An was allem Flüchtlinge nicht schuld sind: An aller kapitalistischer Ausbeutung – zum Beispiel

Andachtskarten der Flüchtlinge in WienMit Aussagen wie der von Oskar Lafontaine wird der Eindruck erweckt, die Flüchtlinge würden den anderen etwas wegnehmen. Es stellt sich allerdings die Frage, warum die Probleme des Niedriglohnsektors und der steigenden Mieten mit den Flüchtlingen verknüpft werden, statt die wahren Verursacher dieser Probleme zu benennen. Warum müssen die Flüchtlinge als Sündenbock für den großen Niedriglohnsektor und steigende Mieten herhalten? Ein Fokus auf die Flüchtlinge versperrt die Sicht auf die wahren Verursacher der sozialen Probleme in unserem Land. Probleme, die zudem schon viel früher – also vor der großen Zuwanderung von 2015 – verursacht wurden.  Denn was ist die Realität? Die Realität ist, dass es schon seit den Hartz4-Reformen, seit der Flexibilisierung des Arbeitsmarktes zu einem immensen Lohndruck kommt. Viele Menschen werden also schon seit Jahren nicht angemessen am Produktivitätsfortschritt, den sie erarbeiten, beteiligt. Die Flüchtlinge in den Mittelpunkt der Lohndiskussion zu stellen und so zu tun, als würden sie immensen Druck auf den „Lohnkessel“ ausüben, geht an den Tatsachen vorbei.  Die oben zitierte Argumentation Lafontaines verkennt auch den politischen Handlungsspielraum und die Tatsache, dass der Arbeitsmarkt kein Markt wie jeder andere ist beziehungsweise nicht zwangsläufig den Marktkräften überlassen werden muss. Eine Stärkung der Gewerkschaften oder Eingriffe des Staates – beispielsweise eine Erhöhung des Mindestlohns – würden Abhilfe beim Problem stagnierender Löhne schaffen – und zwar ganz unabhängig von den Flüchtlingen. Eine restriktive Flüchtlingspolitik hingegen setzt nicht bei den Ursachen stagnierender Löhne an“ – aus dem Beitrag „Flüchtlinge: Die Sündenböcke neoliberaler Politik“ von Nico Beckert am 16. November 2017 bei telepolis externer Link, worin die Argumente gegen die verbreiteten Fake-Darstellungen nochmals knapp zusammen gefasst werden. Zu Flüchtlingen und Menschenmarkt (ideologisch: Arbeitsmarkt) auch einen älteren Hintergrundbeitrag:

  • „Das Handwerk freut sich“ von Uwe Kalbe am 11. August 2017 in neues deutschland externer Link war ein Beitrag zur Zwischenbilanz der teilweisen Aufhebung der Vorrangsprüfung, wozu es unter anderem heißt: „Ein Jahr nach Abschaffung der Vorrangprüfung sieht die Bundesregierung die Zeit für eine Erfolgsmeldung gekommen. Rund 7000 Flüchtlinge seien seither in Arbeit gelangt, die ohne die Neuregelung »zur Untätigkeit verdammt gewesen wären«, wie Andrea Nahles der Deutschen Presse-Agentur (dpa) erklärte. Im Gesamtjahr 2016 war noch 5346 arbeitssuchenden Flüchtlingen eine Arbeitserlaubnis verweigert worden. Und im ersten Halbjahr 2017 betraf dies noch ganze 119 Fälle. Das klingt nach Erfolg von Regierungspolitik, und das soll es auch. Die politische Absicht im Wahljahr lugt sogar deutlich hervor, wenn man genauer hinschaut. Zunächst ist es kaum möglich zu ermitteln, wie viele Flüchtlinge Arbeit dank des Wegfalls der Vorrangprüfung fanden. Nach dem Wegfall der Prüfung wird auch die Zahl der eventuell privilegierten Mitbewerber nicht registriert, wie die Bundesagentur für Arbeit (BA) in Nürnberg auf Nachfrage bestätigt. Außerdem zeigt die Zahl längst keine Trendwende bei der Arbeitsaufnahme von Asylbewerbern. Registriert sind bei der Agentur insgesamt 510 000 arbeitssuchende Geflüchtete. Die Zahl der beschäftigten Flüchtlinge gibt sie mit 204 000 an. Nicht alle Flüchtlinge dürfen eine Arbeit aufnehmen. Asylbewerber und Geduldete, die verpflichtet sind, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, etwa, weil sie aus einem sogenannten sicheren Herkunftsstaat stammen, dürfen keine Erwerbstätigkeit ausüben“.
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=124078
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