Krankenhausbeschäftigte verhindern Abschiebung in Thüringen – oder: Wenn normal menschliches Verhalten zum Politikum wird

Schüler in Nürnberg setzen mit Protest gegen Abschiebung ein wichtiges Zeichen - und werden kriminalisiertNatürlich: Die beteiligten Polizisten hätten, später einmal – vielleicht – ihren Enkeln erzählt, sie hätten ja „nur“ Befehle ausgeführt, und die zuständigen Behörden-Mitarbeiter, sie hätten ja nur eine Vorschrift umgesetzt. Wenn die schwangere junge Frau aus Nigeria von ihnen aus dem Krankenhaus in den nächsten Flieger verbracht worden wäre, um in Italien auf die Straße geworfen zu werden. Solche künftigen sogenannten Gewissenskonflikte sind Befehlsempfängern wie Bürokraten diesmal erspart geblieben – weil das Personal des Krankenhauses den polizeilichen Zugriff verhinderte. In dem Bericht „Thüringer Klinik-Ärzte verhindern Abschiebung einer Schwangeren“ am 11. Mai 2018 im Focus externer Link wird hervor gehoben: „Die Polizei sei in Begleitung einer Ärztin nachts in die Klinik gekommen, um die Frau aus Nigeria mitzunehmen, sagte Christina Fischer, stellvertretende Geschäftsführerin der Kliniken. Wegen der Risikoschwangerschaft hätten die Ärzte im Krankenhaus die Abschiebung nicht verantworten können und die Schwangere daher in der Klinik behalten. Ob die Frau zusätzliche gesundheitliche Probleme hatte, wollte das Krankenhaus aus Datenschutz-Gründen nicht mitteilen. Die zuständige Ausländerbehörde des Ilm-Kreises war am Freitag für eine Stellungnahme zunächst nicht zu erreichen. (…) Der Flüchtlingsrat Thüringen kritisierte das Vorgehen der Behörde und der Polizei scharf. „Wir finden es absolut unmenschlich, die Abschiebung einer Frau mit Risikoschwangerschaft und gravierenden gesundheitlichen Einschränkungen mitten in der Nacht aus einem Krankenhaus heraus zu veranlassen“, hieß es in einer Stellungnahme. Nach Angaben der Polizei waren die Beamten zunächst zur Unterkunft der Frau nach Gehren gefahren und hatten dort erfahren, dass sie in einer Klinik behandelt wird. „Als sich dort herausstellte, dass die Frau nicht transportfähig ist, wurde die Konsultation abgebrochen“, sagte ein Sprecher der Landespolizeidirektion. Die Leitung der Aktion habe bei der zuständigen Ausländerbehörde gelegen“. Siehe dazu auch die Stellungnahme des Flüchtlingsrates Thüringen und des Flüchtlingsnetzwerkes Ilmenau

  • „Unmenschlicher Abschiebeversuch einer Frau mit Risikoschwangerschaft aus der Klinik“ am 10. Mai 2018 beim Flüchtlingsrat Thüringen externer Link ist die dokumentierte Stellungnahme des Flüchtlingsnetzwerkes Ilmenau zu dem Vorfall, in der unter anderem unterstrichen wird: „In der Nacht zum Mittwoch, dem 09.05.2018, versuchten Polizeikräfte um ca. 1 Uhr morgens eine Asylsuchende aus Nigeria, die mit bestehender Risikoschwangerschaft und aufgrund gesundheitlicher Probleme in den Ilm-Kreis-Kliniken in Arnstadt untergebracht war, abzuschieben. Die Abschiebung sollte nach dem Dublin-Verfahren nach Italien erfolgen. Zu diesen Vorgängen möchte das Flüchtlingsnetzwerk Ilmenau wie folgt Stellung nehmen. „Wir finden es absolut unmenschlich, die Abschiebung einer Frau mit Risikoschwangerschaft und gravierenden gesundheitlichen Einschränkungen mitten in der Nacht aus einem Krankenhaus heraus zu veranlassen. Der Versuch, sie nach Italien zu überstellen, ein Land, in welchem aktuell nachweislich weder für ihre Gesundheit, noch für eine adäquate Unterbringung garantiert werden kann, widerspricht jeder humanitären Verantwortung. Wir fordern vom Ilm-Kreis und dem Land Thüringen eine Prüfung der Vorgänge und gegebenenfalls Konsequenzen für die Verantwortlichen in den zuständigen Behörden sowie einen Verzicht auf weitere derartige Versuche, die die Gesundheit und das Leben von Mutter und Kind gefährden könnten.“ An dieser Stelle gebührt dem medizinischen Personal großer Dank, das verantwortungsvoll eingeschritten ist, den Vollzug verhindert und damit wahrscheinlich das Leben der jungen Frau und ihres Kindes geschützt haben. Dieser Fall zeigt exemplarisch, welche Folgen die aktuelle Politik im Rahmen des Dublin-Verfahrens und der damit verbundene „Verschiebebahnhof“ für Menschen haben kann. Deutschland sollte Verantwortung übernehmen und die Asylverfahren selbst entscheiden, anstatt sie überforderten anderen Staaten zu überlassen und Menschen mit erheblichem ökonomischen Aufwand auf eine ungewisse Reise quer durch Europa zu schicken…“.
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=131995
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