Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen werden. Und ja, es ist eine Schande, dass Europa seine Außengrenze jetzt mitten durch Afrika ziehen will. Ein Bollwerk gegen Flüchtlinge, bewacht von Regimen, die mit europäischen Grundwerten wenig bis gar nichts zu tun haben…“ Kommentar von Georg Restle, WDR, vom 28.08.2017 bei der Tagesschau externer Link
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=120701
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