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Verfassungsgebende Versammlung in Venezuela: Eine Lösung? In wessen Sinn?

venezuela 2014Es kann keinen ehrlichen Bericht davon geben, was in Venezuela falsch gelaufen ist, ohne zuerst anzuerkennen, was der Chavismus richtig gemacht hat“ so in dem Beitrag „Venezuelas unerledigte Angelegenheiten“ Daniel Finn am 20. Juni 2017 bei amerika21.de externer Link (ursprünglich englische Fassung im Jacobinmag, übersetzt von Malte Greger), um später, nach einer Rundschau über eine ganze Reihe von Sozialreformen, über politische Maßnahmen und Entwicklungen  zu bilanzieren: „Das bedeutet nicht zu behaupten, dass der Chavismus eine perfekte Bilanz hatte, wenn es um demokratische Rechte ging: Es gab sicherlich legitime Gründe für Kritik. Insbesondere die kläglichen Bedingungen in den Gefängnissen Venezuelas blieben weitgehend unreformiert und ihre Polizeikräfte hatten ein gereiztes Verhältnis zu den Bewohnern der städtischen Barrios. Doch im Vergleich mit anderen Ländern Amerikas, wäre dies kein Grund, um Venezuela den Status eines demokratischen Staates abzusprechen. Andere Kritiken berücksichtigten nicht den gewaltsamen Widerstand, dem Chávez seit der Machtübernahme seitens der rechten Opposition ausgesetzt war“ – Siehe dazu noch einige weitere Kernaussagen dieses Beitrages und drei weitere Beiträge linker Strömungen aus Venezuela und der internationalen Solidaritätsbewegung:

  • „… Wieder einmal kam der historische Gedächtnisschwund ins Spiel: Die Gefahr einer gewalttätigen Konterrevolution und die Notwendigkeit, entscheidende Schritte zu unternehmen, um diese Gefahr abzuwenden, wurde von den meisten liberalen Analysen ausgeschlossen – als ob es keine lange und grausame Geschichte von demokratisch gewählten Links-Regierungen in Lateinamerika gäbe, die von Militärputschen gestürzt wurden“. Schließlich zur aktuellen Krise: „Maduro hat die Opposition für die Krise verantwortlich gemacht und beschuldigt sie, einen „wirtschaftlichen Krieg“ gegen seine Regierung zu führen. Aber es gibt keine Notwendigkeit, ein direktes politisches Motiv anzunehmen: Alles, was die verschiedenen Akteure zu tun hatten, war Marktanreizen zu folgen und das Ergebnis würde zu einem ökonomischen Crash führen…
  • „DIE REGIERUNG WILL EINE SIMULIERTE DEMOKRATIE“  ist Interview mit Gonzalo Gómez über die Krise in Venezuela in den Lateinamerika Nachrichten Ausgabe Nummer 516 vom Juni 2017 externer Link, worin dieser zur verfassungsgebenden Versammlung und seiner These, dies simuliere Demokratie anmerkt: „Die Kunst besteht darin, eine breite Partizipation vorzugaukeln, obwohl die Regierungspartei PSUV alle Fäden in der Hand hält. Während Referenden behindert und die Regionalwahlen verschoben werden, will Maduro eine Verfassunggebende Versammlung gegen die offensichtliche Mehrheit der Bevölkerung durchsetzen (siehe Kasten). Aber es geht ihm nicht darum, mit der Revolution voranzukommen und die Rechte der Bevölkerung auszuweiten. Vielmehr soll die Verfassung von Chávez demontiert werden. Denn obwohl die Regierung ständig dagegen verstößt, stellt diese eine gewisse Bremse auf dem Weg in den Autoritarismus dar. Die vom Nationalen Wahlrat beschlossenen Regeln für die Wahl der Verfassunggebenden Versammlung verschaffen der Regierung einen klaren Vorteil und die Bevölkerung darf nicht einmal in einem Referendum darüber entscheiden, ob sie überhaupt eine neue Verfassung will. All dies nimmt dem Vorhaben die Legitimität“. Im weiteren Verlauf des Gesprächs verweist er auch darauf, dass die Massenerhebung gegen den Putschversuch von 2002 auch eine zur Verteidigung der Verfassung gewesen sei.
  • Die Einberufung der verfassunggebenden Versammlung löst die schwere Krise in Venezuela nicht“ von Aram Aharonian am 12. Juni 2017 bei amerika21.de externer Link (ursprünglich bei aporrea, deutsche Übersetzung Nina Hilgenböcker) ist ein Beitrag, der versucht, die gegenwärtigen Fronten etwas genauer zu betrachten: „Die Sprengsätze bleiben bestehen: die Unsicherheit, die Unterversorgung, die Nahrungsmittelsicherheit. Man muss verstehen, warum passiert, was gerade passiert; die wachsende Unzufriedenheit, hervorgerufen durch die wirtschaftliche Situation, den Mangel, die Unsicherheit… Es gibt Gruppierungen innerhalb der Opposition, die sich nicht von dieser faschistischen Politik instrumentalisieren lassen wollen, die die Jugend als Kanonenfutter benutzt. Es gibt Äußerungen des kritischen Chavismus (von Leuten, die sich, um genau zu sein, selbst so bezeichnen), Personen aus der Regierung und den Streitkräften, die ebenfalls nicht mit der Rolle zufrieden sind, die sie übernehmen sollen. Parallel zu der Polarisierung – die ein natürliches Resultat der Widersprüche und der Konfrontation um den Reichtum und die politische Macht ist – und zur politischen Radikalisierung der vergangenen Jahre hat sich die Gewalt ausgebreitet, offen und versteckt“.
  • „Gibt es die Kommunen in Venezuela?“ von Marco Teruggi am 12. Mai 2017 bei amerika21.de externer Link (in der Übersetzung von  Maren Krätzschmar) behandelt die Frage nach Selbstorganisation unter anderem so: „Erklären lässt sich das mit der gegenwärtigen politischen Situation, die keinen Raum für mittelfristige Angelegenheiten lässt. Das was gerade besonders wichtig ist, überdeckt immer alles Weitere. Problematisch ist allerdings, dass es sich bei diesem Weiteren um Hugo Chávez‘ strategisches gesellschaftliches Projekt handelt. Die Kommunen werden trotzdem nicht hochgehalten, um die Errungenschaften des Prozesses zu zeigen; als Räume in denen der Sozialismus ausgetestet wird, wo erfolgreiche Erfahrungen in der Produktion gemacht werden – gerade in einem Moment, in dem es notwendig ist, zu produzieren. Aber das entspricht nicht der öffentlichen Wahrnehmung.. Existieren die Kommunen überhaupt? Ja, es gibt mehr als 1.700. Man sagt, sie seien nur fiktiv, existierten nur auf dem Papier. Es wird versucht, sie schlecht zu machen, sie für nichtig zu erklären. Wie im gesamten Prozess der popularen Organisation, gibt es Unterschiede zwischen den Kommunen, in ihrer Beziehung zum Staat, zu Bewegungen, etc. Stellen einige von ihnen Modelle der realen Selbstverwaltung dar? Ohne Zweifel. Wie viele von ihnen? Schwer zu sagen. Interessanter ist es, die Sache in umgekehrter Richtung anzugehen: statt diejenigen Kommunen zu suchen, die nicht das erreichen, was sie sollen, zu denen zu gehen, die den Prozess voranbringen“.
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=117886
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