Hartz IV-Widerstand: „Wenn Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht“

Schwarzfahren: "Ich fahre umsonst"„Die Hartz-Gesetze stehen synonym für ein System aus Lohnsenkungen, Verarmung, Entrechtung und den Kampf gegen Arme statt gegen Armut. Sie eröffneten das Dauerfeuer auf Lohnabhängige und forcierten eine Entwicklung hin zum Boom der Leiharbeitsbranche, die aus gutem Grund auch als „moderner Sklavenhandel“ kritisiert wird. Dank der neoliberalen Ideologie, die die Armen für ihr Elend selbst verantwortlich macht und verpönt, ist der reale Widerstand der Betroffenen gegen die ihnen beständig zugefügten Demütigungen oft gering. Dass das nicht so sein muss, erfuhr Jens Wernicke im Gespräch mit dem Anti-Hartz IV-Aktivisten Manfred Bartl, der immer wieder mit verschiedenen Aktionen darauf hinweist und dafür wirbt, die eigenen Grundrechte ganz praktisch zu verteidigen, um in diesem System nicht unterzugehen.“ Interview von Jens Wernicke vom 19. Dezember 2016 bei den NachDenkSeiten externer Link und weitere Informationen:

  • Zu seiner Aktion „Schwarzfahren für Gerechtigkeit“ betont Manfred Bartl u.a. : „… Kann ich zulassen, dass die Bundesrepublik Deutschland in Komplizenschaft mit der Landeshauptstadt Mainz als subsidiär verantwortlicher Ebene für die Daseinsvorsorge, die für das sogenannte Sozialticket hier zuständig ist, mich meines Grundrechtes auf Mobilität berauben? Diese Frage habe ich guten Gewissens verneint, der Mainzer Verkehrsgesellschaft dann ein, angesichts des Grundrechte berührenden Problems, mit nur zwei Wochen relativ großzügiges Ultimatum gestellt und nach erwartungsgemäßem Verstreichen desselben schließlich mein „Schwarzfahren für Gerechtigkeit“ begonnen, das ich bis zum heutigen Tag fortsetze und auch so lange fortführen werde, bis meine Forderung nach einem menschenwürdig bezahlbaren Sozialticket erfüllt oder eine umfassende Lösung für das Problem sozialer Mobilität gefunden sein wird. Es gibt einen guten Satz, der Brecht zugeschrieben wird und der mir die Richtung vorgibt. Er lautet: „Wenn Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht!“ Und, ehrlich: Wie anders sollte es gehen? Schauen Sie sich all das Elend an, für das der Neoliberalismus seit Langem verantwortlich zeichnet, den modernen Sklavenhandel mittels sogenannter „Leiharbeit“ und das ganze Verarmungs- und Entrechtungsregime à la Hartz – meinen Sie ernsthaft, das würde von alleine wieder weggehen, die Eliten gäben eine für sie so wunderbare Praxis einfach von selbst wieder auf? Ganz sicher tun sie dies nicht. Und insofern gilt eben: Wer sich nicht wehrt, lebt verkehrt. (…) Was ich mir beim besten Willen nicht backen kann, sind Menschen, die wie ich aus eigenem Antrieb für die Sache aktiv werden und sich entweder unmittelbar an der Aktion „Schwarzfahren für Gerechtigkeit“ beteiligen oder sie nach Kräften flankierend unterstützen. Etwa mit Leserbriefen, Recherchen oder materiellen Zuwendungen für die politische Schlagkraft der Aktion. Schon die bloße Erinnerung, eine Äußerung im öffentlichen Raum, dass die Stadt oder die Region, in der jemand lebt, noch immer kein Sozialticket, kein Modell zur inklusiven Sicherung der Mobilität Aller vorweisen kann, hilft. Möglich ist etwa, anstelle eines Sozialtickets den fahrscheinlos nutzbaren ÖPNV für alle oder Ähnliches zur eigenen Forderung zu erheben. Oder die Organisation eines Kreises von Zeitkartenbesitzern, die ihre Bereitschaft, die damit verbundene Mitnahmeregelung an Abenden und Wochenenden mit Menschen ohne eigene Fahrkarte zu teilen, erklären…“
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=108969
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