Nicht noch einmal 1989 : „PEGIDA“ und der Neoliberalismus

Kommentierte Presseschau von Volker Bahl vom 19.12.2014

Aus diesem Grund könnte vielleicht gerade der ehem. Pfarrer Frank Richter kein angemessener Moderator für einen Diskussionsprozess mit Pegida in Dresden sein, denn er war maßgeblich an der zwar friedlich-verlaufenden aber wesentliche Themen ausklammernden Vereinigungsprozess im Jahre 1989 beteiligt (Stichwort: ein platter „Sieg“ des Westens: http://www.fr-online.de/pegida/pegida-dresden-pegida-will-nicht-reden,29337826,29363000.html externer Link)

Unter dieser Voraussetzung ist dann die aus der Nähe gemachte Analyse des sächsischen Kulturbüros Pegida – ein rassistischer Resonanzraum (http://www.kulturbuero-sachsen.de/images/PDF/Pegida_ein_rassistischer_Resonanzraum_eine_Einschtzung_des_Kulturbuero%20Sachsen_e.V.pdf externer Link pdf) zwar in seiner aktuellen Quintessenz wohl richtig – aber eben letztlich doch verkürzt, weil diese jüngste Geschichte dieser Menschen – und wie sie sich betrogen fühlten – und eben immer noch fühlen, außer Acht lässt. Zwar sind dort auch die Defizite einer demokratischen Öffentlichkeit für Flüchtlinge nach der Beseitigung des Asyl-Grundrechts von 1993 angesprochen (Ziff. 6 – „Institutioneller Rassismus“), die Navid Kermani zur 65-Jahr-Feier des Grundgesetzes noch im Mai diesen Jahres aufgezeigt und angemahnt hatte. (siehe insbesondere ab der Mitte der Seite 3 seiner Rede im Deutschen Bundestag: http://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2014/-/280688 externer Link)

Dennoch wird die gesamte Hoffnung eines – auch mit den Betroffenen einvernehmlicher „Neuanfang“ – auch verfassungsmäßig“ – wahnsinnig enttäuscht. Die jetzt wieder ausgerufenen Worte „Wir sind das Volk“ bekommen damit einen anderen Klang, als so wie die Medien in derzeit karikieren. Deshalb ist es weiterhin richtig, dass Pegida weiter diskutiert werden muss. (http://www.nachdenkseiten.de/?p=24318#h01 externer Link)

Damit kommen wir aber auch just zu der Diskussion, die damals „westlicherseits“ in bloßer „Beute-Gier“ (vgl. die Geschichte des Fledderns der DDR-Industrie durch die „Treuhand“) einfach ausgeklammert, wenn nicht unterdrückt wurde – mit treuer Mit-Hilfe auch der Medien. Deshalb führt diese „Übernahme“ dann eben nicht nur zum jetzt zutage tretenden Rassismus, sondern eben auch zur „oktroyierten“ Wirtschaftsordnung – mit starken sozialen Folgen.

“PEGIDA” und der Neoliberalismus

Albrecht Müller hat auf den Nachdenkseiten einen Artikel veröffentlicht, in dem er Überlegungen vorstellt zu den Ursachen jüngerer Ausgrenzungs- und Rechtstendenzen, wie sie etwa in den Dresdner „PEGIDA“-Protesten zum Ausdruck kommen. Zu Recht betont Müller, dass die Gründe für den zunehmenden Rassismus und das zunehmende ausgrenzende Denken vor allem in der neoliberalen Politik der letzten Jahrzehnte zu suchen und zu finden sind. Eine kleine Ergänzung scheint aber sinnvoll: Diese so offensichtlich zur Schau getragene Medien- und Politik-Verdrossenheit (http://www.annotazioni.de/post/wysijap/subscriptions?email_id=172&user_id=240&urlencoded=aHR0cDovL3d3dy5hbm5vdGF6aW9uaS5kZS9wb3N0LzE0NjA%3D&controller=stats&action=analyse&wysija-page=1&wysijap=subscriptions> externer Link. Dazu kann man weiter aktuell noch ein neues Buch zur Vertiefung heranziehen, das Rudolf Hickel, der Ökonom, gerade kurz vorgestellt hat: „Deutschland im Tiefschlaf“: http://www.nachdenkseiten.de/?p=24283 externer Link)

Und auch daraus kann eine zentrale Botschaft hervorgehoben werden: „In mehr als zwei Jahrzehnten Politikbeobachtung habe ich niemals einen derart eklatanten Widerspruch erlebt zwischen dem Image einer politischen Persönlichkeit und ihrer tatsächlichen Politik. Nie ist es einem Politiker in Deutschland gelungen, derart konsequent auf Kosten der Mehrheit politisch zu handeln und zugleich die Sympathie dieser Mehrheit zu gewinnen.“ Dabei ist die für eine Demokratie so wichtige stabile „Mitte“ ökonomisch immer weiter am Schrumpfen, wie u.a. das DIW konstatieren muss. (http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/studie-des-diw-und-der-universitaet-bremen-deutschlands-mitte-broeckelt-1.1549259 externer Link)

Wo Abstiegsängste immer mehr zur Normalität werden, beginnt es verständlicherweise auch politisch zu gären.

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=72248
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