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Lehrerinnen und Lehrer in immer mehr US-Bundesstaaten im Streik: Die Wildkatzen sind los

Beim Lehrerstreik in Westvirginia im Februar 2018 gibt es starke Unterstützung durch SchülerNachdem die Lehrerinnen und Lehrer und die anderen Beschäftigten an Schulen im Bundesstaat West Virginia trotz – oder wegen – eines Nacht- und Nebelabkommens ihrer Gewerkschaften mit der Regierung des Bundesstaates weiter gestreikt hatten und dabei einige kleinere Verbesserungen erreicht haben, war bereits deutlich geworden, dass es in mehreren anderen Bundesstaaten der USA nicht nur ähnliche problematische soziale Konstellationen für die Beschäftigten an Schulen gibt (siehe den Verweis auf unseren letzten Beitrag am Ende dieser Sammlung) – sondern auch ähnliche Bereitschaft, für Veränderungen einzutreten. Unabhängig von Willen, Positionierung und Aktivität der jeweils bestehenden Gewerkschaftsorganisationen. Der Beginn neuer Streiks und erst recht die Debatten darum, selbstständig in den Streik zu treten, sind seither in Bundesstaaten wie Oklahoma, Kentucky und Arizona immer breiter und öffentlicher geworden – und die Schritte dahin eindeutiger. Am 02. April 2018 begannen die Lehrerinnen und Lehrer in Oklahoma und Kentucky ihre Streiks. Siehe dazu vier aktuelle und zwei Hintergrundbeiträge sowie den Verweis auf den letzten unserer Beiträge zum „Funken“ aus West Virginia:

„Teachers walk out in Oklahoma and Kentucky“ von Meg Wagner und Veronica Rocha am 02. April 2018 bei CNN externer Link ist ein (chronologischer) Beitrag über die Demonstrationen der Streikenden vor den Landesparlamenten in ihren beiden Bundesstaaten (und auch ein Beleg für die keineswegs übliche Präsenz eines Streiks in den Mainstream-Medien – denn es gab und gibt ausführliche Berichte auch in der New York Times, Washington Post usw.). Ein Indiz für die Gesamtstimmung ist dabei der Bericht über einen Lehrer, der im Web nach einer Gruppe suchte, die „Oklahoma walk out“ benannt wurde – es gab sie nicht. Und als er am Abend beschloss, sie dann halt selbst aufzumachen, hatte er beim Aufwachen am nächsten morgen 21.000 Mitglieder. Bei den Demonstrationen wird deutlich und deutlich gemacht, dass es sowohl um Gehaltserhöhungen geht, als auch um die Finanzierung des öffentlichen Schulwesens, die in einer ganzen Reihe von Bundesstaaten radikal gekürzt worden ist, in Kentucky um sage und schreibe 28% in wenigen Jahren. Viele Lehrerinnen und Lehrer machen auf diesen Demonstrationen auch deutlich, dass sie einen Zweitjob haben müssen, um zu überleben…Viele Befragte antworteten auf die Frage danach, wie lange sie bereit seien zu streiken mit der Aussage „bis das Parlament unseren Forderungen nachkommt“.

„Oklahoma Teachers‘ Union Sets Strike Date for April 2 After Teacher Outcry“ von  Madeline Will am 07. März 2018 in der Education Week externer Link war ein Beitrag über die erzwungene Positionsänderung  der Oklahoma Education Association. Die Gewerkschaft hatte der Landesregierung eine Frist gesetzt bis zum 23. April, eine Gehaltserhöhung vom 10.000 Dollar im Jahr zu beschließen. Die Reaktion der Mitgliedschaft auf diesen Termin war so massiv und öffentlich, dass die Gewerkschaftsführung gezwungen war, dem nachzugeben und den Streikbeginn drei Wochen vorher, eben am 2. April fest zu legen. Der Protest gegen die ursprüngliche Haltung der Gewerkschaft hatte sich unter anderem auf einer Webseite ausgedrückt, die eine Probeabstimmung über den Streikbeginn durchführte, an der sich über 10.000 Gewerkschaftsmitglieder beteiligten – von denen gerade einmal knapp 300 mit dem ursprünglich gesetzten Termin einverstanden waren.

„After 15,000 march on capitol, Oklahoma teachers’ strike enters second day“ von Jerry White am 03. April 2018 bei wsws externer Link ist ein Bericht über die Demonstration in Oklahoma City, an der sich rund 15.000 Menschen beteiligten – neben Lehrkräften und Verwaltungspersonal auch Elternvereinigungen und Gruppen von SchülerInnen. Die rund 40.000 Lehrerinnen und Lehrer im Bundesstaat haben seit 10 Jahren keine Gehaltserhöhung mehr gehabt, eine Tatsache, die das „angespannte“ Verhältnis zu den beiden Erziehungsgewerkschaften ausreichend erläutert – deren Aufruf, es bei einem Tag Proteststreik zu belassen, wurde jedenfalls in den vier größten Schulbezirken des Landes „überhört“. Die jahrelangen Etatkürzungen beiden großer Parteien haben hier dazu geführt, dass zunehmend mehr Schulen nur noch vier Tage Unterricht je Woche geben.

„Mass wildcat strike by Kentucky teachers“ von Mike Harman am 30. März 2018 bei libcom.org externer Link ist ein Bericht von den Streiks der Lehrerinnen und Lehrer in Kentucky an diesem Tag – ihr Kampf richtet sich vor allem gegen das (in der BRD natürlich aber so was von völlig unbekannte) Modell, neu eingestellte Lehrkräfte schlechter zu bezahlen als bisher – und erst recht wesentlich schlechtere Bedingungen in der Rentenversicherung zu „bieten“. Und da die Gewerkschaft sich einmal mehr nicht zu einem Streikaufruf durchringen konnte…waren 8 Schulbezirke des Bundesstaates geschlossen.

„Teacher Strike Fever Spreads“ von Dan DiMaggio und Jonah Furman am 23. März 2018 in den Labornotes externer Link ist ein Beitrag, der sowohl die Streikgründe zu sammen trägt, wie sie in den verschiedenen Bundesstaaten gemeinsam sind – schlechte Bezahlung, die oft genug Zweitjobs erfordert, anstehende Fortsetzung jahrelanger Kürzungspolitik, denen die Gewerkschaften nichts entgegengesetzt haben (vor allem nicht, wenn sie von der Demokratischen Partei vorgenommen wurden) und Reduzierung der Schuletats bis herunter dahin, dass das Funktionieren der Schulen oft nur noch (vom Personal) improvisiert garantiert werden kann. Als auch ausführlich die jeweils konkreten Schritte nachgezeichnet werden, mit denen an der Gewerkschaftsbürokratie vorbei diese aktuellen Streiks vorbereitet wurden.

„USA: Lehrerstreik in Jersey City, Forderungen nach Ausstand im ganzen Land“ am 19. März 2018 bei wsws externer Link ist ein Beitrag, der sich abschließend prinzipiell mit der Rolle der Erziehungsgewerkschaften befasst und dabei die Position vertritt: „Die wachsende Kampfbereitschaft bringt die Lehrer in direkten Konflikt mit ihren Gewerkschaften, der National Education Association (NEA) und der American Federation of Teachers (AFT), sowie dem ganzen Apparat des Gewerkschaftsdachverbands AFL-CIO. Diese arbeiterfeindlichen, korporatistischen Organisationen sind seit vier Jahrzehnten für eine endlose Kette von Verrätereien und Niederlagen verantwortlich und haben alles getan, um den Widerstand gegen wachsende soziale Ungleichheit zu unterdrücken. Letzten Monat hatte ein Gewerkschaftsanwalt vor dem Obersten Gerichtshof das Grundprinzip der Gewerkschaften offen ausgesprochen: „Die Absicherung der Gewerkschaften ist die Gegenleistung dafür, dass es keine Streiks gibt.“ Gegenstand des Verfahrens war, ob die öffentlichen Arbeitgeber das Recht haben, auch von Nichtgewerkschaftsmitgliedern eine Gebühr für die Gewerkschaftsbeiträge einzuziehen. Der Gewerkschaftsanwalt David Frederick warnte das Gericht: „Ohne die Gewerkschaften drohen dem Land „Arbeitskämpfe von noch nie da gewesenem Ausmaß.“ Angesichts der wachsenden Unruhe unter den Beschäftigten versuchen die Gewerkschaften, die Kämpfe zu isolieren und zu unterdrücken. In West Virginia beendeten die Gewerkschaften den Streik genau in dem Moment, in dem er sich zu einer breiteren Bewegung der ganzen Arbeiterklasse zu entwickeln begann. Dann stellten sie gemeinsam mit der Demokratischen Partei den Ausverkauf als „Sieg“ dar“.

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=130111
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