»
USA »
»

VW (nicht nur) in den USA: Ein Feldzug des Unternehmens – samt Hilfstruppen – gegen Gewerkschaften im Werk Chattanooga

Dossier

volkswagen chattanoogaHeute haben die Wahlen im Werk Chattanooga begonnen. Dem Wahlbeobachter Johan Järvklo wurde der Zutritt zum Werk verweigert. (…) Zuvor hatte der dortige deutsche Werkleiter Frank Fischer bereits erklärt, die Strukturen im Werk Chattanooga seien viel demokratischer als in den Betrieben, in denen ein Betriebsrat sich in die Unternehmenspolitik einmischen würde. So gesehen geht es keineswegs nur um die Frage, ob es in dem Werk eine Gewerkschaftsvertretung geben wird, sondern um einen Frontalangriff auf die Gewerkschaften insgesamt. Ohne Rückendeckung aus der Konzernzentrale und seitens der Großaktionäre wäre eine solche Attacke undenkbar. Zu erinnern ist in diesem Zusammenhang an die regelmäßigen Auseinandersetzungen mit dem neuen Vorstandsvorsitzenden Herbert Diess, der selbst einem Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft im Zusammenhang mit dem Abgasbetrug ausgesetzt ist. Zu erinnern ist an die Attacke von Wolfgang Porsche als Sprecher der Porsche-Piëch-Clans auf „die Macht des Betriebsrates“. Er habe nichts gegen Mitbestimmung, versichert Wolfgang Porsche laut ManagerMagazin vom 5.3.2019. Doch kritisiert der Volkswagen-Aktionär entschieden die seiner Meinung nach zu große Machtfülle von Betriebsrat und Gewerkschaften bei dem Konzern…“ – aus dem Artikel „Kriegserklärung von VW gegen Betriebsrat und IG Metall: Volkswagen treibt den Konflikt mit Gewerkschaft und Betriebsrat auf die Spitze – USA-Werk in Chattanooga als Labor für den einen ganz anderen Umgang miteinander“ von Stephan Krull vom 12. Juni 2019 zur Gewerkschaftswahl bei VW USA, die am 14. Juni abgeschlossen werden wird. Siehe in der Materialsammlung zur Wahl den Artikel von Stephan Krull, drei Beiträge aus den USA zu Umständen und Bedeutung dieser Gewerkschaftswahl, sowie eine aktuelle Ergänzung ebenfalls von Stephan Krull zur Reaktion der IG Metall auf diese Offensive des Unternehmens, verfasst am 14. Juni 2019 – wir danken! Siehe nun das (enttäuschende) Ergebnis:

  • Erneute Abstimmungsniederlage der Gewerkschaft UAW bei VW USA in Chattanooga: Einschüchterung und Druck haben gewirkt – erste Analysen 
    „… Die Belegschaft des einzigen Volkswagen-Werks in den USA hat sich erneut knapp gegen eine gewerkschaftliche Vertretung ausgesprochen. Von den Teilnehmern der am Freitag zu Ende gegangenen Abstimmung im VW-Werk in Chattanooga im Bundesstaat Tennessee sprachen sich 833 gegen eine Vertretung durch die Gewerkschaft United Auto Workers (UAW) aus. 776 stimmten dafür. Republikanische Politiker in Tennessee hatten sich gegen das Vorhaben einer Gewerkschaftsvertretung gestellt. Beeinträchtigt wurden die Bemühungen zudem durch ein Korruptionsverfahren gegen einen ehemaligen Vize-Vorsitzenden der UAW. UAW-Vertreterin Tracy Romero sagte nach dem Votum, die Niederlage sei auf „Angst und Desinformation“ zurückzuführen. Gewerkschaftssprecher Brian Rothenberg sagte, politische Einmischung und die gegenwärtigen US-Arbeitsgesetze hätten zu dem Abstimmungsergebnis beigetragen.…“ – aus der Meldung „VW-Mitarbeiter wollen keine Gewerkschaft im US-Werk“ am 15. Juni 2019 beim Manager Magazin online externer Link, mit dem Ergebnis der Abstimmungsniederlage, das dem Ergebnis der ersten Wahl 2014 sehr ähnlich ist (damals 712-626). Siehe dazu auch die Pressemitteilung der UAW und erste Analysen:

    • „Angstkampagne zieht“ von Daniel Behruzi am 17. Juni 2019 in der jungen welt externer Link New
      weist auch darauf hin: „… Hierzulande sind solche Praktiken als US-amerikanische Managementmethoden verschrien. Doch die im Ausland aktiven deutschen Konzerne stehen dem offenbar in nichts nach. Das gilt nicht nur für Volkswagen. Auch der Bad Homburger Gesundheitskonzern Fresenius war kürzlich wegen Union Busting in den USA, Peru und Südkorea in den Schlagzeilen. Auch dort berichten Gewerkschafter von Einschüchterungsversuchen. Ein Kollege soll sogar an einen Lügendetektor angeschlossen worden sein, um Kündigungsgründe gegen ihn zu finden. Was können die Gewerkschaften dem entgegenhalten? Zum einen hilft internationale Solidarität. So hat Verdi kürzlich ein weltweites Gewerkschafternetzwerk bei Fresenius gegründet, das erste seiner Art im Gesundheitswesen. Mit ihren Positionen in Konzernbetriebsräten und Aufsichtsräten können hiesige Gewerkschafter einiges dafür tun, ihre Kollegen in anderen Ländern zu unterstützen. Doch im Umgang mit solchen Methoden sind auch andere Strategien gefragt. Die UAW hat in der ganzen Auseinandersetzung nur wenig dafür getan, die Beschäftigten im Werk einzubeziehen und gegen die Unternehmerpropaganda zu immunisieren. Statt dessen setzte sie auf einen Schlagabtausch über Werbeanzeigen und -spots. Das hat nicht gereicht…“
    • „VW’s Tennessee workers vote against union representation“ von Nick Carey am 15. Juni 2019 bei Reuters externer Link steht hier als Beispiel dafür, wie das Ergebnis bei VW  in den Medien des bürgerlichen Mainstreams bewertet wurde: Die Belegschaft ist gegen die Gewerkschaft.
    • „UAW calls for comprehensive labor law changes after VW organizing difficulty“ am 14. Juni 2019 im Newsroom der Gewerkschaft UAW externer Link ist die Pressemitteilung nach der Abstimmungsniederlage, in der nochmals einerseits auf die massive Einschüchterungskampagne hingewiesen wird und in der andererseits eine Gesetzesänderung gefordert wird, bezüglich der Verpflichtung von Unternehmen Tarifverhandlungen zu führen.
    • UAW Lokal 42: „We lost the election 776 yes to 833 no. We fought a brave fight against fear, intimidation, and high-priced lawyers. VW was able to stretch this out for 9 weeks to try to break our will. You stood strong in the face of the company’s assault. Eventually, justice will prevail
    • Why the UAW Lost Again in Chattanooga
      It was a bad sign. On the day voting began at the Volkswagen plant in Chattanooga, Tennessee, the shift change suddenly turned blue. Throngs of workers were passing through the factory turnstiles in both directions, as the day shift ended and the night shift began. On the preceding days, handfuls of union supporters in bright green shirts were there to hand out flyers and banter with their co-workers. But on Wednesday, instead of bustling union activists, a sea of workers passed quietly through the turnstiles wearing the blue anti-union “One Team: I Am Volkswagen” shirts provided by the company. Only a few workers were wearing the United Auto Workers shirts. Union supporters were visibly outnumbered by as much as 20 to 1. This scene was a warning of what was to come. On Friday night, the votes were counted and the union lost in another heartbreaking close vote, 776 yes to 833 no. Ninety-three percent of eligible workers cast ballots. What went wrong? Most obviously, the 1,700 hourly production workers voting were subject to a brutal employer campaign quite unlike VW’s studied neutral posture in the 2014 drive, which the union lost narrowly…“ Wie die erneute Niederlage der UAW bei VW USA zustande kam, das ist das Thema in dem Beitrag „Why the UAW Lost Again in Chattanooga“ von Chris Brooks am 14. Juni 2019 bei den Labornotes externer Link, der neben der Zusammenfassung der antigewerkschaftlichen Kampagne des Unternehmens auch deren besondere Intensität unterstreicht, wie auch die Hilfsdienste der rechten Gruppierungen im Bundesstaat. Er verweist aber auch sehr genau und ausführlich auf die Haltungen der Gewerkschaft, die zu dieser Niederlage beigetragen haben – wobei er als grundsätzliches Problem unterstreicht, dass die UAW einmal mehr keine wirkliche Mobilisierung im Werk organisiert hätte, sondern das ganze mehr im Stil eines Wahlkampfes organisiert habe und so letztlich die Kollegen in entscheidenden Situationen des Drucks alleine gelassen habe. Zu dieser Haltung zieht er auch Gegenbeispiele heran, wie es – auch in den Südstaaten – gelungen sei, die hier jederzeit zu erwartende Kampagne zurück zu schlagen, eben durch Basis-Mobilisierung…
  • Chaostage bei VW? Aufsichtsrat gegen Vorstand? Aufsichtsratsmitglied wird Zugang zum Werk in den USA verweigert. Was sagt die IG Metall dazu, was sagt der stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende dazu? Deckt er das Management oder fliegt der Werkleiter Frank Fischer?
    Stellungnahme Jörg Hofmann externer Link: „Die IG Metall unterstützt die Bemühungen der Gewerkschaft United Auto Workers UAW. Der Volkswagen-Standort in Chattanoga ist – neben den Werken in China – der einzige, in dem es keine gewerkschaftliche Interessensvertretung gibt. Der Süden der USA ist besonders gewerkschaftsfeindlich. Das politische Umfeld ist extrem aufgeladen. Gewerkschaftsfeindliche Lobby-Organisationen agieren. Volkswagen hat sich entsprechend amerikanischem Arbeitsrecht zu neutralem Verhalten im Vorfeld der Wahl verpflichtet. Aber: Nach unseren Informationen wurde dies in der Vergangenheit allerdings vielfach unterlaufen. So wurden im Werk antigewerkschaftliche Flugblätter verteilt, Vorgesetzte bitten darum, dem Management eine Chance zu geben, die Probleme ohne die Gewerkschaft zu lösen. Wir haben das Unternehmen auf diese Verstöße gegen die Compliance Regeln aufmerksam gemacht und das Unternehmen hat zugesichert diese abzustellen. Wir wollen einen fairen Umgang und wünschen unseren Kolleginnen und Kollegen der UAW viel Erfolg bei der nun anstehenden Wahl.“
    The Tennessee Holler zitiert Jörg Hofmann externer Link: „Das Management von Chattanooga hat die klare Anweisung aus der Konzernzentrale in Deutschland, bei den Wahlen neutral zu bleiben„.
    Stellen sich folgende Fragen:
    1. Die Wahlen gehen heute zu Ende und das örtliche Management ist nicht neutral gewesen – an keinem verdammten Tag. Geht das ohne Rückendeckung aus der Konzernzentrale? Passt das nicht zu den Angriffen von Diess und Porsche auf den Betriebsrat und die IG Metall?
    2. Wenn Hofmann Recht hat und es gab eine klare Anweisung aus der Konzernzentrale, sich neutral zu verhalten – welche Konsequenzen hat das dann für Werkleiter Frank Fischer und andere, die bewusst und aggressiv mit Lügen und Drohungen gegen die UAW vorgegangen sind?
    3. Sollte die Wahl für die UAW aufgrund der Hetze von Fischer & Co. negativ ausgehen – welche Konsequenzen hat das für die Arbeitsbeziehungen im VW-Werk in Chattanooga? Wird Volkswagen dennoch die UAW anerkennen und Tarifverträge verbindlich mit ihr vereinbaren? Morgen früh wissen wir mehr, das Votum liegt dann vor.“ Artikel von Stephan Krull vom 14.6.2019 – wir danken!
  • Kriegserklärung von VW gegen Betriebsrat und IG Metall: Volkswagen treibt den Konflikt mit Gewerkschaft und Betriebsrat auf die Spitze – USA-Werk in Chattanooga als Labor für den einen ganz anderen Umgang miteinander
    „Heute haben die Wahlen im Werk Chattanooga begonnen. Dem Wahlbeobachter Johan Järvklo wurde der Zutritt zum Werk verweigert.
    Dazu der VW-Konzernbetriebsratsvorsitzende und Präsident des Weltkonzernbetriebsrats Bernd Osterloh:
    Ich habe kein Verständnis dafür, dass unserem neutralen Wahlbeobachter Johan Järvklo der Zutritt zum Werk Chattanooga verweigert wurde. Johan Järvklo ist Generalsekretär des Weltkonzernbetriebsrats und Mitglied des VW-Aufsichtsrates. Er ist außerdem sehr erfahren beim Thema innerbetrieblicher Wahlen und darum ein wertvoller Ratgeber. Ich fordere das Unternehmen auf, sich bei diesen demokratischen Wahlen endlich neutral zu verhalten, wie es zugesagt wurde.“
    Hartwig Erb, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Wolfsburg: „Ich bin entsetzt und empört über das Verhalten des VW-Managements in Chattanooga. Einem Aufsichtsratsmitglied von Volkswagen den Zutritt zu einem VW-Werk zu verweigern ist schon ein starkes Stück. Ich fordere vom Unternehmen strikte Neutralität und mehr Respekt vor den Vertretern der Arbeitnehmer im Volkswagenkonzern. Das Unternehmen scheint hier sein wahres Gesicht zu zeigen und möchte unbedingt ein Exempel statuieren. Dem werden wir entschieden entgegen treten. Unsere Solidarität liegt bei den Vertretern unserer Schwestergewerkschaft UAW„.
    Zuvor hatte der dortige deutsche Werkleiter Frank Fischer bereits erklärt, die Strukturen im Werk Chattanooga seien viel demokratischer als in den Betrieben, in denen ein Betriebsrat sich in die Unternehmenspolitik einmischen würde. So gesehen geht es keineswegs nur um die Frage, ob es in dem Werk eine Gewerkschaftsvertretung geben wird, sondern um einen Frontalangriff auf die Gewerkschaften insgesamt. Ohne Rückendeckung aus der Konzernzentrale und seitens der Großaktionäre wäre eine solche Attacke undengbar. Zu erinnern ist in diesem Zusammenhang an die regelmäßigen Auseinandersetzungen mit dem neuen Vorstandsvorsitzenden Herbert Diess, der selbst einem Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft im Zusammenhang mit dem Abgasbetrug ausgesetzt ist. Zuerinnern ist an die Attacke von Wolfgang Porsche als Sprecher der Porsche-Piëch-Clans auf „die Macht des Betriebsrates“. Er habe nichts gegen Mitbestimmung, versichert Wolfgang Porsche laut ManagerMagazin vom 5.3.2019. Doch kritisiert der Volkswagen-Aktionär entschieden die seiner Meinung nach zu große Machtfülle von Betriebsrat und Gewerkschaften bei dem Konzern. Der Einfluss habe „Verkrustungen“ begünstigt, die jetzt den raschen Umbau des Autobauers bremsten. Er unterstütze den Kurs von Konzernschef Herbert Diess, der den lange als behäbig geltenden Wolfsburger Autobauer flott machen will und Einsparungen vorantreibt, um die hohen Investitionen für die Elektro-Offensive freizulegen. Das alles angesichts von Milliarden-Ausschüttung an eben den Porsche-Piëch-Clan und Gewinnrücstellungen von weit über 70 Milliarden Euro.
    Es wird erwartet, das weitere Aufsichtsratsmitglieder wie Jörg Hoffmann (IG Metall-Vorsitzender und stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender) und Stephan Weil (SPD, Ministerpräsident und Aufsichtsratsmitglied) sich zu diesem Angriff auf die Gewerkchaftsrechte äußern.“ Artikel von Stephan Krull vom 12.6.2019 – wir danken!
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=150236
nach oben