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Weitere Debatte um das Ergebnis des LehrerInnen-Streiks in West Virginia – Für die Lehrerinnen und Lehrer anderer Bundesstaaten ist es ein Vorbild: „Best Virginia“

Beim Lehrerstreik in Westvirginia im Februar 2018 gibt es starke Unterstützung durch SchülerZwischen „Anatomie eines Sieges“ und „Ausverkauf des Lehrerstreiks“ geht die Bandbreite der Bewertungen der Ergebnisse des 9-Tage-Streiks der Lehrerinnen und Lehrer, sowie sonstiger Beschäftigter an den Schulen, im Bundesstaat West Virginia. Was meist damit zu tun hat, ob die Gehaltserhöhung um 5% in den Mittelpunkt der Bewertung gestellt wird, die gegen den Willen des Landesparlaments durchgekämpft wurde, oder die reichlich nebulös gebliebenen Vereinbarungen zur Krankenversicherung, die ja der eigentliche konkrete Grund gewesen waren, warum die Streikenden, entgegen dem Willen der Gewerkschaften, beschlossen hatten, den Streik fortzusetzen. Zur Erinnerung: In einem Bundesstaat, der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes das Streikrecht geraubt hat. Von dieser Debatte um die Bewertung des Ausgangs weitgehend unabhängig aber ist das Echo auf diesen Streik – das sich vor allem deutlich macht daran, dass nun gleich in mehreren anderen Bundesstaaten im Bildungsbereich sowohl über Streik diskutiert wird, als es auch Basisaktive gibt, die an verschiedenen Orten einen solchen Streik vorbereiten. Oder, wie es einer der in solchen Basis-Netzwerken Aktiven in einem Diskussionsbeitrag formulierte: „Es gibt keinen illegalen Streik, wenn Du ihn gewinnst“.  Siehe zum Streik in West Virginia und seinen Folgen unsere kleine aktuelle Materialsammlung vom 11. März 2018: „Lehrerinnen und Lehrer in West Virginia – eine Wende in der US-Gewerkschaftsbewegung?“:

“There Is No Illegal Strike, Just an Unsuccessful One” von Joe Burns am 06. März 2018 im JacobinMag externer Link ist der Beitrag eines langjährigen Aktivisten zum Streik. Darin hebt er unter anderem hervor, dass dieser Streik an jene der 60er Jahre erinnere, als die gewerkschaftliche Organisation im öffentlichen Dienst überhaupt erst zu einer gesellschaftlichen Realität wurde – durch eine lange Reihe von Streiks in vielen Bundesstaaten, beginnend damals mit den Lehrern von New York, die allesamt nicht legal waren. Wenn diese Streiks stark waren – wie jetzt, da jede einzelne Schule im ganzen Bundesstaat bestreikt wurde und eben nicht nur einzelne Einrichtungen – und wenn diese Streiks die Unterstützung der Betroffenen hatten, wie jetzt der Eltern und SchülerInnen, dann waren sie erfolgreich, völlig unabhängig von der rechtlichen Lage. Neben diesen beiden Grundfragen weist er vor allem auch darauf hin, dass dies eben ein gewerkschaftlich „unerwünschter“ Streik war, nachdem die Gewerkschaftsführung bereits eine Vereinbarung unterschrieben hatte, ohne eine Diskussion darüber zulassen zu wollen. Und gerade darin bestehe angesichts der heutigen Lage der Gewerkschaftsbewegung in den USA die Hoffnung für die Zukunft.

„The West Virginia Teacher Strike Was Just the Start“ von Steven Greenhouse am 07. März 2018 in der New York Times externer Link ist ein Beitrag der, bei diesem Medium nahe liegend, die innergewerkschaftlichen Entwicklungen nicht zum Thema hat. Wohl aber das Scheitern der republikanischen Taktik im Bundesstaat: Erpressung und Drohung wirkten nicht, weil die Streikenden „fed up“ waren (die Schnauze voll hatten) von der Verarmung durch ewige Austeritäts-Politik. Eine Situation, die in anderen Bundesstaaten vergleichbar sei. Interessant noch zu erwähnen die Modernität der Erpresser an der Landesregierung: Im Zuge des Generalangriffs auf die Krankenversicherung sollten die Schulbeschäftigten entsprechende Gesundheits-Apps herunterladen und benutzen, sonst würden Geldstrafen verhängt.

„Abkommen in West Virginia: Ausverkauf des Lehrerstreiks“ von Will Morrow am 08. März 2018 bei wsws externer Link hält zum Ergebnis fest:  „Am Dienstagnachmittag unterzeichnete der milliardenschwere Gouverneur von West Virginia Jim Justice, ein Abkommen, das den neuntägigen Streik von Lehrern und anderen Beschäftigten der öffentlichen Schulen im ganzen Bundesstaat beendet. Die Vereinbarung, die von den Gewerkschaften unterstützt und als Sieg dargestellt wird, ist ein Verrat an dem mutigen Kampf der 33.000 Schulbeschäftigten. Die zentrale Forderung der Streikenden nach einer garantierten Finanzierung der staatlichen Krankenversicherung Public Employee Insurance Agency (PEIA) bleibt unerfüllt. Stattdessen sollen die Gesundheitskosten vorübergehend nicht weiter steigen und eine Taskforce gegründet werden, die sich mit der chronischen Unterfinanzierung der PEIA befasst. Da jedoch beide Parteien den Interessen der mächtigen Energiekonzerne und Unternehmen im Bundesstaat verpflichtet sind und sich weigern, diese in nennenswertem Ausmaß zu besteuern, wird diese Taskforce zu nichts führen. Justice und die Bundesstaatsregierung haben stolz erklärt, die fünfprozentige Gehaltserhöhung für alle staatlichen Beschäftigten werde nicht durch Steuererhöhungen, sondern durch Haushaltskürzungen finanziert. Geplant sind unter anderem Einsparungen bei dem Krankenversicherungsprogramm Medicaid, auf das viele Schulangestellte, Schüler und Tausende Arbeiter angewiesen sind“.

„“A Living History Lesson”: Teachers Reflect on the Massive West Virginia Strike“ von Yawana Wolfe am 07. März 2018 bei In These Times externer Link ist ein Beitrag, in dem vor allem aussagen von Gewerkschaftsfunktionären und Streikenden unmittelbar nach dem Abkommen dokumentiert werden. Dabei werden durchaus unterschiedliche Tonlagen auch dort deutlich, wo es nicht um direkte Auseinandersetzung unterschiedlicher Bewertungen geht: Alle Streikenden, die zu Wort kommen, befassen sich mit dem Problem der Krankenversicherung, während die BerufsgewerkschafterInnen vor allem über die Gehaltserhöhung sprechen mögen.

„Inside the West Virginia teachers‘ rebellion“ von Tyler Barton und Lori Boegershausen am 05. März 2018 beim Socialist Worker externer Link ist ein Beitrag, der sich unter anderem mit der Entwicklung des Streiks genauer auseinandersetzt. Die Tatsache, dass der ganze Streik im wesentlichen ein Produkt der akuten Unzufriedenheit der LehrerInnen und der Arbeit von Bais-AktivistInnen war, wird daran nachgezeichnet, wie sich der Streik, beginnend in einigen wenigen Schulen im Süden West Virginias, ausbreitete – ohne dass die Gewerkschaftsführung dazu aufgerufen hätte.

„Labor History in Real Time“ von Russell Mokhiber am 09. März 2018 bei Counterpunch externer Link ist ein Beitrag über die politische Situation im Bundesstaat West Virginia, unter deren Bedingungen der Streik stattfand. Nachgezeichnet anhand des aktuellen Kandidatenrennens in beiden Parteien – und der Isolierung des demokratischen Senators Richard Ojeda in seiner eigenen Partei , unter anderem eben, weil er den Streik der LehrerInnen unterstützt hat.

„When Women Organize, We Win: Lessons From the West Virginia Teachers‘ Strike“ von Kate Doyle Griffiths am 07. März 2018 bei Truthout externer Link ist ein Beitrag über die Rolle der Lehrerinnen in diesem Streik, die sowohl durch die Unterstützung der Forderungen der Frauenbewegung am 8. März, als auch durch massive Beteiligung an der gewerkschaftlichen Basisarbeit wesentlich zur breiten Unterstützung des Streiks in der Öffentlichkeit beigetragen haben.  Was eine der Grundvoraussetzungen dafür war, den Streik mit Aussicht auf Erfolg fortführen zu können.

„Spreading wave of working class unrest in the US follows West Virginia teachers strike“ von Will Morrow am 10. März 2018 bei wsws externer Link ist ein Beitrag, der einen Überblick gibt über die aktuelle Entwicklung in einer Reihe von US-Bundesstaaten, wo Lehrerinnen und Lehrer Anstregungen entwickeln, eine ähnliche Streikbewegung zustande zu bringen. Aktuell in Oklahoma, Arizona, Kentucky und New Jersey…

„W. Va. Teachers Get Raise; Arizona Educators Gear Up for Similar Protest“ von Joseph Flaherty am 06. März 2018 in der Phoenix New Times externer Link steht hier als eines von vielen möglichen Beispielen lokaler Berichterstattung vor allem, aber nicht nur, aus den vier zuvor genannten Bundesstaaten, über Lehrerinnen und Lehrer aus der jeweiligen Region, die sich längst über Debatten um die Notwendigkeit eines Streiks hinaus entwickelt haben – und von West Virginia darin beeiflusst werden, es erst recht zu versuchen. Hier wird die Entwicklung skizziert anhand einer Twitter-Debatte zwischen gewerkschaftlichen BasisaktivistInnen und dem Landesvorstand der Lehrergewerkschaft AFT – der ihnen als Antwort auf die Frage, ob ein landesweiter Streik organisiert werde antwortet, sie sollten das mal lokal beginnen…

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=129175
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