Bundesfinanzministerium will „Missstände am Arbeitsmarkt, illegale Beschäftigung und Kindergeld- und Sozialleistungsmissbrauch“ bekämpfen – oder wen?

Dossier

Baustellenrazzien und Hauptzollämter: Relikte eines gescheiterten Umgangs mit dem „Projekt Lohndumping“ am BauZum Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Missständen am Arbeitsmarkt, illegaler Beschäftigung sowie von Kindergeld- und Sozialleistungsmissbrauch des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) äußert sich der Deutsche Anwaltverein (DAV) jedenfalls äußert kritisch. (…) Einer solchen Machtfülle bei der FKS bedürfe es weder zum Schutze des Sozialstaates noch zum Schutze der Rechte von Betroffenen noch zum Schutz des Wettbewerbs. Die vom Entwurf als „Verbesserung“ bezeichnete Stärkung der FKS im Sinne einer zentralen Prüfungs- und Ermittlungsbehörde lenke ab von den Ursachen für Schwarzarbeit und illegaler Beschäftigung und diskriminiere die davon betroffenen Personen. Tatsächlich greife das Gesetz in vielfältiger Weise in Freiheitsrechte ein, missachte die betriebliche und private Sphäre, ohne dass damit der Sozialstaat verbessert werde und/oder die wirtschaftliche Situation (einschließlich soziale Sicherheit) der Betroffenen...“ Pressemitteilung des DAV vom 08.01.2019 externer Link, siehe dazu weitere Kommentare:

  • Nur dem Interesse des Staats. Warum die Finanzkontrolle Schwarzarbeit keine Beschützerin für migrantische Beschäftigte ist New
    Das Interesse an der Arbeit der FKS ist nicht nur unter Journalist:innen, sondern auch unter Gewerkschafter:innen und linken Politiker:innen groß. Vor allem wenn es um Mindestlohnbetrug und die Ausbeutung von Migrant:innen geht, mehren sich die Rufe nach FKS-Kontrollen. »Wir brauchen dringend schärfere Kontrollen beim Mindestlohn und eine Stärkung der Beschäftigtenrechte!«, forderte der Linken-Abgeordnete Victor Perli zum Ende der diesjährigen Spargelsaison. Im Juni 2021 haben der DGB und die Beratungsstellen für migrantische Beschäftigte eine Kooperationsvereinbarung mit der FKS unterschrieben, die den Zweck hat, »Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung, Zwangsarbeit und Ausbeutung der Arbeitskraft sowie in diesem Zusammenhang rechtswidrige Arbeitsbedingungen zu bekämpfen«. Das sind große Ziele, die den Eindruck erwecken, die FKS sei eine Beschützerin der entrechteten, migrantischen Arbeiter:innen. Doch ist das wirklich so?…“ Artikel von Tobias Seitz , erschienen in express – Zeitung für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit Ausgabe 12/2022
  • Mit Kontrolle gegen Armut – Gesetz gegen illegale Beschäftigung und Sozialleistungsmissbrauch (GIBS) 
    „Am 6. Juni 2019 hat der Bundestag ein Gesetz verabschiedet, das die Befugnisse des Zolls erweitert und das Personal der „Finanzkontrolle Schwarzarbeit“ aufstockt. Es verstärkt Sozialstaatsausschlüsse, die prekäre migrantische Arbeit fördern, und bekämpft Prekarität mit Kontrolle. (…) Insgesamt schafft das Gesetz damit erhebliche Personal- und Kompetenzerweiterungen für die FKS-Einheiten des Zolls. Es ist mithin ein scharfes Schwert. Dieses richtet sich vor allem gegen arme Migrant*in­nen aus den neuen EU-Ländern. Was auf den ersten Blick aussieht wie ein buntes Potpourri an Maßnahmen, stützt sich deutlich auf den klassistisch-rassistischen Armutsmigrationsdiskurs, den vor allem die Kom­mu­nen und die CSU mit ihrem Slogan „Wer betrügt fliegt!“ 2013 initiierten. Ob Sozialleistungsmissbrauch, Kindergelderschleichung, Unterbringung in ‚Schrottimmobilien‘, Scheinselbstständigkeit oder Tagelohn – in der Begründung zum Gesetz stellten die konservativen Parteien und das Bundesfinanzministerium (BMF) immer wieder einen Zusammenhang zur EU-Osterweiterung her. Sie schürten damit das Bild des betrügerischen Osteuropäers. Nicht zufällig jubilierte der AFD-Abgeordnete Kay Gottschalk, dessen Partei für das Gesetz stimmte, in der Bundestagsdebatte, mit dem Gesetz würde „Populismus endlich Realpolitik“. Das Gesetz will aber auch die schlechten Arbeitsbedingungen von EU-Migrant*innen z. B. im Baugewerbe bekämpfen. Diese Arbeitsausbeutung und die Tatsache, dass Arbeitsrecht im gegenwärtigen System nicht nur von den Tarifparteien, sondern auch vom Strafrechtssystem durchgesetzt wird, ist durchaus ernst zu nehmen – wenngleich eine sozialstaatliche Inklusion der migrantischen Arbeitskräfte wirksamer vor Ausbeutung schützen könnte. Allerdings setzen die Kontrollmechanismen, die das Gesetz vorsieht, relativ weit unten in der Ausbeutungskette an. So lädt etwa das EU-Recht zur öffentlichen Auftragsvergabe zum Lohndumping ein – obgleich seit 2014 neben dem Preis auch soziale Kriterien berücksichtigt werden können. Unternehmen, die solche Aufträge als Generalunternehmer annehmen, haften nur begrenzt für ihre Subunternehmen. Diese Subunternehmen und die prekären Arbeitnehmer*innen selbst stehen nun im Fokus des repressiven Gesetzes.“ Beitrag von Jenny Künkel vom 24. Januar 2020 beim Gewerkschaftsforum Dortmund externer Link
  • Arbeitshilfe: Gesetz gegen illegale Beschäftigung und Sozialleistungsmissbrauch (Schwerpunkt: Neuregelung der Kindergeldberechtigung und der Kindergeld-Leistungsausschlüsse von Unionsbürgern)
    Das Gesetz gegen illegale Beschäftigung und Sozialleistungsmissbrauch ist am 18. Juli 2019 in Kraft getreten. Erklärtes Ziel des Gesetzes ist es, illegale Beschäftigung, Schwarzarbeit und Sozialleistungsbetrug im Rechtskreis des SGB II, SGB III und beim Kindergeld zu bekämpfen. Zu diesem Zweck sind durch das Gesetz die Aufgaben, Prüf-, Ermittlungsund Verfahrensrechte der Finanzkontrolle Schwarzarbeit der Zollverwaltung erweitert worden. Ein weiteres Ziel ist es, Armuts- und Arbeitslosigkeitsflucht von Unionsbürgern in das Sozialsystem, hier: dem Kindergeld zu verhindern. Dieses Ziel wird durch eine Neuordnung der Kindergeldberechtigung von Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten der EU-/EWR-Staaten (Unionsbürger) umgesetzt. In der Gesetzesbegründung heißt es: Den Leistungsmissbrauch von Kindergeld durch Unionsbürger zu bekämpfen. (…) Im Ersten Kapitel wird kurz über die Ziele und Inhalte der Gesetzesänderungen im Bereich der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung informiert. Im Dritten Kapitel wird die Neuregelung des Anspruchs von Unionsbürgern auf Kindergeld behandelt. Durch die Neuregelung wird der Kindergeldanspruch von Unionsbürgern an bestimmte (materielle) Freizügigkeitsrechte gebunden. Welche Freizügigkeitsrechte Unionsbürger und welche Aufenthaltsrechte drittstaatangehörige Ausländer haben, wird kurz im Zweiten Kapitel behandelt. Im Vierten Kapitel wird in Übersichtstabellen zusammengefasst, welche Statusgruppen von Unionsbürgern und drittstaatangehörigen Ausländern kindergeldberechtigt oder vom Anspruch auf Kindergeld (ausländerspezifisch) ausgeschlossen sind….“ Arbeitshilfe von Jonny Bruhn-Tripp und Gisela Tripp  vom Dezember 2019, Stand: Gesetz gegen illegale Beschäftigung und Sozialleistungsmissbrauch vom 11. Juli 2019 – wir danken!
  • Tagelöhner: Armut wird kriminalisiert 
    „Olaf Scholz‘ Gesetz zum Verbot von Tagelöhnern bekämpft einmal mehr die Mittellosen selbst statt die Ursachen für deren Lage. (…) Für eine wachsende Zahl an Menschen gibt es selbst in den reichen Staaten auf dem regulären Arbeitsmarkt keinen Platz mehr. Sie hangeln sich von Kleinst- zu Kleinstjob, teilen sich mit mehreren ein Zimmer oder müssen auf der Straße schlafen. Der Staat macht ihnen das Leben schwer, indem er ihre Armut kriminalisiert. Genau darauf läuft jetzt der Entwurf des Bundesfinanzministeriums für ein »Gesetz zur Bekämpfung von Missständen am Arbeitsmarkt, illegaler Beschäftigung sowie von Kindergeld- und Sozialleistungsmissbrauch« hinaus. Er sieht etwa vor, den Tagelöhnermarkt zu verbieten. Menschen dürften dann nicht mehr mit anderen an einem bestimmten Ort ihre Arbeitskraft als Tagelöhner anbieten. Ihnen drohen Platzverweise und Bußgelder von bis zu 5.000 Euro. Die Straßenecke ist für Tagelöhner oft die letzte Chance. Viele von ihnen sind von Leistungen wie Hartz IV ausgeschlossen. Die meisten sind zwar EU-Bürger, haben aber trotzdem keinen Anspruch, etwa weil sie keinen formellen Arbeitnehmerstatus haben oder ihnen die nötigen Nachweise fehlen…“ Beitrag von Sebastian Friedrich vom 11. Februar 2019 beim Blickpunkt WiSo externer Link
  • Armut wird kriminalisiert. Neoliberalismus Olaf Scholz‘ Gesetz zum Verbot von Tagelöhnern bekämpft einmal mehr die Mittellosen selbst statt die Ursachen für deren Lage 
    „… Für eine wachsende Zahl an Menschen gibt es selbst in den reichen Staaten auf dem regulären Arbeitsmarkt keinen Platz mehr. Sie hangeln sich von Kleinst- zu Kleinstjob, teilen sich mit mehreren ein Zimmer oder müssen auf der Straße schlafen. Der Staat macht ihnen das Leben schwer, indem er ihre Armut kriminalisiert. Genau darauf läuft jetzt der Entwurf des Bundesfinanzministeriums für ein „Gesetz zur Bekämpfung von Missständen am Arbeitsmarkt, illegaler Beschäftigung sowie von Kindergeld- und Sozialleistungsmissbrauch“ hinaus. Er sieht etwa vor, den Tagelöhnermarkt zu verbieten. Menschen dürften dann nicht mehr mit anderen an einem bestimmten Ort ihre Arbeitskraft als Tagelöhner anbieten. Ihnen drohen Platzverweise und Bußgelder von bis zu 5.000 Euro. Die Straßenecke ist für Tagelöhner oft die letzte Chance. Viele von ihnen sind von Leistungen wie Hartz IV ausgeschlossen. (…) Offiziell möchte das Finanzministerium mit dem Gesetz die Organisierte Kriminalität bekämpfen. Ein Irrglaube, wie ein Blick in die Studie Arbeit! Wohnen! Urbane Auseinandersetzungen um EU-Migration zeigt, die gerade bei Edition Assemblage erschienen ist. Die Anthropologin Lisa Riedner hat jahrelang Tagelöhner in München begleitet. Ihr Ergebnis: Sie organisieren sich an den bekannten Straßenecken selbst, um Infos auszutauschen, informelle Mindestlöhne zu besprechen oder schlicht, um sich vom langen Warten abzulenken. Selbst ein leitender Beamter der Finanzkontrolle Schwarzarbeit, den Riedner zitiert, interessiert sich nicht für die Tagelöhner. (…) Die Armut scheint für Olaf Scholz’ Haus weniger das Problem zu sein; eher sind es die Armen selbst – letztlich würde das Gesetz die Tagelöhner noch größerem Druck aussetzen beim Versuch, über die Runden zu kommen…“ Artikel von Sebastian Friedrich vom 11.01.2019 beim Freitag online externer Link
  • KOK-Stellungnahme zu dem Gesetzesentwurf zur Bekämpfung von Missständen am Arbeitsmarkt, illegaler Beschäftigung sowie von Kindergeld- und Sozialleistungsmissbrauch
    Der KOK hat eine Stellungnahme zu dem Entwurf eines Gesetzes des Bundesministeriums der Finanzen zur Bekämpfung von Missständen am Arbeitsmarkt, illegaler Beschäftigung sowie von Kindergeld- und Sozialleistungsmissbrauch veröffentlicht. Die Anregungen des KOK beschränken sich auf einige, für seine Zielgruppe besonders relevante Aspekte. Der KOK begrüßt das Vorhaben, Prüfungs- und Ermittlungskompetenz der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) im Hinblick auf ausbeuterische Arbeitsbedingungen zu schaffen, um insbesondere die Bekämpfung von Formen der Zwangsarbeit, Ausbeutung der Arbeitskraft und damit verbundenen Menschenhandel zu stärken. Der Entwurf enthält darüber hinaus aber auch Änderungen, deren Einführung der KOK kritisch sieht. Insbesondere hinsichtlich der geplanten Änderung im Arbeitnehmer-Entsenderecht und den damit verbundenen Betretungsbefugnissen der Zollbehörden sowie die geplante Ordnungswidrigkeit im Hinblick auf das unzulässige Anbieten der Arbeitskraft im öffentlichen Raum regt der KOK eine Überarbeitung an.“ Vorbemerkungen zur KOK-Stellungnahme vom 20.12.2018 externer Link
  • Referentenentwurf „Gesetz zur Bekämpfung von Missständen am Arbeitsmarkt“, zu Kindergeld für Ausländer
    Und nun liegt der Referentenentwurf „Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Missständen am Arbeitsmarkt, illegaler Beschäftigung sowie von Kindergeld- und Sozialleistungsmissbrauch“ vom 3.12. vor. 
    Und die nächste Schweinerei ist auf dem Weg: Kein Kindergeld mehr für Unionsbürger*innen in den ersten drei Monaten (außer es werden „Einkünfte“ erzielt,) bei einem Aufenthalt nur zur Arbeitsuche und bei einem nicht-freizügigkeitsberechtigten Aufenthalt. Wohl auch nicht bei einem Aufenthalt nach Art. 10 VO 492/2011. Außerdem Mitteilungspflicht der Familienkasse an die ABH. Das Aushungern derjenigen, die wirtschaftlich (noch) nicht verwertbar sind, wird also auf die Spitze getrieben. Wir sind immer mehr auf dem Weg in eine Sklavenhaltergesellschaft…“ Kommentar von Harald Thomé im Newsletter 45/2018 vom 09.12.2018 externer Link mit dem Verweis auf Infomail von Claudius Voigt mit angehängtem Referentenentwurf externer Link

Siehe dazu auch im LabourNet Germany:

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=142640
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