[Berlin] Flüchtling klagt Innensenator an: Darf die Polizei ohne Durchsuchungsbeschluss Türen öffnen, um abzuschieben?

Tödliche Folgen der Flüchtlingspolitik„Im Streit über die Rechtmäßigkeit von Abschiebungen ohne richterlichen Durchsuchungsbeschluss gibt es die erste Klage gegen Innensenator Andreas Geisel (SPD) als oberstem Dienstherren der Berliner Polizei. Es geht um einen jungen Mann aus Guinea, der am 10. September aus seinem Wohnheim in Köpenick nach Italien abgeschoben werden sollte. Nach Berichten von Heimmitarbeitern kam die Polizei ohne Durchsuchungsbeschluss, verschaffte sich mittels Rammbock Zutritt zu seinem Zimmer, nahm ihn mit nach Tegel. Am Ende wurde er freigelassen – offenbar weil er sich weigerte, freiwillig das Flugzeug zu besteigen. Nur deshalb kommt es überhaupt zu dieser Klage. (…) Seit Monaten streiten zwei SenatorInnen über die Frage, welche Befugnisse PolizistInnen bei Abschiebungen haben. Brauchen Sie – wegen der Unverletzlichkeit der Wohnung nach Artikel 13 Grundgesetz – einen richterlichen Durchsuchungsbeschluss, um Menschen zur Abschiebung aus ihren Wohnungen beziehungsweise Zimmern in Heimen zu holen? Ja, sagt Integrationssenatorin Elke Breitenbach – nein, der Innensenator. Bestärkt fühlt sich Letzterer durch das sogenannte Geordnete-Rückkehr-Gesetz (GRG) von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU), das Ende August in Kraft trat. Danach wird nun unterschieden zwischen bloßem „Betreten“ einer Wohnung/eines Zimmers und der „Durchsuchung“ – und nur Letzteres benötige den Richterbeschluss. (…) Juristen halten diese Unterscheidung für fragwürdig, auch der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages hat in einem Gutachten Zweifel angemeldet. Die teilt auch Tometten: „Die ständige Rechtsprechung ist eindeutig: Wenn Behörden zielgerichtet jemanden suchen und finden wollen, liegt eine Durchsuchung vor, die eines Richterbeschlusses bedarf.“ In seinem Fall kommt noch hinzu: Der Betroffene lebt nicht alleine in dem Zimmer, die Privatsphäre seines Zimmernachbarn war von der Aktion ebenfalls betroffen. Auch der Rammbock-Einsatz spricht laut Tometten für eine Durchsuchung. „Bloßes Betreten durch Gewaltanwendung? Das widerspricht ja schon unserem Sprachgefühl“, so der Anwalt…“ Beitrag von Susanne Memarnia vom 30. September 2019 bei der taz online externer Link, siehe dazu ein Gutachten:

  • Gutachten im Auftrag der Linken – Belehrung für Geisel
    „… Ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes (WD) des Bundestags, das der taz exklusiv vorliegt, legt nun nahe, dass Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linke) mit ihrer Auffassung recht hat: dass nämlich schon das bloße „Betreten“ einer Wohnung eine „Durchsuchung“ ist, die laut Artikel 13 Grundgesetz – „Die Wohnung ist unverletzlich“ – nur mit Richterbeschluss möglich ist. Innensenator Andreas Geisel (SPD) behauptet seit Jahr und Tag das Gegenteil: Die Polizei „durchsuche“ Wohnungen von Abzuschiebenden nicht, sie „betrete“ nur – und das gehe ohne Richter. Mit dieser Rechtsauffassung waren die ihm unterstellten Behörden Polizei und Ausländerbehörde allerdings wiederholt vor Berliner Gerichten gescheitert…“ Beitrag von Susanne Memarnia vom 25. September 2019 bei der taz online externer Link
  • Anm.: Rechtlich ist das Problem einfach: Will man nun die Grundrechte – wieder einmal – für unerwünschte Fremde einschränken oder nicht? Was sind überhaupt Ankerzentren? Wohnorte oder Lager nach dem Strafrecht? Was oft übersehen wird: Auch Juden konnten lange Zeit noch die NS-Konzentrationslager wieder verlassen, wenn sie bereit waren auszureisen.
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=155587
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