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Zwischen Naturkatastrophe und Kolonialismus: Wem das US-Kapital auf Puerto Rico helfen will

Proteste gegen die Politik der US Regierung nach dem Hurrikan Maria auf Puerto Rico hier am 15.10.2017

Schon die Präsidentenshow nach dem Hurrikan auf Puerto Rico war anders, als bei vergleichbaren Gelegenheiten (siehe dazu den Verweis auf frühere Beiträge am Ende der Materialsammlung). Wenn anderswo Aktivität gezeigt, zumindest vorgetäuscht wurde, so war es bei Trumps Abstecher nach Puerto Rico blanke rassistische Herablassung: Es gehe doch alles seinen Gang, so der Tenor des Sprechers weißer Vorherrschaft. Über einen Monat nach „Maria“ liegt die Stromversorgung auf der Insel immer noch darnieder. Kein Wunder, dass selbst Mainstream-Medien registrieren mussten, dass die Zahl der Menschen deutlich wächst, die sich fragen, warum dasselbe Problem auf Kuba binnen Tagen gelöst werden konnte. Und während von der Gewerkschaft der Krankenschwestern der USA bis zur Elektrikergewerkschaft Puerto Ricos, von puertorikanischen Armee-Veteranen bis zu zahllosen Anwohnervereinigungen und sozialen Bewegungen auch hier – wie etwa in Mexiko nach den Erdbeben – die Selbsthilfe sowohl die Kraft der Bewegung, als auch den menschenfeindlichen Charakter des bürgerlichen Staates mehr als deutlich machen, hilft die Trump-Regierung. Ihren Wahlkampf-Spendern. Aufgrund massiver Proteste musste Ende Oktober 2017 der Gouverneur der Insel einen Vertrag aufkündigen, den er kurz zuvor mit dem Unternehmen Whitefish Energy  zum Wiederaufbau der Stromversorgung abgeschlossen hatte: Der Unternehmer steht in enger persönlicher Verbindung zu Trumps Stab und war Großspender des Wahlkampfes… Siehe dazu unsere kommentierte Materialsammlung „Zwischen Naturkatastrophe und Kolonialismus“ vom 31. Oktober 2017:

„Zwischen Naturkatastrophe und Kolonialismus: Puerto Rico 2017“

Ein auch nur oberflächlicher Vergleich der Reaktionen der US-Regierung auf die keineswegs nur natürlichen Katastrophen in Texas, Florida und Kalifornien zur Haltung, die sie gegenüber Puerto Rico demonstriert, verweist deutlich auf eine rassistische und kolonialistische Grundlage dieser Politik. Kapitalistische Grundlage – sowieso…

Die Lage der Menschen nach dem Sturm: Warum die Ankündigung „weiterer“ Hilfe zunehmend als Drohung verstanden wird

Vom späten und zynisch-arroganten Besuch Trumps über die diversen Neuigkeiten, wer da alles irgendwie „helfen“ wolle, von systematischen Falschmeldungen über den Gang der Reparaturarbeiten – insbesondere bei Strom und Wasser – bis hin zum Herunterspielen der Zahl der Todesopfer, jede neue Meldung über die „Nach – Maria“ Aktivitäten aus den USA machte die kolonialistische Haltung der offiziellen amerikanischen Politik gegenüber der Insel deutlich.

„Trump belehrt Hurrikan-Opfer“ von Dorothea Hahn bereits am 04. Oktober 2017 in der taz externer Link war ein Beitrag, der (inklusive des berüchtigten Fotos, auf dem Trump Scheißhauspapier in die Menge wirft) die Arroganz von „Amerika wieder groß machen“ aus Anlass des Trump-Besuches deutlich machte: „Am selben Tag findet Donald Trump vier Stunden Zeit für die Insel. Nachdem er die Lage der Puertorriqueños tagelang ignoriert hat und sie anschließend mit Tweets bedacht hat, in denen er sein Mitgefühl mit Vorurteilen – sie seien faul und warteten auf Hilfe von außen, anstatt selbst die Ärmel hochzukrempeln – mischte, bietet er den Insulanern am Dienstag einen eigenartigen Besuch. Die vier Stunden sind komplett auf die Produktion von Bildern und Worten ausgerichtet, die seine Rolle in der humanitären Krise auf dem US-Territorium mit 3,4 Millionen Einwohnern schönfärben sollen“.

„US-Präsident in Puerto Rico, Hilfslieferungen angelaufen“ von Cory Unverhau und  Vilma Guzmán ebenfalls am 04. Oktober 2017 bei amerika21.de externer Link war ein Beitrag, der neben den wachsenden Kritiken an der Haltung der US-Regierung (und dem Dank an Venezuela für die Hilfe) auch die wesentliche kolonialistische Grundstruktur als wichtigsten Faktor der Verschmlimmerung der Katastrophe benennt: „Die venezolanische Regierung hatte bereits am 25. September zugesagt, Hilfsgüter und Benzin zu liefern. Solche Lieferungen sind erst seit dem 28. September möglich, nachdem Trump die Freistellung Puerto Ricos vom sogenannten Jones Act für zehn Tage verfügte. Der Jones Act von 1920 sieht vor, dass Schiffe, die Güter von einem US-Hafen zum nächsten transportieren wollen, in den USA hergestellt worden sein müssen, US-Staatsangehörigen gehören und von US-Bürgern betrieben werden müssen. Ausländischen oder im Ausland gebauten Schiffen ist der direkte Transport von Gütern und Passagieren nach Puerto Rico, das den Status eines assoziierten Freistaates der USA hat, prinzipiell untersagt. Für die Karibikinsel erwies sich dies nach dem Sturm als katastrophal, weil dadurch die Nothilfe unnötig verzögert und verteuert wurde. Gouverneur Rosselló und mehrere Abgeordnete des US-Kongresses haben indes eine Freistellung von einem Jahr für Puerto Rico verlangt, da es nach Schätzungen der Behörden bis zu sechs Monate dauern könnte, bis die Stromversorgung auf der ganzen Insel mit ihren 3,4 Millionen Einwohnern wiederhergestellt sei. Ferner argumentieren sie, dass dringend Lebensmittel, Medikamente, Kleidung und andere Versorgungsgüter auf der Insel gebraucht werden“.

„Keine echte Katastrophe“ von Jürgen Heiser am 06. Oktober 2017 in der jungen welt fasst die Reaktionen auf Trumps Besuch so zusammen: „Aktivisten der Unabhängigkeitsbewegung und Umweltschützer protestierten mit einer Kundgebung im Zentrum von San Juan, ohne Trump zu Gesicht zu bekommen. Sie kritisierten seine Leugnung des Klimawandels und forderten auf Plakaten »Schuldenerlass – Menschenleben gehen vor« und »Puerto Rico entkolonialisieren!«. Die Vorsitzende der Working People’s Party of Puerto Rico, Mariana Nogales Molinelli, erklärte Trump »wegen seiner von Rassismus, Klassendünkel, Homophobie und Fremdenfeindlichkeit geprägten Ansichten« für »nicht willkommen«. Sonia Santiago Hernández von den »Müttern gegen den Krieg« fügte hinzu: »In unseren Gemeinden erleben wir eine militärische Besetzung, sehen jedoch nichts von der Hilfe, die uns die US-Soldaten angeblich bringen sollen.« Trump bringe keine Lösungen, die Bevölkerung sei jedoch stark, stehe zusammen und helfe sich selbst, so die Aktivistin“.

„Puerto Rico at the Precipice“ von Fernando Tormos-Aponte und José Ciro Martínez am 05. Oktober 2017 beim Jacobin Magazine externer Link ist ein Beitrag, in dem – unter anderem – konkrete Auswirkungen des Sturms berichtet werden, die in der gutbürgerlichen Berichterstattung in der Regel fehlen. So etwa, wenn die Autoren darauf verweisen, dass die totalen Stromausfälle auch in Krankenhäusern zu zahlreichen Todesopfern geführt haben, von denen vermieden wird, sie als Opfer des Sturms zu betrachten – ganz in Trumps Sinn. Es wird darin auch davon berichtet, wie die Unternehmen aus den USA zahlreiche ihrer Billiglohn-Betriebe, die sie in den letzten Jahrzehnten steuerbegünstigt errichtet hatten, wieder schließen: Zumindest erst einmal, um die Belegschaften in großartiger humanitärer Unternehmerhilfe auf die Straße zu werfen zu können, was auch in breitem Ausmaß geschehen sei. Die Landwirtschaft wieder aufzubauen, so wird abschließend vermerkt, werde ohnehin eine Reihe von Jahren dauern…Diese und andere Schlaglichter sollen ein Verständnis dafür erwecken, dass es sich eben in der Tat um kolonialistische Strukturen handelt.

„On-the-Ground Reports Destroy Trump‘s Sunny Portrayal of Puerto Rico Recovery“ von Julia Conley am 11. Oktober 2017 bei Common Dreams externer Link ist eine Umschau zu zahlreichen Augenzeugenberichten vor Ort, die eine ganz andere Wirklichkeit beschreiben, als die von der US-Regierung dargestellte. Ein Schwerpunkt sind dabei Berichte der 50 Aktivistinnen der Krankenschwesterngewerkschaft NUN, die haarsträubendes zutage fördern – und auch die Kritiken an der FEMA (Federal Emergency Management Agency), die unter anderem die Essensbeschaffung zu organisieren hätte. Deren größte Lieferungen waren 200.000 Mahlzeiten an einem Tag, bei rund 2 Millionen Bedürftigen (über die Hälfte der EinwohnerInnen). Wobei die liefernden Großküchen sich darüber beklagten, dass die entsprechenden Verträge von der FEMA nicht verlängert wurden…

Estimated death toll in Puerto Rico from Hurricane Maria rises to 450“ von Rafael Azul am 20. Oktober 2017 bei wsws externer Link ist ein Beitrag über einen Bericht bei USA Today, in dem die Zahl der Todesopfer auf das beinahe Zehnfache der bis dahin offiziell angegebenen 48 Toten berechnet wird, durch die Addition der verschiedensten konkreten Angaben aus Vorort-Berichten uterschiedicher Organisationen.

„Deaths caused by Leptospirosis reported in Puerto Rico“ von Benjamin Mateus am 16. Oktober 2017 ebenfalls bei wsws externer Link ist ein Beitrag über den Anstieg von Leptospirosis – Infektionen in abgeschiedenen Landesteilen. Die bakterielle Erkrankung, nahezu ausschließlich in landwirtschaftlichen Feuchtzonen registriert, war in den USA weitgehend überwunden gewesen. Jetzt besteht die massive Gefahr, dass sie zurück kommt – aufgrund des extremen Wassermangels (dessen Behebung wiederum das Funktionieren elektrischer Pumpen voraussetzen würde) trinken die Menschen jedes erreichbare Wasser und waschen sich auch damit. Auf beiden Wegen kann man sich anstecken.

„Hetze gegen Bürgermeisterin“ von Jürgen Heiser am 12. Oktober 2017 in der jungen welt externer Link berichtet wiederum über die Reaktionen der USA auf Kritik an ihrem Vorgehen – eine Reaktion, die abermals die rassistische Haltung der Verantwortlichen deutlich macht: „Drei Wochen nachdem der Hurrikan »Maria« große Teile des US-Außengebiets Puerto Rico verwüstet hat, ist die US-Regierung dabei, eine der wichtigsten Akteurinnen der Nothilfe für die Bevölkerung politisch kaltzustellen. Im Fadenkreuz einer von US-Präsident Donald Trump losgetretenen Kampagne steht derzeit die Bürgermeisterin der puertoricanischen Hauptstadt San Juan, Carmen Yulín Cruz, der Trump wegen ihrer Kritik an der schleppenden US-Hilfe vorgeworfen hatte, ihre Stadt litte vielmehr unter ihren »armseligen Führungsqualitäten«. Die US-Katastrophenschutzbehörde FEMA will nun mit der Kommunalpolitikerin nicht mehr zusammenarbeiten, da sie nur »politischen Krach« schlage, wie deren Direktor, William »Brock« Long, erklärte. In dem seit dem Wochenende in den USA verbreiteten Interview des Senders ABC wischte Long mit der Bemerkung, man höre Yulín Cruz »einfach nicht mehr zu«, die Arbeit einer Politikerin vom Tisch, die in Puerto Rico hohes Ansehen genießt, weil sie sich seit den Zerstörungen durch den Hurrikan am 20. September weit über ihre Stadt hinaus für die Linderung der Not einsetzt“.

Wer von Katastrophen profitieren will – und wie der Widerstand dagegen organisiert wird

Mit Katastrophen Geschäfte machen lässt sich auf vielfältige Weise. Wiederaufbau-Programme pflegen unter anderem an Baufirmen zu gehen, wobei kleinere Unternehmen in der Regel wegen mangelnder Kapazität gleich ausgeschlossen bleiben. Wenn es um Wasser und Strom geht tauchen weltweit dieselben „üblichen Verdächtigen“ auf (diesmal nicht – zumindest nicht in erster Reihe). Und Kredite vergeben, Sicherheitsmaßnahmen durch private Unternehmen – alles das geschieht auch gerade auf Puerto Rico – weshalb das folgende nur eine kleine Auswahl sein kann…

„Puerto Rico: Drowning in Debt While Capitalists Swim in Profits“ am 01. Oktober 2017 bei Left Voice externer Link ist ein Interview mit Francisco J. Fortuño Bernier vom Movimiento Socialista de Trabajadores über die Lage nach dem Sturm. Die Kritik am Vorgehen der regierung, die er darin ausführlich und konkret darlegt, zentriert sich am ganzen System der Hilfeleistung, die auf kommerziellen Verträgen mit Unternehmen aufbaue, die an diesen Verträgen, getreu der kapitalistischen Logik, verdienen wollen – und müssen. Die verbreitete Kritik der Menschen an Containerschiffen, die vor der Küste ankern, ohne gelöscht zu werden, werde beispielsweise von den lokalen Behörden mit dem Argument abgewehrt, es handele sich dabei nicht um Hilfeleistungen, sondern um Warenlieferungen…Eine Bewegung, die nach langer Zeit wieder wächst...

„Hurricane Irma Unleashes the Forces of Privatization in Puerto Rico“ von Kate Aronoff, Angel Manuel Soto und Averie Timm am 12. September 2017 bei The Intercept externer Link war ein Beitrag vor dem Sturm Maria – über die Auswirkungen des vorhergehenden Sturmes Irma, der vor allem Texas getroffen hatte. Aber bereits die geringeren Auswirkungen von Irma auf Puerto Rico hatten dazu geführt, dass mehrere Unternehmen eine Offensive gestartet hatten, um die weitere Privatsierung der Stromversorgung auf der Insel zu erreichen. Der Gouverneur von Puerto Rico hatte dies in einer ersten Stellungnahme nach dem ersten Sturm begrüßt, da es ohnehin den Vorhaben seiner Regierung entspreche die Puerto Rico Electric Power Authority zu privatisieren. Ein Vorhaben das nun, nach dem zweiten, dem großen Sturm, erst recht verfolgt werden soll.

„Whitefish Energy profits in Puerto Rico from Trump administration connection“ von Rafael Azul am 30. Oktober 2017 bei wsws externer Link ist eine Zusammenfassung der verschiedenen Berichte über die Vergabe des Vertrages (ohne Ausschreibung) zum Wiederaufbau des Stromnetzes von Puerto Rico durch den Gouverneur beziehungsweise durch das staatliche Versorgungswerk PREPA an die Whitefish Energy aus dem Bundesstaat Montana. Das kleine Unternehmen, dessen Besitzer aus dem Kreis der Trump-Unterstützer kommt, hat weder Erfahrung noch Kapazität, diesen Auftrag durchzuführen. Was den Verdacht nahe legt, dass hier eine Geschäftskette mit ausgesprochen dubiosen Zielen organisiert werden soll – so wird es auch in dem Beitrag nahe gelegt.

„Puerto Rican Climate Activist: Aid Being Unfairly Distributed & Superfund Sites Continue to Overflow“ am 24. Oktober 2017 bei Democarcy Now! externer Link ist ein Interview von Juan Gonzalez und Amy Goodman mit ELIZABETH YEAMPIERRE von der Climate Justice Alliance. Darin wird – neben der Kritik an der konkreten Verteilung von Hilfsgütern – vor allem thematisiert, dass die großmäulig angekündigte Hilfe von Trump&Co vor allem aus einem neuerlichen Kredit über 5 Milliarden Dollar bestehe – in dem bereits überschuldeten Puerto Rico eine Vorgehensweise, die ausschließlich dazu diene, den Banken neue Gewinne zuzuschustern.

„Head of Puerto Rico Electrical Workers’ Union Demands Corruption Probe of Whitefish Energy Contract“ am 30. Oktober 2017 bei Democracy Now! externer Link ist ein Gespräch von Amy Goodman und Nermeen Shaikh mit Ángel Figueroa Jaramillo, Vorsitzender der Gewerkschaft der Elektriker Puerto Ricos zum Thema Wiederaufbau-Vertrag mit Whitefish Energy. Das Gespräch fand zu einem Zeitpunkt statt, an dem der Gouverneur, vor allem aufgrund massiver öffentlicher Proteste, das Stromunternehmen bereits angewiesen hatte, den Vertrag nicht zu unterzeichnen. Ein Vertrag der, so der Gewerkschaftsvorsitzende, dermaßen „seltsam“ sei, dass Korruptionsverdächtigungen sozusagen automatisch entstünden – etwa, wenn es zu dem Vertrag gehöre, dass vereinbart werde, dass es keinerlei Kontrollen der Arbeiten durch irgendeine Behörde geben werde.

„Puerto Rico stoppt umstrittenen Energievertrag mit US-Firma“ von Ryan Zinke am 30. Oktober 2017 bei Zeit Online externer Link ist ein Beitrag über die Vertragsaufkündigung, in dem unterstrichen wird: „Gut einen Monat nach Hurrikan Maria sind Großteile der Karibikinsel Puerto Rico noch immer ohne Strom, die US-Firma Whitefish Energy Holdings sollte das Elektrizitätsnetz wieder herstellen. Der Haken an der Sache: Laut US-Medien hatte die Firma zum Zeitpunkt der Auftragsvergabe nur zwei Mitarbeiter, ihr Preis liegt über Marktniveau – und der Firmeninhaber ist ein Bekannter des US-Innenministers Ryan Zinke. Nach Kritik des puerto-ricanischen Gouverneurs Ricardo Rosselló hat die staatliche Elektrizitätsgesellschaft ein Ende des Vertrags angekündigt. Er gehe auf die Forderungen des Gouverneurs ein, räumte der Direktor der Elektrizitätsgesellschaft, Ricardo Ramos, ein. Das Land müsse sich aber über die Folgen im Klaren sein: Das Vertragsende sei eine „enorme Ablenkung“ und habe negative Auswirkungen auf Arbeiten, die schon begonnen hätten. Der Wiederaufbau verzögere sich dadurch um zehn bis zwölf Wochen. Der 300-Millionen-Dollar-Vertrag wird derzeit auf örtlicher und Bundesebene kritisch geprüft“. Wobei zu erinnern wäre, dass die Kritik des Gouverneurs erst geäußert – und praktisch gemacht wurde – als die Zahl der Proteste gegen diesen seltsamen Vertrag beständig anwuchs.

„Enmascarados y con armas largas: empresas militares de seguridad merodean las calles de San Juan“ am 12. Oktober 2017 bei kaosenlared ist ein ausführlicher Beitrag über die Geschäfte eines weiteren Sturm-Gewinners auf Puerto Rico. Die private Sicherheitsfirma, die früher Blackwater hieß und nach ihrem berüchtigten Einsatz im Irak umbenannt wurde und fortan unter Academi arbeitet, hat den Großauftrag zur Gewährleistung der Sicherheit in der Hauptstadt San Juan übernommen. Dabei wird unter anderem ausgeführt, dass damit nicht nur viel zu verdienen ist, sondern auch die Art und Weise wie dies geschehe: Die maskierten Söldner tragen schwere Waffen, die Privaten laut den Gesetzen Puerto Ricos nicht erlaubt sind. Eigentlich…

Die organisierte Selbsthilfe – und die daraus entstehenden Debatten

Wie bereits eingangs erwähnt: Mexiko scheint zumindest regional „Schule“ zu machen. Dort hatte die breite Aktivität selbstorganisierter HelferInnen – darunter verschiedene Gewerkschaften, oder Gewerkschaftsopposition, wie die CNTE – dazu geführt, dass eine regelrechte gesellschaftliche Bewegung entstand, die auf dieser Haltung aufbaute. Und dementsprechend die Regierung nicht nur als weitgehend überflüssig kritisierte, sondern als Hemmnis gegen wirkliche Hilfe verurteilte. Ähnliches scheint sich nun auf Puerto Rico zu entwickeln – nicht ganz zufällig in Zusammenhang mit der traditionellen Unabhängigkeitsbewegung, bisher immer minoritär…Die Krankenschwesterngewerkschaft NUN mobilisiert zur Selbsthilfe auf Puerto Rico

„Self-organized relief projects of left activists as an alternative from below in the face of government’s failures“ von Monique Dols am 10. Oktober 2017 bei Europe Solidaire externer Link dokumentiert, ist ein Beitrag, der einen Überblick gibt über die zahlreichen organisierten und spontanen Aktionen der Selbsthilfe, die angesichts des Verhaltens der Regierung ständig zahlreicher werden. Die Ausführungen haben ihren Schwerpunkt bei den Aktivitäten verschiedener linksgerichteter Gruppierungen, die sich als krasser Gegensatz zu Trumps Hasstirade verstehen, der behauptet hatte, die Menschen auf Puerto Rico wollten, wie man es hierzulande ausdrücken würde, „Zucker in den Arsch geblasen“ kriegen.

„Amid Puerto Rico’s Water Crisis, Unions Step In Where Trump Is Failing“ von Jennifer Bendery am 23. Oktober 2017 in der Huffington Post externer Link ist ein Beitrag über die Aktion der US-LehrerInnen-Gewerkschaft AFT, die auf Initiative ihrer puertorikanischen Sektion eine Kampagne zur Finanzierung von Filtersystemen für die Wasserversorgung betreibt – „weil das ja sonst niemand macht“.

„Nurses returning from Puerto Rico accuse the federal government of leaving people to die“ von Alexia Campbell am 26. Oktober 2017 bei Vox externer Link ist ein Beitrag über die zurückgekehrten ersten Freiwilligen der Krankenschwestern Gewerkschaft National Union of Nurses, die den Bericht über ihre gelungene Zusammenarbeit mit den Krankenschwestern vor Ort verbinden mit einer heftigen, ausführlichen und konkreten Kritik am Verhalten der US-Regierung. Die NUN organisiert diese Freiwilligenaktionen in einem „Schichtsystem“ mit in der Regel drei Wochen Einsatz vor Ort.

„Vets In Puerto Rico Reveal Trump’s Lies: Supplies NOT Getting To People“ von Sam Seeder am 10. Oktober 2017 bei You Tube externer Link ist ein kurzes Video, das Aussagen von Armee-Veteranen dokumentiert, die die Behauptungen der US-Regierung (Trump: „Wir leisten einen tollen Job da“) als plumpe lügen entlarven und stattdessen darauf verweisen, dass nur die Selbsthilfe-Aktionen wirklich wirksam seien.

„»Die USA haben uns nicht geholfen«“  am 28. Oktober 2017 in der jungen welt externer Link ist ein Interview von Roland Zschächner mit Oscar Lópe Rivera, der nach 35 Jahren Haft am Ende der Obama-Amtszeit begnadigt wurde – für das „Verbrechen“ für die Unabhängigkeit Puerto Ricos einzutreten. Er sieht seine Position durch diese Entwicklungen im Zusammenhang mit dem Sturm bestätigt – und mit wachsendem positivem Echo: „Die US-Katastrophenschutzbehörde ist in Puerto Rico eingetroffen. Doch ihre einzige Maßnahme war es, alle Hilfsgüter zu beschlagnahmen, die unser Land erreichen. Die Behörde erklärte, dass das notwendig sei. Die Güter müssten gesammelt und dann gezielt verteilt werden. Doch darüber reden sie nur, bei der Bevölkerung kommt nichts an. Ich habe selbst gesehen, wie Doktoren Hilfsgruppen organisierten und wie die Bevölkerung versuchte, Schutt wegzuräumen. Es sind die Opfer der Katastrophe, die nun alles wieder aufbauen. Doch ihnen fehlt das dafür nötige Material, ihnen fehlt es an Nahrung und sauberem Wasser“.  Er verweist in diesem Gespräch außerdem auf die grundlegende problematische Situation der Abhängigkeit, die dazu geführt habe, dass auf Puerto Rico heute etwa 3,5 Millionen Menschen leben – während mindestens 5 Millionen PuertirikanerInnen emigriert seien…

Open Letter to the People of the United States From Puerto Rico, a Month After Hurricane María“ von Rafael Bernabe und Manuel Rodríguez Banchs am 20. Oktober 2017 bei Counterpunch externer Link dokumentiert, ist ein Offener Brief der beiden bekannten Aktivisten der Working Peoples Party, in dem kurz die Geschichte des Kolonialismus der USA gegenüber Puerto Rico skizziert wird und dessen Verschärfung durch die Trump-Regierung. Darin wird gegen die rechte Mobilisierung unter dem Slogan „Kein Schuldenerlass für Puerto Rico“ („No Bailout“) Stellung bezogen, und stattdessen gefordert, gemeinsam dafür einzutreten, dass es kein „Bailout“ für die Banken geben solle.

„Se cae la cortina, hay que organizar la vanguardia“ von Angel Agosto am 30. Oktober 2017 bei rebelion.org externer Link ist ein Beitrag des Autors und Aktivisten der Mediengewerkschaft CWA zu den Schlussfolgerungen aus der Entwicklung durch und nach dem Sturm. Darin wird programmatisch unterstrichen, der US-Kapitalismus habe Puerto Rico in den ganzen Jahren kolonialer Ausbeutung runde 500 Milliarden Dollar geraubt: Damit könnten nicht nur Schulden bezahlt und der Wiederaufbau finanziert werden, sondern auch Projekte angestoßen, die wirklich der Entwicklung des Landes dienen würden – und auf dieser Basis müsse auch organisiert werden.

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=123392
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