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[Stockton in USA] Diese kalifornische Stadt war pleite – jetzt testet sie ein Grundeinkommen, andere auch

BGE für alle!Auf dem Höhepunkt der Finanzkrise galt Stockton als «elendeste» Stadt der USA. (…) Das Einkommen in der mehrheitlich von Nichtweissen bewohnten Stadt ist deutlich tiefer und die Armutsquote höher als in San Francisco und selbst in Oakland. Den Tiefpunkt erreichte Stockton mit seinen 300’000 Einwohnern vor fünf Jahren. Es musste Konkurs anmelden, als bislang grösste Stadt in der Geschichte der USA. (…) Unter den Folgen der Pleite leidet Stockton bis heute. Und doch herrscht Aufbruchstimmung. Die Stadt soll als Versuchslabor für ein bedingungsloses Grundeinkommen dienen. (…) Der Start ist für August 2018 geplant. Dem Bürgermeister schwebt ein dreijähriger Versuch mit 100 Personen vor, die 500 Dollar pro Monat erhalten sollen. (…) In Oakland, der «armen» Nachbarstadt von San Francisco, sollen 3000 Personen einbezogen werden, berichtet der Fernsehsender CNBC. 1000 Leute sollen 1000 Dollar pro Monat erhalten, und das während bis zu fünf Jahren. 2000 weitere Personen sollen als Kontrollgruppe 50 Dollar erhalten…“ Beitrag vom 20.10.17 bei watson.ch externer Link und nun – nach Jahren – dazu:

  • Grundeinkommen-Experimente in den USA: Den amerikanischen Traum zerlegen New
    „… Als Chris Watts die ersten tausend Dollar auf seinem Konto sieht, für die er keinen Finger krumm gemacht hat, greift er zum Handy und kauft online Lebensmittel für seine Mutter. (…) Watts ist einer von 190 Künstler:innen, die zwischen 2021 und 2022 über ein Programm der Stadt San Francisco und des Kunstzentrums Yerba Buena Center for the Arts 1.000 Dollar pro Monat bekommen. Wie sie das Geld ausgeben, ist ihnen überlassen. Das Projekt läuft in zwei verschiedenen Phasen: In der ersten mussten Bewerber:innen nachweisen, dass sie über kein hohes Einkommen verfügen. In der zweiten wurden Kunstschaffende von einer Initiative aus verschiedenen Organisationen in San Francisco nominiert, die Minderheiten im Kreativsektor vertreten, etwa die Black Freighter Press und das Chinese Culture Center of San Francisco. Finanziert wird das Projekt in der ersten Phase aus dem Haushalt der Stadt. San Franciscos Bürgermeisterin London Breed ist Mitglied der Initiative Mayors for a Guaranteed Income, eines bundesweiten Zusammenschlusses von Bürgermeister:innen, die in ihren Städten Pilotprojekte zum Grundeinkommen gestartet haben. (…) Michael Tubbs, der Schwarze Bürgermeister von Stockton, ist noch keine 30, als er 2019 als erste:r in Kalifornien ein 18-monatiges kommunales Grundeinkommen einführt und die Initiative Mayors for a Guaranteed Income gründet. Er beruft sich auf Vorbilder wie Martin Luther King und die Black Panther Party, die für ein Grundeinkommen warben, um Rassismus und Armut zu bekämpfen. 125 Menschen mit einem geringen Einkommen, mehrheitlich Schwarz oder Latinx, erhalten in Stockton zwei Jahre lang bedingungslos 500 Dollar pro Monat, finanziert durch Spenden. Ein unabhängiges Team von Wissenschaftler:innen wertete den Versuch aus und stellte fest: Im Vergleich zu einer Gruppe, die kein Grundeinkommen erhielt, verbesserte sich die mentale Gesundheit derjenigen, die das Geld bekamen, immens. Tubbs sagt rückblickend: „Das Programm gab den Menschen die Würde, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen, die Möglichkeit, ihr Potenzial auszuschöpfen, und es verbesserte die wirtschaftliche Stabilität in den Wirren der Pandemie.“ Und tatsächlich: Zu Beginn des Versuchs hatten nur 28 Prozent der Teilnehmenden eine Festanstellung. Nach einem Jahr mit Grundeinkommen waren es 40 Prozent. Viele Befragte gaben an, dass ihnen das zusätzliche Geld ermöglicht hätte, zum Beispiel eine Ausbildung zu beenden. Mit der zusätzlichen Qualifikation konnten sie schließlich einen Job finden. Die Studie war eine kleine Sensation in den individualistisch geprägten USA, wo der Glaube, geschenktes Geld mache faul, besonders weit verbreitet ist. Auf einmal klingelten alle Telefone in Stockton. Was im Central Valley Kaliforniens begann, breitet sich überall in den Staaten aus. (…) Im Herbst 2022 laufen ungefähr 40 Versuche in den USA zum Grundeinkommen, fast jede Woche wird ein neuer angekündigt. Es ist die größte Grundeinkommensbewegung der Welt. Wohlgemerkt geht es nicht um ein bedingungsloses Grundeinkommen. Nicht alle Bürger:innen können sich um die Teilnahme bewerben, so wie es bei vielen Versuchen in Europa der Fall ist. In den USA richtet sich fast jeder Feldversuch an Menschen, die in Armut leben oder besonders stigmatisiert sind.“ (…) Der US-amerikanische Digitalisierungs-Forscher Jathan Sadowski sieht es kritisch, dass ausgerechnet die TechImperien in so großem Stil in die Utopie Grundeinkommen investieren. In einem Essay, der unter anderem im Guardian erschienen ist, schreibt er: „Anstatt dass Projekte umgesetzt werden, die zum Gemeinwohl der Menschen beitragen, können die Eliten des Silicon Valley Kritiker:innen abschütteln, indem sie auf das bedingungslose Grundeinkommen als die Lösung hinweisen.“ „Welfare for Capitalists“ nennt Sadowski das, eine Art Wiedergutmachung dafür, dass Angestellte der Tech-Empires, wie zum Beispiel Uber- oder Amazon-Driver, für unerträglich niedrige Löhne durchs Land fahren müssen und die Firmen die Gründung von Gewerkschaften unterdrücken. (…) Auch manche, die selbst von den Spenden der Tech-Riesen profitieren, sehen die Utopie mit zwiespältigen Gefühlen. Wie die junge Empfängerin des Yerba Buena Grundeinkommens in San Francisco, die anonym bleiben möchte: „Ich bin dankbar für diese Hilfe, ich wüsste nicht, wie ich letztes Jahr ohne das Grundeinkommen überlebt hätte. Aber es bleibt für mich eine kapitalistische Lösung für ein kapitalistisches Problem. Daher bezweifle ich, ob es das System wirklich verändern kann, denn es behandelt ja nicht die Ursachen von Armut.“…“ Recherche von Morgane Llanque beim Magazin enorm am 2. November 2022 externer Link
  • Der Mangel an Geld ist die Wurzel vieler Probleme: Eine der ärmsten Städte der USA testet ein bedingungsloses Grundeinkommen – mit großem Erfolg 
    „Kalifornien ist der bevölkerungsreichste Bundesstaat der Vereinigten Staaten und mit seiner spektakulären Pazifikküste und dem freundlichen Klima verantwortlich für einen maßgeblichen Teil gängiger USA-Klischees. Doch abseits der Küste und ihren Postkartenmotiven liegt Stockton, eine mittelgroße Stadt am nördlichen Ende des San Joaquin-Tals, eine der ertragreichsten Agrarregionen der Welt und zweitgrößter Ölproduzent der USA. Den Schätzen des San Joaquins zum Trotz ist Stockton eine der ärmsten und gefährlichsten Städte Kaliforniens. Fast jeder vierte Mensch lebt hier unterhalb der Armutsgrenze. Die niedrigen Löhne auf den Feldern, Kaliforniens notorisch hohe Lebenskosten und die Luftverschmutzung in der Region ergeben eine toxische Mischung für die Bewohner*innen der Stadt. Doch Stockton war seit Februar 2019 auch Ort eines Grundeinkommensexperiments, welches die Möglichkeit struktureller Verbesserung aufzeigen wollte. »Wir wussten, dass die Armut Quelle vieler von Stockton’s Problemen ist und wir wollten Kriminalität, Bildungsprobleme und steigende Obdachlosigkeit an der Wurzel bekämpfen: ein Mangel an Geld«, sagt Sukhi Samra, die Leiterin des Experiments mit dem programmatischen Namen SEED (dt.: Samen) – es steht für Stockton Economic Empowerment Demonstration. Im Rahmen von SEED erhielten 125 Menschen in Stockton für zwei Jahre 500 Dollar pro Monat – bedingungslos. (…) Das Grundeinkommensprogramm wurde von Michael Tubbs ins Leben gerufen, ehemaliger Bürgermeister von Stockton, der in progressiven Kreisen in den USA als politisches Wunderkind gehandelt wird und der selber unter schwierigen Bedingungen in Stockton aufgewachsen ist. Nach Ende der Zahlungen wird das Programm nun ausgewertet; die Resultate sind eindeutig: Teilnehmende berichten von erfolgreicherer Arbeitssuche, weniger psychischem Stress, mehr Möglichkeiten für Fortbildungen – einige gaben das Geld für notwendige Autoreparaturen aus, eine Voraussetzung für die Arbeitssuche im Autoland USA. Liberale Fernsehsender wie MSNBC berichteten begeistert. Direktzahlungen an arme Menschen, ohne jegliche Vorbedingungen, das ist seit dem Abbau des Sozialstaates in den USA seit den 80er Jahren ein politisches Tabu. (…) Armut, Ungleichheit und die ökologischen Konsequenzen der industriellen Landwirtschaft, das sind alles Probleme, die es laut Samra auch in anderen Regionen gibt und die überregional gelöst werden müssen: »Die untersten ein Prozent, die auf den Feldern arbeiten, die wir heute als systemrelevant beschreiben, kriegen keine fairen Löhne, werden nicht von Gewerkschaften vertreten und bekommen keine medizinische Versorgung.« Der Hintergrund: Die Löhne von Arbeiter*innen in den USA insgesamt stagnieren seit den 70er Jahren. »Die Sozialhilfe, die es gibt, richtet sich an Multimillionäre«, so Samra sarkastisch…“ Artikel von Johannes Streeck vom 24. März 2021 in neues Deutschland online externer Link
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=123011
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