Rassismus in Sachsen: Mob in Wurzen stürmt Wohnhaus von Geflüchteten – „nur“ als Beispiel…

Dossier

2.9.2017 SEK in Wurzen gegen Antifademo„Etwa 30 Deutsche greifen in der sächsischen Kleinstadt eine Unterkunft für Asylsuchende an. Es ist eher ungewöhnlich, dass sich die sächsische Polizei gleich zu Beginn ihrer Ermittlungen für etwas entschuldigt. Genau das haben Beamte der Polizeidirektion Leipzig getan. In einer Polizeimeldung vom Sonnabend erklären die Beamten, dass die geschilderten Abläufe »eine gewisse Unübersichtlichkeit« hätten und man zur Darstellung leider auf eine »Vereinfachung« zurückgreifen müsse, auch was »die wenig differenzierenden Begriffe ‘Deutsche’ und ‘Ausländer’« angehe. Beim Lesen der Meldung wird deutlich, dass die Polizei vorsichtig und zugleich auch verunsichert agiert. Der Grund: In Wurzen ist es nicht das erste Mal, dass es zu einem Angriff auf ein Wohnhaus von Geflüchteten gekommen ist. Sicher ist: Am Freitagabend ist genau dies in der sächsischen Kleinstadt passiert. Nach bisherigen Erkenntnissen der Polizei sollen etwa 30 junge Deutsche daran beteiligt gewesen sein. Die Beamten mussten zu einem Großeinsatz ausrücken, um die Lage unter Kontrolle zu bekommen. (…) Das Rassismus eine Rolle spielte, ist für die Initiative »Irgendwo in Deutschland« wahrscheinlich. Via Twitter wies die Gruppe nach dem jüngsten Vorfall darauf hin, dass es in der Vergangenheit wiederholt zu rechten Übergriffen in der sächsischen Kleinstadt gekommen war. In einem Beitrag von 2017 bezeichnet »Irgendwo in Deutschland« Wurzen als »braunes Herz des Muldentals«, wo es »eine lange Tradition von authentischer Gastfeindschaft und extremer Tristesse« gäbe. Die Stadt sei »seit Jahren eine Hochburg rassistischer Bewegungen und organisierter Nazistrukturen und war bereits in den 1990er Jahren bekannt als eine sog. No-Go Area.«…“ Beitrag von Robert D. Meyer in neues Deutschland online vom 14. Januar 2018 externer Link, siehe dazu:

  • Sachsen: Warnung vor „Völkischen Siedlern“ New
    Neonazis breiten sich in ländlichen Regionen Sachsens aus, werben gezielt für die Ansiedlung nationaler Familien und nehmen zunehmend kulturell und politisch Einfluss in den Gemeinden. Die Kommunen erkennen die Gefahr oft zu spät – und schweigen dann. Das Kulturbüro Sachsen warnt vor der Ausbreitung sogenannter „Völkischer Siedler“ im Freistaat. In Sachsen existierten inzwischen mehrere Höfe von „Völkischen Siedlern“, die ein rechtes Netzwerk bilden, teilte der Verein am Dienstag in Dresden mit. Schwerpunktregion sei der Landkreis Mittelsachsen. Die Netzwerke etablierten sich zunächst, sicherten das wirtschaftliche Auskommen und stärkten sich sozial um anschließend kulturell und politisch in den Gemeinden Einfluss zu nehmen. (…) „Völkische Siedler“ kauften Höfe und Häuser in ländlichen Räumen. Die Neonazis breiteten sich in den Sozialräumen aus, verkauften Bio-Gemüse an die Bevölkerung und nutzten Gespräche für die Verbreitung ihrer menschenfeindlichen Ideologie. Ihre zahlreichen Kinder trügen ihre zutiefst rassistische, antisemitische und sozialdarwinistische Erziehung selbstbewusst in die Schulen der Region. Betroffene Gemeinden und Kommunen würden die Gefahr häufig zu spät erkennen. „Anfangs überwiegt die Freude über den Zuzug von jungen Familien in die Gemeinde“, heißt es in einem Bericht des Kulturbüros externer Link . Sobald der neonazistische Hintergrund der Neuen auffalle, werde das Problem jedoch nicht öffentlich angesprochen, da Gemeinde sich nicht das Image einer Neonazi-Hochburg einhandeln wollten.“ Beitrag vom 11.08.2021 beim Migazin externer Link
  • Nazi-Bevölkerungspolitik in Wurzen: Zu zweit schwangere Frau überfallen 
    In Wurzen haben am Freitagabend zwei schwarz gekleidete, vermummte Männer eine schwangere Frau angegriffen und beleidigt. Die 19-jährige Eritreerin musste nach den Schlägen und Tritten in einem nahegelegenen Krankenhaus behandelt werden, teilte die Leipziger Polizei mit. Die Kriminalpolizei ermittle nun wegen gefährlicher Körperverletzung und Beleidigung. Das Netzwerk für demokratische Kultur (NDK) berichtete zuerst über den Angriff. Laut NDK gab es ein eindeutiges rassistisches Motiv für die Tat. Die Täter hätten die Frau mit den Worten „Wir wollen keine Ausländerbabys mehr“ angegriffen, berichtet die Leipziger Volkszeitung Die 19-Jährige sei im siebten Monat schwanger, dem ungeborenen Kind gehe es aber gut. Ob es sich um ein rassistisches Motiv handelt, dazu könne man sich noch nicht äußern, so eine Sprecherin der Polizeidirektion Leipzig zur taz…“ -aus dem Beitrag „Immer wieder Wurzen“ von Belinda Grasnick am 01. März 2018 in der taz online externer Link, worin auch die besondere Situation in Wurzen Thema ist… Siehe dazu auch einen weiteren aktuellen Beitrag:

    • „Rassistischer Angriff auf Schwangere in Wurzen“ von Niklas Franzen am 28. Februar 2018 in neues deutschland online externer Link, worin auch noch berichtet wird: „… Die west-sächsische Stadt hat seit vielen Jahren eine gut organisierte rechte Szene. In einem Blogbeitrag schreibt das Bündnis »Irgendwo in Deutschland«: »Wurzen ist seit Jahren eine Hochburg rassistischer Bewegungen und organisierter Nazistrukturen und war bereits in den 1990er Jahren bekannt als eine sog. No-Go Area.« Wurzener Neonazis sollen auch maßgeblich an dem Angriff auf das alternative Leipziger Wohnviertel Connewitz im Januar 2016 beteiligt gewesen sein. Laut dem »Netzwerk für Demokratische Kultur« setzen Nazis nun auch verstärkt auf Jugendarbeit in der Stadt. Laut Glass sei es ein großes Problem, dass nur wenige Wurzener offen Widerstand gegen die Nazis leisten würden. Sie fordert: »Es muss hier dringend was passieren – und zwar schnell.«…“.
  • Neonazis gehen in Wurzen auf Linke und Journalisten los. 250 Menschen protestierten gegen rassistische Gewalt in der sächsischen Kleinstadt
    „… Noch vor Beginn der linken Demonstration patrouillierten bereits ab Sonnabendmittag die ersten Neonazis durch Wurzen. Zwar wurde die fünfzehn Personen starke Gruppe frühzeitig von Polizisten angehalten, doch kontrolliert wurde sie dabei offenbar nicht. Nur kurze Zeit später tauchten die 16- bis 25-Jährigen mit Sturmhauben und Tüchern vermummt bei der linken Kundgebung im Stadtpark auf. Nur wenige Polizisten stellten sich dabei den Rechtsextremen in den Weg. Erst nach einer halben Stunde begleiteten die Beamten die Vermummten bis zu einem Supermarkt am Ende des Parks. Wenig später meldeten die Rechtsextremen eine eigene Kundgebung an. Zu einem schweren Zwischenfall kam es, als mehrere vermummte Neonazis aus einer Werkstatt stürmten, als Journalisten daran vorbeiliefen. Das Gelände ist als rechte Szene-Immobilie bekannt. Fünfzig Meter jagten die Neonazis hinter den Reportern her. Als Gegendemonstranten und Polizisten auf die Straße einbogen, zogen sich die Angreifer vorerst zurück. Eine Stunde später standen die Neonazis wieder auf der Bahnhofsstraße, diesmal jedoch schwer bewaffnet. Mit einem Arsenal aus Baseballschlägern, Teleskopschlagstöcken, Pfefferspray und Macheten gingen sie drohend auf Journalisten und Demonstrierende zu. (…) Am Rande drängte ein Polizist mehrere Journalisten gewaltsam zur Seite. Erst als Filmteams dazu kamen, ließ er von den Reportern ab. Zehn Beamte sprachen mit den Neonazis und betraten kurz darauf deren Werkstatt. Waffen konnten sie dabei jedoch keine finden. Die Staatsanwaltschaft habe auch keinen Durchsuchungsbeschluss ausgestellt, sagte ein Beamter vor Ort – trotz umfangreichen Waffenarsenals der Neonazis und dutzender Beweisfotos…“ Bericht von Henrik Merker vom 22.01.2018 beim ND online externer Link
  • Spendenaufruf für die Betroffenen aus Wurzen für Unterbringung und rechtlichen Beistand 
    Aufruf des RAA Sachsen vom 17.01.2018 externer Link zu Spenden für die selbstorganisierte Unterbringung und rechtliche Unterstützung von Geflüchteten aus Wurzen
  • “Das Problem in Wurzen heißt Rassismus” – Antifa-Kundgebung im braunen Herz des Muldentals 
    Für den heutigen Samstag hat das bundesweite Bündnis “Irgendwo in Deutschland” zu einer Kundgebung in Wurzen unter dem Motto “Solidarität mit allen Betroffenen rassistischer und rechter Gewalt” aufgerufen, die aktuell noch läuft. Dem kurzfristigen Aufruf folgten erfreulicherweise 250 Menschen aus der Region und dem gesamten Bundesgebiet. Wie erwartet war die Polizei mit einem hohen Aufgebot präsent und agierte repressiv gegen die Kundgebung, die zuvor mit völlig überzogenen Auflagen belegt worden war. Während der Kundgebung kam es zu einem Angriff von Nazis, die u.a. bewaffnet mit langen Messern, Teleskopschlagstock und Baseballschläger aus einer bekanntermaßen von Nazis genutzten Immobilie in der Bahnhofstraße stürmten. Fotos von dem Angriff finden sich hier externer Link. Zudem wurde von Nazis eine Gegenkundgebung durchgeführt…“ Pressemitteilung vom 20.01.2018 vom und beim Bündnis “Irgendwo in Deutschland” externer Link
  • 20.1.2018 in Wurzen: Solidarität mit allen Betroffenen rassistischer und rechter Gewalt – Vor rechten Strukturen keinen Millimeter zurückweichen! 
    Wir rechnen für das Wochenende mit neonazistischen Aktionen in #Wurzen. Daher haben wir für Samstag eine Kundgebung ab 14:30 Uhr beim Bahnhof angemeldet: “Solidarität mit allen Betroffenen rassistischer und rechter Gewalt”. Weitere Informationen (Anreise etc.) folgen zeitnah auf twitter. Die örtliche Neonazi-Szene möchte sich für die Selbstverteidigung der Betroffenen am vergangen Freitag “rächen”. Es muss mit mehr als 300 Neonazis und Rassist*innen gerechnet werden, wie schon 2016…“ Aufruf zur Antifa-Kundgebung wegen Nazimobilisierung bei irgendwoindeutschland.org externer Link, dort Hintergründe und aktuelle Informationen (auch bei twitter.com/irgendwoinde), zur Kundgebung am Samstag, 20.01.2018 um 14:30 Uhr beim Park gegenüber dem Bahnhof in Wurzen
  • Hetzjagd von Deutschen auf Geflüchtete 
    „… Um 22:30 Uhr habe sie schon eine Stunde geschlafen, erzählt Frau Wolf*. Von Gebrüll auf der Straße wird sie aus ihrem Bett geholt. Die Frau, die sich eine Zeit lang im Wurzener Demokratiebündnis engagierte, geht ans Fenster. Unten sieht sie dreißig dunkel gekleidete Personen vor dem Haus stehen. Mehrere andere Personen seien vor ihnen ins Haus gerannt. Wolf sieht, wie einer der Männer einen schweren Steinbrocken gegen die Eingangstür wirft. Glas splittert. Der Stein hat die Scheibe der Tür zerstört, landet im Innenhof. Die graue Holztür gibt kurz darauf nach. Vier Gestalten rennen anschließend durchs Treppenhaus nach oben. Wieder klirrt es, die Scheibe der Wohnungstür im dritten Stock. Die vier Männer sind mit Sturmhauben vermummt, einer greift durch das Loch nach der Türklinke auf der Wohnungsseite. Sie stürmen in den Flur, zwei von ihnen bleiben stehen, halten die Bewohner im Schach. Die zwei anderen gehen an das Ende des Flurs, biegen in den Raum auf der rechten Seite ab, ins Schlafzimmer, wo Abdel* mitten im Raum steht. Abdel wird gezielt in den Bauch getreten. (…) »Wir haben hier gar keine Unterstützung.«, sagt Abdel – nach dem Angriff hat er resigniert. »Wir wollen nach Leipzig«, sagt er. »Wir können hier nicht bleiben«. Die WG-Bewohner haben Angst, das Haus zu verlassen. Seit gestern hätten sie nichts gegessen, der Kühlschrank sei leer. Auf den hundert Metern zum Supermarkt rechneten sie mit Angriffen, sagt Abdel – die Rechten würden sich dort häufig treffen. Wenn er abends aus Leipzig von der Schule zurückkommt, werde ihm »Wir wissen wo du wohnst!« hinterher gebrüllt…“ Artikel von Henrik Merker bei neues Deutschland vom 16. Januar 2018 externer Link
  • „Wir können hier nicht bleiben“
    „… Was genau am Freitag in Wurzen passierte, ist noch unklar. Die Polizei berichtet von einem Streit zwischen Jugendlichen und Migranten, zuerst am Park am Bahnhof, „wohl noch rein verbal“. Die „Ausländer“ hätten sich darauf in ihr Wohnhaus zurückgezogen. Zwei Deutsche hätten dort die Haustür beschädigt. Darauf seien ihnen einige Migranten gefolgt und wiederum auf die große Gruppe getroffen. Die habe sie zurück zur Unterkunft gejagt, worauf zwölf Bewohner mit Messern und Knüppeln die Verfolger angriffen – die dann das Haus stürmten. Das Resultat: ein 16- und 21-jähriger Deutscher mit Messerstichen am Oberschenkel, drei verletzte Flüchtlinge…“ Beitrag von Henrik Merker vom 15. Januar 2018 bei der taz online externer Link
  • Doch bereits 2000 war bekannt: Zonen der Angst – Leben mit dem Naziterror in Deutschland
    „Die Oberlausitz, ganz weit im Osten, gerade noch Deutschland. Wer verstehen will, wie die Nazis einer ganzen Region ihren Stempel aufdrücken konnten, muss hierher fahren. Widerspruch haben die Rechten niedergeprügelt, durch Morddrohungen erstickt. (…) Das wären Zonen, in denen gewalttätige Nazis mehr zu sagen hätten als gewählte Bürgermeister und Behörden, in denen es Meinungsfreiheit nur noch für Braune gäbe. In der Oberlausitz ist der Weg dorthin nicht mehr weit.“ Bericht von Ariane Reimersund Volker Steinhoff vom 2. November 2000 bei Panorama externer Link (Videolänge: ca. 13:30 Min.)
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=126691
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