Der doppelte Dessauer Kniefall: Auf dem Weg zum Gefängnisbaumeister? Bauhaus-Peinlichkeit gegen Feine Sahne Fischfilet

Dossier

Gegen Internetsperren in einer freien GesellschaftGegen Internetsperren in einer freien GesellschaftDass das gute alte ZDF tatsächlich ein kommunistischer Propagandasender ist, hat lange niemand geahnt. Doch jetzt steht es fest. Der seit Jahrzehnten beliebte linksextremistische Fernsehsender hatte die Absicht, Anfang November auf der historischen Bühne des Bauhauses Dessau ein Konzert der linken Rockband Feine Sahne Fischfilet aufzuzeichnen. Das ZDF hatte aber nicht damit gerechnet, dass es in einem Land wie Sachsen-Anhalt Usus ist, jede Form kultureller Äußerung, die nicht unter das landestypische Brauchtum (Ausländerjagd, Fahnenschwenken usw.) subsumiert werden kann, unter Generalverdacht zu stellen und sich gleichzeitig bei der AfD, der zweitstärksten Partei im Landesparlament, bei jeder Gelegenheit einzuschleimen. Ortsansässige Nazibanden hatten im Internet gegen das bevorstehende Konzert gehetzt. Und beim Bauhaus Dessau hörte man den Ruf. Gewiss hatte man beim Bauhaus Angst, man könnte von den Nazis und von der Landesregierung scheel angesehen werden, weil eine TV-Sendeanstalt das Konzert einer Hand voll junger Künstler abzufilmen gedenkt, die irgendeine besorgniserregende entartete Musik machen und auch keinen mit dem Lineal gezogenen Seitenscheitel tragen. Per eilig herausgegebener Presseerklärung sagte man also unter Berufung auf das Hausrecht dem ZDF die Konzertaufzeichnung ab…“ – aus dem Beitrag „Rechts, links oder andere“ von Thomas Blum am 19. Oktober 2018 in neues deutschland externer Link, worin auch noch darauf hingewiesen wird, dass es eigentlich andere Traditionen im Bauhaus gab – und weniger darauf, wohin solche Kniefälle führen müssen… Und wer jetzt meint, damit sei der Gipfel der Peinlichkeit bereits erreicht: Täuscht sich… Auch das Theater Dessau zieht den Schwanz ein und ein Minister für Kultur findet es sau gut:

  • Theater Dessau korrigiert sich – Bauhaus nicht. Und macht mit Kniefall vor den Rechten Schule: Nach Konzert jetzt auch (in Plauen) Veranstaltung zum Gedenken an antisemitisches Pogrom abgesagt New
    Nach der heftigen öffentlichen Diskussion um den abgesagten Auftritt der Band Feine Sahne Fischfilet hat die Theaterleitung verstanden, dass der Diskurs über Kunst nur geführt werden kann, wenn die Kunst sich unbedingt in aller Freiheit präsentieren kann. Die abschlägige Antwort auf eine kurzfristige Anfrage der Medien war schlecht überlegt und falsch. Daher hat das Theater Kontakt mit der Band aufgenommen, um Entschuldigung gebeten und den Akteuren in Dessau, die sich um einen alternativen Spielort bemühen, Hilfe und Beteiligung, sei es im Theater oder anderswo, angeboten. Die Stadt unterstützt es bei der Raumfindung und begrüßt den Auftritt in ihren Mauern. Als das heutige Gebäude des Theaters errichtet wurde, wurden Künstler gegängelt,  an der Ausübung ihres Berufs gehindert und massenweise vertrieben, verschleppt  und getötet. Dem Theater ist bewusst, dass Versuchen, die Kunst zu behindern, jederzeit entgegengetreten werden muss. Auch und gerade in der politischen Auseinandersetzung. Und auch kurzfristig. Der Auftritt wird am 6. November in Dessau stattfinden. Näheres werden die Veranstalter in Kürze mitteilen. Auch beim Publikum bitten wir um Entschuldigung für die viel zu lange Leitung…“ – aus der Presseerklärung „Anhaltisches Theater und Stadt Dessau-Roßlau unterstützen Auftritt von Feine Sahne Fischfilet“ vom 22. Oktober 2018 auf der Webseite des Theaters. Siehe dazu auch einen Beitrag zur nach wie vor aufrecht erhaltenen Weigerung des Bauhauses und einen Bericht über eine weitere skandalöse Absage aus Plauen:

    • „Das traurige Schauspiel um die Punkband und das Bauhaus Dessau“ von Florian Rötzer am 23. Oktober 2018 bei telepolis externer Link kritisiert unter vielem Anderen: „Man will also politisch neutral sein, gibt aber dem Druck der Rechtsradikalen nach und forderte etwa nicht, von Stadt und Land entsprechenden Polizeischutz an. Das hat zu einem Aufschrei geführt und massiver Kritik an der Entscheidung. Darauf reagierte man – wieder ist unklar wer – im Bauhaus mit einer erneuten Mitteilung. Wieder ging es um den Schutz des UNESCO-Welterbes, da doch Fenster eingeschmissen werden könnten. Man wollte auch unschöne Bilder vermeiden, also das Problem des Rechtsextremismus verdrängen. Mit dem Bauhaus – und mit Dessau und Sachsen-Anhalt – wollte man „keine erneuten medialen Bilder einer gespaltenen zerrissenen Gesellschaft ermöglichen“. Einer Konfrontation mit Rechtsradikalen, so muss man das deuten, geht man lieber aus dem Weg und lässt sie sein, was auch heißt, man lässt sie bestimmen, welche Kulturveranstaltungen am Bauhaus und anderswo stattfinden können. Und weil man die Kritik ernst nehme, lade man, man ist ja so offen, zu einer Debatte „Bauhaus, Politik und Extremismus“ ein. Noch peinlicher für das Bauhaus wurde, dass zunächst der Berliner Kultursenator Klaus Lederer (Die Linke) und der Trägerverein des Berliner Bauhaus-Archivs dem ZDF angeboten haten, dass die Band im Gebäude des Bauhaus-Archivs in Berlin auftreten könne. Der Vorstandsvorsitzende des Trägervereins, Markus Klimmer, sagte: „Das Bauhaus ist ein politischer Ort.“ Durch die Entscheidung werde „die Marke Bauhaus schwer beschädigt“. Naja. Schlimmer kam es dann, als die Leitung des Anhaltiner Theaters gestern bekannt gab, die Entscheidung zu revidieren. Man hat den Mut, eine falsche Entscheidung einzugestehen und um Entschuldigung zu bitten (…)Perren gibt der Politik nach und meint weiterhin, sie könne durch irgendwelche Diskussionen das Fiasko wieder gut machen: „Wir wollen in den kommenden Wochen die Kritik, vor den Rechten eingeknickt zu sein, zum Anlass nehmen, eine öffentliche Debatte darüber zu führen, wie wir uns heute für eine offene Gesellschaft und gegen Ausgrenzung engagieren.“ Das hätte man zeigen können und hat es verpasst. Es hätte ja auch die Möglichkeit gegeben, vor oder unmittelbar nach dem Auftritt der Punkband in eine Diskussion einzutreten. Jetzt ist sie nur noch ein Placebo, die Direktorin und der Wissenschaftliche Beirat sind ramponiert, vom Stiftungsrat, der politisch entscheidet, war vielleicht nicht anderes zu erwarten…
    • „Geplanter Nazi-Marsch: OB fordert ein Verbot“ von Manuela Müller am 23. Oktober 2018 in der Freien Presse externer Link berichtet unter anderem: „Jetzt am Jahrestag will sich die rechtsextremistische Partei Der Dritte Weg in Plauen ins Gespräch bringen. Abends wollen sich ihre Anhänger auf der Bahnhofstraße treffen und mit Kerzen durch die Stadt marschieren. „Wir gehen auf die Straße und führen die Flamme, die dieses Volk eines Tages im Feuersturm erwachen lässt.“ Das ist die Botschaft, mit der die Rechtsextremisten im Internet für ihren „Lichtermarsch in Plauen“ werben. Eigentlich wollten an diesem Tag zwei Frauen, die die jüdische Geschichte der Stadt aufarbeiten, zusammen mit Schulkindern zum Bahnhof gehen. Sie wollten die Namen der Juden vorlesen, die damals vertrieben wurden. An Ort und Stelle, wo die Familien mit ihren Kindern vor 80 Jahren in die Züge gesetzt wurden. „Das fällt nun aus Sicherheitsgründen aus“, sagt Petra Rank, Stadt-Vorsitzende der Linken…“
    • Siehe auch: Offener Brief zum Auftrittsverbot der Punk-Band Feine Sahne Fischfilet am Bauhaus Dessau. Petition bei change.org externer Link
  • „Feine Sahne Fischfilet darf auch in Theater nicht auftreten“ am 20. Oktober 2018 bei Spiegel Online externer Link meldet die Fortsetzung der Feigheit (vor dem Freund?) nach der Bauhaus-Peinlichkeit: „Das ZDF und Feine Sahne Fischfilet erklärten daraufhin, man wolle nach einem alternativen Standort in Dessau suchen. Bislang sind sie dabei noch nicht fündig geworden. Es gab sogar eine weitere ausdrückliche Absage: Das Anhaltische Theater Dessau erklärte, es stehe als alternativer Veranstaltungsort nicht zur Verfügung. Durch die Absage des ZDF-Konzerts sei der eigentliche künstlerische Auftritt der Band in eine undifferenzierte politische Auseinandersetzung geraten, sagte eine Theatersprecherin. Das Theater würde mit der Einladung der Band – unkommentiert und als Symbol – ein politisches Statement geben, zu dem es nicht bereit sei“  – die Steigerung durch eine Absage-Begründung, die mehr verrät, als sie soll, zu dem klaren Statement, das die Truppe mit der Ausladung gab, war sie in der ausgesprochen einfach differenzierten Auseinandersetzung aber sehr wohl bereit...“
  • Sänger der linken Punkband »Feine Sahne Fischfilet«, Jan Gorkow„Kulturminister Sachsen-Anhalts verteidigt Konzert-Absage“ am 19. Oktober 2018 beim Deutschlandfunk(t) externer Link zur ministeriellen Stellungnahme: „Sachsen-Anhalts Kulturminister Robra hat die Entscheidung des Bauhauses Dessau verteidigt, ein Konzert der linken Punkband „Feine Sahne Fischfilet“ abzusagen. Der CDU-Politiker sagte dem MDR, eine politische Konfrontation sei mit dem Bauhaus nicht vereinbar. In den Sozialen Medien hagelt es Kritik. Sachsen-Anhalts Kulturminister Robra hat die Entscheidung des Bauhauses Dessau verteidigt, ein Konzert der linken Punkband „Feine Sahne Fischfilet“ abzusagen. Der CDU-Politiker sagte dem Mitteldeutschen Rundfunk, eine politische Konfrontation sei mit dem Bauhaus nicht vereinbar. Die Direktorin des Bauhauses sei in die Überlegungen des ZDF, die Musiker für ein Konzert am 6. November einzuladen, nicht eingebunden gewesen. Die Absage sei nicht in erster Linie eine Reaktion auf die Bedrohung durch Rechtsextreme gewesen…“ nur in zweiter Linie. Oder so.
  • »Feine Sahne Fischfilet« hält an Auftritt in Dessau fest
    Kulturstaatsministerin verteidigt Kunstfreiheit / Grütters: Es dürfe »niemals der Eindruck entstehen, dass der Druck der rechtsextremistische Szene ausreicht, ein Konzert zu verhindern«. Die Band »Feine Sahne Fischfilet« hält an einem Auftritt in Dessau-Roßlau fest. Die Gruppe teilte mit, dass der Auftritt wie geplant am 6. November stattfinden werde. Die Bauhaus-Stiftung hatte das Konzert wegen befürchteter Auseinandersetzungen mit rechten Gruppierungen abgesagt. »Feine Sahne Fischfilet« wirft der Stiftung vor, auf Druck von AfD, CDU und der lokalen Neonazi-Szene eingeknickt zu sein…“ Agenturmeldung vom 21.10.2018 beim ND online externer Link
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