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Nach über 600 Festnahmen weiß die tunesische Regierung Bescheid: Hinter den Protesten steckt die Front Populaire. Oder, vielleicht auch: Schmuggler…

Jugendprrotest in Tunesien im Februar 2016 - gegen ErwerbslosigkeitWährend die Proteste gegen die Teuerung in Tunesien sich sowohl immer weiter ausbreiten und jetzt in allen Regionen des Landes stattfinden, als auch immer härtere Konfrontationen mit Polizei und Armee erleben, haben die (nicht nur) tunesischen Medien vor allem das Thema Plünderungen als Schlagzeile, ganz im Sinne der Regierung. Und während die Zahl der Festgenommenen jede Nacht um Hunderte ansteigt, weiß die konservative Regierung jetzt (endlich), was hinter den ganzen Protesten steckt. Natürlich nicht ihre eigene Politik, die die Teuerung fördert, sondern die linke Opposition der Volksfront. (Und falls das nicht besonders plausibel sein sollte, gibt es als Ersatz-Schuldigen auch noch Schmugglerbanden). Während die Polizei und andere Repressionsorgane auf der einen Seite Demonstrationen und Proteste verhindern sollen, sind sie andrerseits damit beschäftigt, das Jugend-Netzwerk „Worauf warten wir?“ zu „enttarnen“, das sich als eine der wesentlichen Kräfte bei der Organisierung der Proteste profiliert hat. Siehe dazu vier aktuelle Beiträge, inklusive einer Protest-Chronik und den Verweis auf unseren ersten Beitrag zu den Protesten in Tunesien:

  • „Mehr als 600 Festnahmen in Tunesien“ am 12. Januar 2018 in der jungen welt externer Link meldet unter anderem: „Nach der dritten Nacht in Folge mit gewaltsamen Protesten in Tunesien ist die Zahl der Festgenommenen nach Angaben des Innenministeriums auf mehr als 600 gestiegen. Bei Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Einsatzkräften seien landesweit 328 Menschen festgenommen worden, sagte ein Sprecher am Donnerstag. Die Gewalt habe aber nachgelassen. Die Verhaftungen am Mittwoch seien wegen Diebstahls, Plünderungen, Brandstiftung und Straßenblockaden erfolgt, erläuterte der Sprecher. Bereits am Dienstag waren demnach 237 Menschen und am Montag 44 Menschen festgenommen worden. In der westtunesischen Stadt Thala wurde in der Nacht auf Donnerstag nach Angaben des Sprechers ein wichtiger Polizeiposten angezündet. Die Proteste richten sich gegen steigende Lebenshaltungskosten und die Sparpolitik der Regierung. Nach 2011 galt Tunesien als Musterland des sogenannten Arabischen Frühlings. In der nordtunesischen Stadt Siliana bewarfen Jugendliche die Einsatzkräfte mit Steinen und Molotowcocktails, wie ein Reporter der Nachrichtenagentur AFP berichtete. Die Polizei setzte Tränengas ein. Ähnliche Szenen spielten sich in Kasserine, Sidi Bouzid und in einigen Vierteln der Hauptstadt Tunis ab. Das Verteidigungsministerium teilte mit, dass wegen der Ausschreitungen in den größeren Städten nun Soldaten vor Banken, Postfilialen und Regierungsgebäuden postiert worden seien“.
  • „Tunisie: Réponse du Front populaire aux accusations de Youssef Chahed“ am 11. Januar 2018 bei Tunisie Numerique externer Link ist der Bericht über die Pressekonferenz des Front Populaire mit der Stellungnahme zu den Anschuldigungen des tunesischen Minsterpräsidenten, die linke Opposition sei Urheber der aktuellen Proteste und damit auch für „Ausschreitungen“ verantwortlich. Darin unterstreicht der Sprecher des linken Bündnisses, die einzige Verantwortung für die Protestwelle liege bei der Regierung und ihrer Politik und die Proteste entstünden aus der schwierigen Lebenslage der Menschen. Etwaige Plünderungen und vergleichbare Vorkommnisse müssten untersucht werden – von einer regierungsunabhängigen Kommission.
  • „Une campagne d’opposition“ am 09. Januar 2018 bei La Presse externer Link ist eine kurze Meldung über eine Demonstration die das Netzwerk  „Worauf warten wir?“ in Tunis organisiert hatte. Dort waren die beiden Kernforderungen die Herabsetzung der Preise für Grundgüter des täglichen Bedarfs und die Aussetzung des Finanzgesetzes für 2018 (Haushalt), was offensichtlich für die Regierung bereits umstürzlerisch genug klingt…
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=126475
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