Daniel Hillig: Das Opfer von Chemnitz, deutsch-kubanischer Antifaschist. Den Rechten ist das ohnehin egal, Hauptsache Mob. Den Linken kann das nicht egal sein

Dossier

Daniel Hillig: Das Opfer von Chemnitz, deutsch-kubanischer AntifaschistIn der sächsischen 250.000-Einwohner-Stadt Chemnitz – die zu DDR-Zeiten den stolzen Namen Karl-Marx-Stadt trug – kam es in der Nacht zu Sonntag zu einer tödlichen Auseinandersetzung bei der der 35-jährige Arbeiter Daniel Hillig feige getötet wurde. Die Schlägerei spielte sich auf dem Stadtfest in der Chemnitzer Innenstadt ab. Daniel Hillig war ein links eingestellter, antifaschistischer Klassenbruder mit kubanischen Wurzeln aus Chemnitz. Der gelernte Tischler war zum Zeitpunkt der Auseinandersetzung mit russischen und deutschen Freunden unterwegs, als sie mit ein paar jungen Syrern und Irakern aneinandergerieten, insgesamt waren wohl 10 Menschen daran beteiligt. Anstatt sich ehrenvoll zu stellen und die Sache mit Fäusten auszutragen, zogen seine feigen Mörder Messer, erstachen ihn und verletzten zwei seiner Freunde schwer. Viel mehr ist bisher noch nicht bekannt. Direkt am Folgetag waren AfD und andere rechte Schweine, die Daniel zu Lebzeiten hasste, zur Stelle, um seinen Tod auf die abartigste Weise zu instrumentalisieren. Das Ziel des verlogenen Faschistenpacks dabei ein weiteres mal: Die Leute rassistisch zu verhetzen und zu spalten. Bundesweit wittert die Naziszene eine Chance auf ihren „Rassenkrieg“ und karrt ihre Leute nach Chemnitz, um ein ausländerfeindliches Pogrom zu inszenieren. (…) Die Mörder, die Daniel und seine Kumpels nachts mit Messern angestochen und ihn getötet haben, waren allerhöchstwahrscheinlich Schweine und verdienen den Zorn und die Gerechtigkeit des Volkes. Und das Volk, das sind eben alle Ausgebeuteten und Unterdrückten Chemnitzer, unabhängig ihrer Nationalität. Das Volk, das sind Daniels Tischlerkollegen, seine kubanische und deutsche Familie, das sind seine verletzten russischen Freunde und alle anderen Freunde, welcher Nationalität auch immer. Unser Beileid und unsere Gedanken sind bei der Familie und den Freunden des ermordeten Arbeiters Daniel…“ – aus dem Artikel „Antifaschistischer Arbeiter in Chemnitz ermordet – Ruhe in Frieden Daniel Hillig“ am 28. August 2018 in der Linken Zeitung externer Link dokumentiert (ursprünglich auf der Facebook-Seite von Jugendwiderstand, aber da wir Fratzebuch nach Möglichkeit immer vermeiden…).  Siehe dazu auch einen kurzen Kommentar von LabourNet Germany und nun zum Verfahren gegen Alaa S.:

  • Urteil nach Bluttat von Chemnitz: Im Namen des zornigen Volkes New
    Keine Spuren, keine Kratzer, keine DNA – nur eine wacklige Zeugenaussage und der unbedingte Wille zur Verurteilung bringen den Syrer Alaa S. für den Tod des Chemnitzers Daniel Hillig hinter Gitter. Neuneinhalb Jahre will das Landgericht Chemnitz den syrischen Friseur Alaa S. hinter Gitter schicken, weil er letztes Jahr auf dem Stadtfest einen Chemnitzer Bürger getötet und einem anderen in den Rücken gestochen haben soll. Die Oberbürgermeisterin der Stadt kann zufrieden sein: Vor Prozessbeginn sagte sie öffentlich, ein Freispruch in diesem Verfahren wäre schlecht für Chemnitz. Eine Verurteilung wäre also gut, um das aufgewühlte Volk zufriedenzustellen, so das Kalkül der Politikerin. Aber um welchen Preis? Daniel Hillig starb an den Folgen von fünf Messerstichen. Die Täter: mutmaßlich Flüchtlinge. Während in den Tagen darauf der rechte Mob die Macht in der Stadt übernahm, ging der Polizei ein Verdächtiger durch die Lappen, ein Flüchtling aus dem Irak. Man suchte trotz früher Hinweise nicht nach ihm, denn den vermeintlichen Täter hatte man ja schon festgesetzt. (…) Stattdessen saß der Friseur aus Syrien in U-Haft. Verdächtig gemacht hatte ihn, dass er in der Tatnacht vor der Polizei weggelaufen war. Objektive Beweise gegen ihn gab es keine. Kein Blut des Opfers an seiner Kleidung, keine Spur am Tatmesser, kein blauer Fleck, kein Kratzer von der angeblichen Beteiligung an einer Schlägerei. Denkbar, dass der junge Mann einfach zur falschen Zeit am falschen Ort war. Doch die Staatsanwaltschaft Chemnitz, mitverantwortlich für die späten Ermittlungen gegen den flüchtigen Iraker, bot einen Hauptbelastungszeugen auf, einen Imbisskoch aus dem Libanon. Der Zeugenbeweis hat vor Gericht traditionell den geringsten Wert, aus gutem Grund. In diesem Fall wollte der Koch als Einziger gesehen haben, wie Alaa S. zustach, aus 50 Metern Entfernung, nachts. Der Koch gab mal diese Version vom Tatgeschehen ab, mal jene. Belastende Aussagen zog er teils zurück. Im Gerichtssaal litt er unter Gedächtnisverlust. Der Chemnitzer Kammer, die aus Sicherheitsgründen in Dresden verhandelte, reichte das, um den Bürgern daheim einen Schuldigen für die tödlichen Stiche zu präsentieren. (Lesen Sie hier, wie das Gericht das Urteil begründet externer Link.) Doch damit nicht genug: Da war ja noch der Stich in den Rücken eines Begleiters von Daniel Hillig. Kein Zeuge beschuldigte Alaa S. dieser Tat. Dass er es gewesen sein soll, entspringt der freien Eingebung des Staatsanwalts. Beweise? Keine. Doch trotzdem hat das Gericht Alaa S. auch dieser Tat für schuldig befunden. (…) Wie ein Menetekel stand während des Prozesses die Frage im Raum: Käme ein Freispruch für den Flüchtling, was dann? Würde ein rechter Mob das Gericht abfackeln? Nicht auszudenken, welche Folgen ein Freispruch für die bevorstehende Landtagswahl in Sachsen hätte. Richter behaupten gern, sich von äußeren Umständen nicht beeinflussen zu lassen. Es gibt genügend Studien, die das Gegenteil belegen…“ Kommentar von Beate Lakotta vom 22.08.2019 beim Spiegel online externer Link – siehe dazu auch:

    • Urteil zu Messerattacke: Das schwierige Puzzle von Chemnitz
      Neun Jahre und sechs Monate Haft: Das Landgericht Chemnitz hat keinen Zweifel, dass Alaa S. schuld am Tod von Daniel Hillig ist. Die Verteidigung spricht von einem „traurigen Tag für den Rechtsstaat„…“ Artikel von Timo Lehmann vom 22.08.2019 beim Spiegel online externer Link
  • Frontal 21 exklusiv – Alaa S.: „Ich habe ihn nicht angefasst“
    Wenige Tage vor dem möglichen Urteil im Prozess zum Tod Daniel H.s konnte Frontal 21 mit dem Beschuldigten telefonieren. Alaa S. soll ihn in Chemnitz erstochen haben. (…) Er sei aus einem Döner-Imbiss hinausgelaufen, weil er Rufe gehört habe. „Ohne hinter mich zu gucken, bin ich einfach so mit denen abgehauen. Und dann kommt die Polizei und fasst nur uns beide“, berichtete Alaa S. gegenüber Frontal 21. Der gemeinsam mit Alaa S. festgenommene Yousif A. wurde wenig später aus Mangel an Beweisen wieder freigelassen. Ein weiterer Tatverdächtiger, Farhad A., ist untergetaucht und flüchtig. Alaa S. beteuert, an der Tötung Daniel H.s nicht beteiligt gewesen zu sein: „Ich schwöre bei meiner Mutter, ich habe ihn nicht angefasst. Ich habe überhaupt nicht das Messer angefasst.“ Alaa S. hat bisher im Prozess zu den Vorwürfen geschwiegen. Alaa S. sagte im Gespräch mit Frontal 21, dass er nach einem Jahr Untersuchungshaft kaum noch an ein faires Urteil glaube. „Ich habe Angst vor jedem hier, ich habe Angst vor den Mitgefangenen, ich habe Angst vor den Beamten. Ich habe sogar Angst vor dem Gericht.“ Tatsächlich lastet auf den Prozessbeteiligten ein großer Druck. So hatte die Bürgermeisterin von Chemnitz, Barbara Ludwig (SPD), gesagt, sie hoffe auf eine Verurteilung, „damit die Angehörigen Ruhe finden können“. Der Tod von Daniel H. hatte Chemnitz international in die Schlagzeilen gebracht, weil bei Demonstrationen und sogenannten Trauermärschen Rechtsextreme Hitlergrüße zeigten, die Polizei und Gegendemonstranten angegriffen. Alaa S. hofft, dass das Gericht sich davon nicht leiten lässt: „Wir sind nicht in Syrien oder in Afghanistan oder im Irak. Ich bin in Deutschland, in einem demokratischen Land.“ Die Wahrheitsfindung müsse an erster Stelle stehen. Am Montag hatte die Staatsanwaltschaft eine hohe Freiheitsstrafe für den Angeklagten gefordert. In seinem Plädoyer beantragte Anklagevertreter Stephan Butzkies eine Gesamthaftstrafe wegen Totschlags und gefährlicher Körperverletzung von zehn Jahren. Die Höchststrafe bei Totschlag beträgt 15 Jahre. Die Staatsanwaltschaft stützt sich im Wesentlichen auf die Aussagen eines ehemaligen Angestellten eines Döner-Ladens. Der hatte zunächst berichtet, dass er den Angeklagten aus einem Fenster des Imbisses am Tatort gesehen habe, wie er mit schlagenden oder stechenden Bewegungen auf das Opfer eingewirkt habe. Bei späteren Vernehmungen und auch vor Gericht wurden seine Aussagen zunehmend unpräziser. Im Laufe des Prozesses wurde klar, dass die Polizei keinerlei Spuren von Alaa S. an der Tatwaffe finden konnte. Es fehlen auch DNA-Spuren des Täters am Opfer. Für einige Prozessbeobachter bestehen Zweifel, ob mit Alaa S. der Richtige auf der Anklagebank sitzt…“ Beitrag von Arndt Ginzel und Ulrich Stoll der Frontal 21-Sendung vom 20.08.2019 externer Link, siehe dazu auch:

    • Angeklagter Alaa S.: „Und dann kommt die Polizei und fasst nur uns beide“
      Der Angeklagte Alaa S. beteuert, er habe den Chemnitzer Daniel Hillig „nicht angefasst“. Die bisherigen Ermittlungen bestätigen Alaa S.‘ Aussage. Ermittler fanden bisher keine Spuren von ihm an der Tatwaffe. Trotzdem hat er Angst – auch vor dem Gericht. Wenige Tage vor dem möglichen Urteil im Prozess zum Tod Daniel Hilligs konnte das ZDF-Magazin „Frontal 21“ mit dem Beschuldigten Alaa S. ein Telefoninterview führen. Er sitzt seit einem Jahr in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Waldheim in Untersuchungshaft. Der 23-jährige Syrer bestreitet in dem Gespräch, Daniel Hillig in der Nacht zum 26. August 2018 in Chemnitz erstochen zu haben. Er sei aus einem Döner-Imbiss hinausgelaufen, weil er Rufe gehört habe. „Ohne hinter mich zu gucken, bin ich einfach so mit denen abgehauen. Und dann kommt die Polizei und fasst nur uns beide“, berichtete Alaa S…“ Beitrag vom 21. August 2019 beim Migazin externer Link
  • LabourNet Germany: Keine falschen Grenzen zulassen
    Informationen über Daniel Hillig, das Opfer der Messerstecher von Chemnitz, sind auch in der linken Berichterstattung – in der bürgerlichen ohnehin – weitgehend „untergegangen“. Dass der Mob wegen des Todes eines antifaschistischen Deutsch-Kubaners rast, zeigt ja nur, dass er keinen Grund, sondern nur einen Anlass braucht. Erstaunlich genug, dass die bürgerlichen Medien ausnahmsweise in der Nennung der Herkunft zurückhaltend sind. Viel wichtiger: Es wäre ein linkes Anliegen gewesen, das Opfer öffentlich zu ehren, was bestenfalls am Rande geschah. Warum? Weil die Täter wohl Flüchtlinge waren? Seit wann sind alle Flüchtlinge „nett“? Müssen sie auch nicht sein, das Recht auf Asyl, das zu Recht viele verteidigen, gilt für alle. Ist dies dieselbe – völlig unangebrachte – Vorsicht, wie beispielsweise dann, wenn man keine Kritik am Ditib-Verband und dessen Finanzierung durch die BRD äußern will, obwohl dessen Praxis und die entsprechende finanzielle Ausstattung nur eines bedeutet: Rechte Mobilisierung (für Kriegsführung  gegen Kurden beispielsweise). Für alle solchen Ereignisse und Entwicklungen, die einfache politische Schemen aufsprengen, kann doch nicht „vornehme Zurückhaltung“ gelten, sondern nur der eben auch keinesfalls national begrenzte Kampf gegen die Rechten auf und aus der ganzen Welt. Ganz zu schweigen davon, dass eine massive Ehrung im konkreten Fall dem Mob etwas Wind aus den Segeln genommen hätte… Die Redaktion am 29.8.2018
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=136763
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